Im Land der Kiwwelschisser

| ,

Nur eine Autostunde vom Hügelland entfernt, ist die Fachwerkstadt Mosbach unbedingt einen Ausflug wert

Zunächst mal liebe Mosbacher, eine dicke Entschuldigung und reichlich Asche auf mein haarloses Haupt. Noch nie hat mich mein Weg in eure schöne Stadt geführt, obwohl sie gerade mal eine lausige Stunde von Bruchsal aus entfernt liegt. Das hat sich nun Gott sei Dank geändert, am vergangenen Freitag war ich das erste Mal bei euch in Mosbach zu Gast und war so begeistert, dass ich spontan beschlossen habe endlich einmal wieder eine neue Folge unseres nur lausig gepflegten Formats “Tellerrandgugga” auf den Weg zu bringen. Apropos Weg, es gibt viele Wege, um aus dem Kraichgau nach Mosbach zu kommen. Man kann gelangweilt über die öde A5 und die noch ödere A6 gurken, oder direkt durch das Hügelland an Östringen und Sinsheim vorbei. Das ist sicherlich die sehr viel schönere Strecke, passiert man dabei doch reichlich Landschaft gleich drei Landkreise…Neben unserem Landkreis Karlsruhe wäre das der Rhein Neckar Kreis und schließlich der Neckar Odenwald Kreis, mit Mosbach als unserem erklärten Ziel.

Auf der B292 überquert man auf diese Weise irgendwann den Neckar und landet dann in den ersten Ausläufern Mosbachs, die – mit Verlaub – alles andere als einladend sind. Ein lang gezogenes Gewerbegebiet, viele Zweckgebäude, reichlich Verkehr. Nicht gerade der Stoff, aus dem die Träume sind. Wer sich aber ungefähr bis zum Bahnhof durchschlägt, hier einen Parkplatz ergattern kann und ein paar Schritte rechts von der viel befahrenen Bundesstraße weg marschiert, der stößt auf die Altstadt und damit das eigentliche Herz Mosbachs. Wenn Eppingen sich stolz zur Fachwerkstadt erklärt, ist Mosbach die Fachwerkmetropole, die Mutter des Begriffs schlechthin. Mosbach bietet reichlich Fachwerk, ein wunderschönes und gemütliches Panorama, das sich durch den ganzen Stadtkern zieht. Zu den größten Vertretern der alten, von bunten Balken durchzogenen Gebäude, gehört ohne Zweifel das imposante Palmsche Haus, das am Marktplatz nur noch von der darüber liegenden Kirche St. Juliana überflügelt wird. Seit 1610 steht es hier und lässt seither einfach alles und jeden erstaunen, mit seinen drei Stockwerken, dem prägnanten Erker und den unzähligen kleinen Details, die die Fassade zu einem einzigen Kunstwerk avancieren lassen. Als Gegenentwurf findet man nur ein paar Gassen weiter das Haus Kickelhain, das schmalste Fachwerkhaus in Mosbach und eines der kleinsten überhaupt in Deutschland. Steht man an seiner Stirnseite, glaubt man es fast mit den Armen umfassen zu können. Um es zu finden, muss man schon ein wenig durch die verwinkelten Sträßchen der alten Stadt bummeln, doch das lohnt sich allemal. In Mosbach kann man noch richtig auf Entdeckungstour gehen, auch in den höher gelegenen Stadtteilen finden sich architektonische Perlen und Prachtbauten aus gänzlich anderen Zeiten.

Man kommt dabei nicht umhin zu bemerken, wie lebendig dieses Städtchen ist, auch an Werktagen brummt es geschäftig in den alten Häuserschluchten. Auch abseits der größeren Einkaufsstraßen gibt es in Mosbach viel zu entdecken. So stoße ich bei meinem Stadtbummel auf das kleine Café Suada. In einer kleinen Passage neben der Hauptstraße kann man hier sehr gemütlich sitzen und abseits des Trubel einen guten Kaffee genießen. Hier treffe ich auf Dominik. Der gebürtige Mosbacher ist lange beruflich in der großen weiten Welt unterwegs gewesen, vor einiger Zeit aber wieder in den elterlichen Betrieb und seine Heimatstadt zurückgekehrt. Er kennt Mosbach wie seine Westentasche, erzählt mir viele kleinen Anekdoten über jene Menschen, deren Uzname “Kiwwelschisser” lautet und an eine Zeit er erinnert, als man in der Stadt seine Notdurft noch in Eimer oder Kübel alias Kiwwel verrichtete. Ach bitte, verdrehen Sie nicht die Augen, die Uznamen im Kraichgau sind wenig schmeichelhafter. So erzählt mir Dominik vom kleinen mobilen Kaffeestand auf dem Marktplatz, wo man auf Wunsch zwei Kaffees bezahlt, nur einen trinkt und damit einem nicht ganz so wohlhabenden Mitbürger eine kostenlose Tasse ermöglicht. Er erzählt mir von Kultwirten in verrauchten, urigen Kellerspelunken, durchzechten Nächten, verschmähtem Hummer auf Eis, in einer Stadt in der manche gar nicht wissen was ein Hummer ist oder vom Lumpenglöckle, das damals wie heute um 23 Uhr läutet, damit alle sicher den Weg nach Hause finden mögen.

