Lost Places – Das alte Stellwärterhaus

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Die Schar der Eisenbahner, sie ist über die Jahrzehnte immer kleiner geworden. Wo früher noch ein Heer an Menschen für den reibungslosen Betrieb der Bahn Sorge trug, sind es heute zunehmend Computer und automatisierte Systeme, die selbige regeln. So gab es früher z.B den Beruf des Bahnwärters, der für das Öffnen und Schließen von Schranken, das Verstellen von Weichen und die Kontrolle eines fest abgesteckten Abschnitts einer Bahnstrecke zuständig war. Die Geschichte vom Bahnwärter Thiel mussten wahrscheinlich viele von uns in der Schule lesen, sie zeigt anhand einer fiktiven Handlung mitunter auch den Alltag eines Bahnwärters aus Brandenburg eindrücklich auf.

Gerade der technologische Wandel rund um die Bahn hat viele Berufe, die früher unentbehrlich machen, heute nahezu aussterben lassen. Der Schrankenwärter, der Heizer, der Bahnhelfer oder der Stellwerkswärter. Heute erinnern an diese einst gefragten Berufe noch Hinterlassenschaften entlang der Bahnstrecken, im Falle unseres heutigen Lost Place, ein altes Stellwerkhäuschen, das zusammen mit der daran vorbeiführenden Bahnstrecke schon vor fast 20 Jahren aufgegeben wurde.

Der kleine zweistöckige Bau war früher der Arbeitsplatz mehrere Menschen, wie zum Beispiel Fahrdienstleiter, Weichenwärter, Zugleiter oder Zugmelder, die von hier aus Weichen und Signale innerhalb des ihnen zugewiesenen Gebietes bedienten. Sie erfassten die Belegung und die Auslastung von Gleisen, dirigierten den Zugverkehr und trugen dafür Sorge, dass die Gleissicherungsanlagen wie vorgesehen funktionierten. Früher funktionierten die dafür notwendigen Systeme im Wesentlichen auf mechanischer Grundlage. Der Bauart nach dürfte dieses verlassene Stellwerk in den 50er Jahren errichtet worden sein, doch Vorläufer seiner Art gab es bereits 100 Jahre zuvor. Allesamt dürfen diese frühen Anlagen als ingenieurtechnische Meisterleistungen bezeichnet werden, ermöglichten sie von zentraler Stelle aus die Kontrolle über die Signal- und Gleissysteme in einem vergleichsweise großen Gebiet. Durch Gestänge und Drahtseile wurden mit schweren und großen Hebeln in den Stellwerken weit entfernte Gerätschaften bedient, alles via Kraftübertragungen, am Ende aber bloßer Muskelkraft. Schon weit vor Ende des 19. Jahrhunderts gelang mit der Erfindung des Wechselstromblockfeldes sogar schone eine elektrische Informationsübertragung über weite Strecken hinweg.

Rund um die Uhr dürfte das alte Stellwerk während seiner betriebsamen Jahre besetzt gewesen sein. Es findet sich hier noch ein Aufenthaltsraum für das Personal, ein Waschraum mit Toilette und im Keller eine alte Ölheizung, um das kleine Haus auch im Winter warm zu halten. Massiver Vandalismus hat dem Zweckbau in den Jahrzehnten, die seit der Stilllegung vergangen sind, sichtlich zugesetzt. Alle Türen stehen offen, dementsprechend häufig werden die Räume offenkundig von Schaulustigen aufgesucht, die es anders als unsere Fotografin in manchen Fällen allerdings eher auf Diebstahl und Zerstörung abgesehen haben, anstatt einer respektvollen Dokumentation der Vergangenheit.

Allein im Netz der Deutschen Bahn sind nach wie vor weit über 2000 Stellwerke aktiv im Dienst, doch längst nicht mehr in jedem Gebäude werden die Anlagen manuell bedient. Viele Stellwerke arbeiten längst automatisch bzw. per Fernsteuerung, angebunden an zentrale Anlagen, in denen Fahrdienstleiter computergestützt ihrer Arbeit nachgehen. Es ist trotzdem schön einen Ort wie diesem zu begegnen, ein Relikt aus jenen Tagen, als der Beruf des Eisenbahners noch mit viel Handarbeit und statt Computern nur unterstützt von den eigenen vier Sinnen ausgeführt wurde.

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