Mit 1000 Sachen in den Kuhstall

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Die Bauernhöfe im Dossental surfen künftig über die schnelle Glasfaser

Wir wollen ja gar nicht meckern. Der Internetanschluss mit dem diese Redaktion ans weltweite Netz angeschlossen ist, könnte schlimmer sein. Er reicht für flüssiges Surfen und er reicht sogar für ruckelfreie Streams… meistens zumindest. In unserer exponierten Lage mit reichlich Luft zum nächsten Nachbarn, ist man nicht wählerisch, nimmt was man bekommt. Nicht vergessen sind die ersten Tage der Hügelhelden, als wir mit 0,75 Mbit online krochen.

Dennoch geben wir es gerne zu: Wir sind neidisch auf die Kollegen im Dossental bei Gondelsheim, die ab sofort mit bis zu einem Gigabit und darüber hinaus, auf der weltweiten Datenautobahn vom Standstreifen direkt auf die Überholspur wechseln können. Sie hatten Glück, weil ihre Aussiedlerhöfe in direkter Nachbarschaft zur neuen Glasfaser-Trasse zwischen den beiden Kliniken in Bruchsal und Bretten liegen. Durch eine gemeinsame Kooperation der Gemeinde Gondelsheim, der Stadtwerke Bretten und der BLK (Breitband Landkreis Karlsruhe GmbH) gelang das Kunststück.. die Höfe wurden angeschlossen und die ländliche Siedlung gelangt nun in den Genuss der flotten Faser.

Bei einer kleinen Feierstunde am Montag wurde diese Errungenschaft im Dossental mit Cola und Butterbrezeln gefeiert. Mit dabei Landrat Dr. Christoph Schnaudigel, der Abgeordnete Christian Jung, Bürgermeister Markus Rupp und so ziemlich das gesamte Dossental. Bei den Aussiedlern ist die Erleichterung groß, werden sie doch nun endlich adäquat ans große Netz angeschlossen. “Bisher hatten wir mit Glück maximal 10 MBit, bei schlechtem Wetter oft auch gar nichts, nicht mal Telefon…” erzählen Sie und können es kaum fassen, dass sie im Vergleich zu ihren popeligen 10 nun bald 1000 MBit buchen können… “Dann kann ich mir eure Videos auf Hügelhelden endlich mal ohne Ruckeln und Nachladen anschauen”, freut sich Landwirt Erhard Walz. Ja, bei diesem dezenten Upgrade von 990 Mbit sollte das vermutlich möglich sein.

Natürlich muss und wird wahrscheinlich nicht jeder im Dossental das ganz große Paket mit einem Gigabit im Downstream buchen, das reizt ein Privatanwender eher nicht aus. Dafür bräuchte man schon 50 Kinder, die alle zeitgleich Netflix streamen und sich aktuelle Computerspiele auf die Xbox herunterladen. Der Anbieter Inexio, welcher sich für die Vermarktung der Anschlüsse der BLK verantwortlich zeichnet, hat natürlich aber auch andere, kleinere Pakete im Angebot. Die Vertreterin des Unternehmens stellt bei der kleinen Feierstunde sogar Gratismonate und die Erstattung des Anschlusspreises in Aussicht.

Das ist natürlich nett, aber die Dossentäler haben auch nicht wirklich eine Wahl. Inexio – das zur selben Unternehmensgruppe wie die Deutsche Glasfaser gehört – ist aktuell eben der einzige Anbieter, über den das schnelle Internet via Landkreis-Leitungen buchbar ist. Stören dürfte das niemanden, im Gegenteil… Keiner der großen Provider hätte jemals auch nur müde den Kopf in Richtung Dossental gedreht, durch die gerade einmal sieben Höfe war der Ausbau privatwirtschaftlich völlig uninteressant… Auf die dicken Telekommunikationsriesen wartet man eben mitunter auf dem platten, bzw. hügeligen Land noch bis zum Sankt Nimmerleinstag.

Genau aus diesem Grund – wegen der Trägheit des Marktes und noch mehr der Trägheit der Big Player – hat sich vor 13 Jahren der Landkreis entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die BLK will den ganzen Landkreis mit schnellen Internetverbindungen ausstatten, nicht nur mit Übergangstechnologien wie VDSL oder Vectoring, sondern gleich mit der schnellen Glasfaser, idealerweise bis direkt in die Hütte. “Eigentlich sollte das nicht Aufgabe des Landkreises sein, sich darum kümmern zu müssen” merkt der Landtagsabgeordnete Christian Jung an und erntet eifriges Nicken vom daneben stehenden Landrat. Für ihn ist klar: Breitbandversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und sollte nicht vom Goodwill privater Anbieter abhängen. Das kann der Landrat nur bestätigen und will bei den Prioritäten auch keinen Unterschied zwischen städtischem und ländlichem Raum setzen, schließlich wohnen überall Menschen, sind überall Unternehmen angesiedelt, die auf einen schnellen Netzzugang angewiesen sind. Tatsächlich ist ein Internetzugang heutzutage nicht mehr nur noch nice-to-have, sondern unabdingbar notwendig für die gesellschaftliche Teilhabe.

Die BLK wird auf jeden Fall weiterbauen, die Glasfaser im Landkreis vorantreiben. “Mittlerweile dürfen wir sogar graue Flecken erschließen, also Bereiche in denen es zwar schon Internetanschlüsse gibt, diese aber nur unzureichende Bandbreiten liefern”, erklärt Landrat Dr. Christoph Schnaudigel. So kommt es eben auch, dass die schnelle Glasfaser dort landet, wo sie bisher fast niemand auf dem Schirm gehabt hat. Zum Beispiel hier im Dossental… wo das Leben zwar noch schön entschleunigt abläuft, dafür aber online bald das große Rasen beginnt.

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