Lords der 1000 Biere

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Die Bierauswahl in Astrid und Michael Baders Getränkemarkt in Ubstadt-Weiher ist beeindruckend. So beeindruckend, dass beide für ihren neu gestalteten Markt nun ausgezeichnet wurden.

Warum Michael nicht Oberarme wie ein Bodybuilder und Rückenmuskeln wie Schifftaue hat, ist mir ein Rätsel. Seit seinen Jugendtagen schleppt er tagtäglich schwere Getränkekisten durch die Gegend, lupft die schweren Quader auf Regale oder auf seinen Laster. “Das wüsste ich auch gern“, sagt er und lacht, während der mir stolz seinen neu gestalteten Getränkemarkt zeigt. Komplett umgekrempelt hat er den alten Markt, den schon seine Großeltern damals auf der grünen Wiese vor Weiher aufgebaut haben. Freundliche Farben, moderne Materialien und sehr viel Licht in den ellenlangen Regalen zeichnen den Neustart von Baders Getränkemarkt am Grenzgraben aus. Die Auswahl ist riesig, aber ein Produkt sticht besonders hervor: Bier. Der Deutschen liebstes Laster nimmt einen beträchtlichen Teil der Verkaufsfläche in Michael und Astrids Getränkemarkt ein, fast eine gesamte Regalreihe ist für das Trend-Gebräu der letzten Jahre reserviert. Das beliebte “Helle” (Ober zack´n Helles) gibt es in allen nur erdenklichen Varianten. Teilweise aus der tiefsten bayerischen Provinz, finden sich hier kreative Marken wie der “Schädelschbrengger”, “Georg´s Helles aus Günzburg” oder das lyrisch anmutende “Arschlecken 350”. Zugegeben, eher die Exoten der Auswahl, aber in der Tat ist die Bandbreite der Biere riesig. Wer hier ein Bier einkaufen möchte, sollte sich etwas Zeit nehmen.

Ja, die Liebe zum Bier ist Michael quasi in die Wiege gelegt worden. Er betreibt den Getränkemarkt bereits in dritter Generation, mit einer waschechten Familiengeschichte dahinter. Angefangen hat alles mit Oma Erika, die sich als Solo-Unternehmerin im Weiher des Nachkriegsdeutschlands selbstständig gemacht hat. Als Frau damals keineswegs eine Selbstverständlichkeit! Viel Mut, Ehrgeiz, reichlich Ellenbogen und Durchsetzungsvermögen waren nötig um dem kleinen Betrieb zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gibt es auch eine kleine Anekdote, die Michael zum Besten gibt. So stieß Erika zufällig auf die Männer des Schützenvereins in Hambrücken, die damals ihr neues Schützenhaus erbauten. Sie stellte sich vor und die Männer machten ihr spontan ein Angebot: “Wenn du uns jetzt sofort ein paar kalte Bier organisierst, bist du ab sofort unsere Lieferantin.” Also zog Erika mit dem Fahrrad los, packte ein paar eiskalte Biere in den Korb und radelte zurück nach Hambrücken. So beginnen Karrieren. In Erikas Fall funktionierte das Geschäft so gut, dass man zuerst aus der Garage und mobil mit dem Fahrrad verkaufte, später aus dem Wohnhaus in Weiher und irgendwann dann einen eigenen Markt am Ortsrand errichtete.

Heute führt Enkel Michael zusammen mit seiner Frau Astrid das Geschäft, beschloss vor einigen Monaten, den in die Jahre gekommenen Markt ganz neu aufzustellen. Wie sehr das neue Konzept verfängt, scheint man auch bundesweit bemerkt zu haben. Die Fachzeitschrift mit dem sehr pragmatisch gewählten Titel “Rundschau für den Lebensmittelhandel” zeichnete Baders Getränkemarkt jüngst mit dem ersten Preis in der Kategorie Bierwelt aus. “Wir wussten dass die Jury teilweise anonym für Testeinkäufe vorbeikommt, aber wir wussten nicht wann” erzählt Michael… “deswegen haben wir jeden Tag darauf geachtet, dass auch ja alle Bierflaschen schön in Reihe und Glied mit dem Etikett nach vorne stehen und nirgendwo ein Stäubchen liegt”.

Dass der Markt der beiden so gut funktioniert, ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Mittlerweile gibt es bundesweit agierende Lieferdienste, die Supermärkte haben ihr Getränkeangebot aufgebohrt und werben mit aggressiven Preisen den kleinen Märkten die Kunden ab. Sogar über Amazon lassen sich mittlerweile Getränke aus aller Herren Länder ordern und direkt an die Haustür liefern. Da bleibt nur ein guter Kontakt mit den Kunden vor Ort, ein toller Service sowie Spezialisierung und Fachwissen. Im Falle von Michael und Astrid liegt der Schwerpunkt nun eben auf Bier und das nicht zu knapp. 350 Sorten haben die beiden im Angebot, teilweise als festes, teilweise als wechselndes Sortiment. Ohne eine riesige Rundreise zu unternehmen, kann man hier teilweise völlig unbekannte Sorten aus kleinen Landbrauereien oder sogar Wirtshausbrauereien entdecken und ausprobieren. Michael und Astrid wollen sich in Zukunft nur noch auf den Verkauf vor Ort konzentrieren, die Belieferung von Festen haben die beiden dagegen eingestellt. Zu groß war der Aufwand und die Belastung, schließlich wird in erster Linie abends und am Wochenende gefeiert. Dafür legen sie nun all ihr Herzblut in ihren kleinen Markt, sind stolz darauf Biere im Angebot zu haben, für die man ansonsten sehr lange suchen müsste. Prost ihr beiden beiden, darauf jetzt erst mal ein “Arschlecken 350” ;-)

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4 Gedanken zu „Lords der 1000 Biere“

  1. Danke für das Portrait des Getränkemarktes. Ja, manchmal kommen wirklich gute Biere aus kleinen Brauereien. Zum Beispiel aus Meckatz im Allgäu. Ich gehöre noch zu den Kunden „alter, weißer Mann“. Die gerne vor Ort einkaufen. Und eine Reise zum Grenzgraben sollte von Heidelse aus KEINE Weltreise sein.

    • Ich sage es kommen nur noch gute Biere von den kleinen , alles andere hat mit dem Reinheitsgebot nicht mehr viel zu tun !

  2. Als Bierprobierer habe ich bei Michel und Astrid mit Ihrer tollen Belegschaft ausreichend Gelegenheit, viel Gebrautes aus nah und fern zu testen.
    Vergessen wir aber die ausgezeichneten Weine nicht, die es dort zu kaufen gibt.
    Und immer freundlich und hilfsbereit.
    Ausgezeichnet

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