Nachts um Zwei auf der Molzau

| ,

Heute erinnert kaum noch etwas an das große militärische Areal bei Philippsburg, doch jahrzehntelang haben hier tausende von Soldaten ihren Dienst verrichtet. Einer davon war Günther aus Karlsruhe

Die Natur hat sich das weitläufige Gelände längst zurückgeholt. Es ist ruhig hier draußen auf der Molzau bei Philippsburg, der Wind streift durch die Wipfel der Bäume, Vögel zwitschern, ansonsten.. Stille. Noch vor einigen Jahrzehnten war das anders. Damals donnerten schwere motorisierte Militärfahrzeuge über die breit betonierten Straßen, exerzierten amerikanische Gi ́s unter Gesang um die Baracken. Hier dienten deutsche Bundeswehrsoldaten und Amerikaner in enger Nachbarschaft in der Angang der 60er Jahre nach Reichsfeldmarschall Leutnant Rheingraf Carl August von Salm-Grumbach errichteten und benannten Salmkaserne. Stationiert waren hier das Feldartilleriebataillon 210, das Raketenartilleriebataillon 122 und das Fernmeldebataillon 890. Auf amerikanischer Seite sorgte das US Custodial Team für die Verwahrung der Munition, darunter Nukleargranaten für den Kriegseinsatz.

Bild: Privat

Einer der unzähligen Soldaten, die hier zwischen 1961 und dem Ende des Kalten Krieges Dienst geschoben haben, war Günther aus Karlsruhe. 1980 erhielt er seinen Musterungsbescheid vom Kreiswehrersatzamt und da damals die Möglichkeiten zur Verweigerung nur in der Theorie bestanden, beschloss er zähneknirschend den Dienst hinter sich zu bringen. Seine Grundausbildung absolvierte er im damals noch unter dem Namen Generaloberst-von-Fritsch-Kaserne geführten Bundeswehrstützpunkt in Pfullendorf. Auf sechs Wochen Grundausbildung folgten weitere sechs Wochen Spezialausbildung als Vermesser, danach wurde Günther in die Salmkaserne nach Philippsburg verlegt.

Am 1. Juli 1980 trat Günther seinen Dienst hier an, zusammen mit hunderten Soldaten im heutigen Waldgebiet Molzau. Sechs Mann auf der Stube, strenge militärische Disziplin Tag für Tag im Zeichen des Kalten Krieges. Besonders gut kann sich Günther noch an das nächtliche „Wache schieben“ rund um die von den Soldaten “Disco Molzau” genannten Munitionsbunker erinnern. Hier machte er auch Bekanntschaft mit der damals wieder frisch eingeführten Zeitumstellung, als eines Nachts plötzlich die Uhr von 3 Uhr auf 2 Uhr sprang und der Wachgang zu Günthers Unmut eine volle Stunde länger ausfiel. Den Spitznamen “Disco” bekamen die Bunker im ironischen Sinne, weil Teile der Kameradschaft hier auf Wache das Wochenende verbringen mussten, während andere in der Umgebung – beispielsweise in der Philippsburger Disco Silbermine – fröhlich feiern konnten. Das wäre Günther ohnehin nicht in den Sinn gekommen. “Mit den 240 Mark Sold die wir damals bekommen haben, habe ich mir lieber einen Sechserpack Bier im Laden gekauft, als sie in der Disco auf den Kopf zu hauen“, erzählt er lachend am Telefon.

Vor einiger Zeit war er das erste Mal seit langen Jahren wieder in der Molzau, an jenem Ort, an dem er Anfang der 80er Jahre seinen Wehrdienst absolviert hat. Doch abgesehen von dem großen Wachturm und ein paar zu Lagerraum und Fledermaushöhle umfunktionierten Bunkern gab es hier nicht mehr viel zu sehen. Im Internet stieß er dann auf einen alten Artikel der Hügelhelden mit beeindruckenden Fotos des Philippsburger Fotografen Siegfried Kremer und nahm Kontakt auf. Das Ergebnis: Die Niederschrift dieser kleinen aber persönlichen Geschichte.

Günthers Wehrdienst in Philippsburg endete dann im Juni 1981, eine komplette Entlassung aus dem Militärdienst war damals aber nicht möglich. Nach Ende der Wehrzeit erhielt man automatisch den Status eines Reservisten, war fortan aufgefordert, auf eventuelle Codewörter im Radio zu achten. Jahrelang war Günther noch in Habachtstellung, musste immer damit rechnen, während der Fahrt zur Arbeit ganz beiläufig im Radioprogramm Wortkonstruktionen wie “Der gelbe Hund” oder Ähnliches zu hören, was ihn quasi sofort wieder in Dienst gesetzt hätte.

Zwischenzeitlich hat sich die Lage der Welt wieder beruhigt, der Kalte Krieg ging mit dem friedlichen Fall der Sowjetunion Ende der 80er / Anfang der 90er zu Ende. Doch nach 30 Jahren Frieden in Europa fiel Russland bekanntlich Anfang des letzten Jahres in der Ukraine ein, seither hat sich der europäische Fokus wieder zunehmend auf dessen militärisches Rückgrat verlagert. Zu der seit kurzem wieder aufflammenden Debatte über eine Rückkehr der Wehrpflicht hat Günther eine klare Meinung. Er würde eine solche klar begrüßen, alleine wegen der Entlastung des Sozialwesens durch den damit einhergehenden Zivildienst. Ihm selbst hat die Zeit in Pfullendorf und Philippsburg zwar nicht immer Spaß gemacht, insgesamt blickt er aber mit schönen Erinnerungen auf seine Zeit beim Bund zurück. Was ein mögliches Comeback der Wehrpflicht angeht, fügt er aber noch schmunzelnd hinzu: “Es hat mir damals auch gestunken, doch es würde einigen sicher nicht schaden.“

Vorheriger Beitrag

Philippsburg: Verkehrsunfall auf der L555

Möge die Kraft mit Euch sein

Nächster Beitrag

3 Gedanken zu „Nachts um Zwei auf der Molzau“

  1. Lieber Günther,bin ganz ihrer Meinung, dass es vielen nicht schaden würde ihren Wehrdienst oder Zividienst abzuleisten.Auch unsere ausländischen Mit bürger!

    • Wie früher war, Wahlmöglichkeit zwischen Wehr- oder Zivildienst.
      Jeder sollte was für die Gesellschaft tun!

  2. Alle, die einen doppelten Pass besitzen,sollten auch bei uns Wehr- od.Zivi dienst leisten müssen.Wäre bestimmt zum Nutzen für unsere Gesellschaft und für sie selbst.

Kommentare sind geschlossen.