“Ja, Geschichten gibt es in Mosbach in allen Ecken und in jedem Winkel”, sagt Dominik und wir beide ziehen gleichzeitig an unseren selbst gewählten Sargnägeln. “Die Mosbacher sind dabei ein ganz eigenes Völkchen, man braucht eine Weile bis man sie hat“, grinst er und erzählt weiter. Dominik liebt sein Mosbach, das wird dabei glasklar, mit Leidenschaft und einem Glühen in der Stimme berichtet er von all den skurrilen Eigenheiten, die eine Stadt erst zu einer Heimat und zu einem Zuhause werden lassen. Wenn ich das nächste Mal hier bin, nimmt er sich richtig Zeit, verspricht er – will mir dann das Mosbach zeigen, dass er kennen und lieben gelernt hat. Darauf freue ich mich schon sehr und wer weiß – vielleicht konnte ich sie mit diesem kleinen Artikel auch etwas zum Glühen bringen.

Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal in den alten Straßen und Gassen des schönen Mosbach – Home of the Kiwwelschisser.

Vorheriger Beitrag

Bad Schönborn: Mann bei Gebäudebrand tödlich verletzt

Lords der 1000 Biere

Nächster Beitrag

8 Gedanken zu „Im Land der Kiwwelschisser“

  1. Hallo,
    da hat der Dominik nicht gelogen 😉
    Danke für den schönen Beitrag meiner Heimatstadt Mosbach! Ein kleiner Tipp: Das Frühlingsfest ist immer eine Reise wert.
    Viele Grüße
    Katharina Kern

  2. Danke für den schönen Bericht. Cool dass du dich bei uns wohl gefühlt hast.
    Das Lumpenglöckle klingelt allerdings immer bereits um 22:45 nicht um 23 Uhr 😉

    Grüße aus Mosbach
    Friedi

  3. Hallo, der Bericht hat mir sehr gut gefallen. Habe meine Kindheit, Schulzeit und Jugendzeit dort verbracht. Ein wunderschönes Fachwerkstädtchen, tolle Umgebung, aber irgendwie weit ab vom „Schuss“, schade. Ich fahre immer wieder gerne hin…

  4. Ja Mosbach is halt ebbes ganz bsunners. Un die Mosbacher hewwe en scheene Dialekt. Wenn Auswärtiche, des sinn die wo erscht korz do herkomme sinn, e StadtFührung mitmache, dann muss ma manches ins Hochdeutsche iwwersetze. Des kenne mir awwer a. Also nix wie her nach Mosbach.

  5. Danke für den schönen Bericht aus Mosbach. Unser Sohn wohnt seit 12 Jahren dort und fühlt sich sehr gut in diesem hübschen Städtchen. Er kommt aus dem wasserreichen Bundesland Brandenburg, was auch sehr schön ist. Brigitte

  6. Vielen Dank für den netten Bericht !!!
    Ja… Mosbach ist immer eine Reise wert…zu jeder Jahreszeit… Die Stadt ist sehr bemüht ein abwechslungsreiches und kulturelles Programm seinen Bewohnern und Gästen zu bieten…und das für alle Altersgruppen…das imponiert mir…Es gibt besondere Märkte das ganze Jahr über…den Mosbacher Sommer…usw… Mein Vater war bis dieses Jahr…und im hohen Alter von 83 Jahren Stadtführer…heute Gästeführer genannt… Nachtwächter…und Fachwerkführer in Mosbach… Da gab’s auch viele Geschichten zu hören… Ich selbst habe nie in Mosbach gelebt…aber ich bin viel und gerne dort…und kann es nur empfehlen…

  7. Hallo,war letztes Jahr zum Weihnachtsmarkt dort ,er war die Reise wert hatten einen schönen Tag, das Städtchen hat es mir angetan. Fahre noch mal im Sommer dahin die Altstadt und die schöne Kulisse zu genießen

  8. Als nicht in Mosbach, bzw. In Baden Geborene, bin ich hier seit 53 Jahren zu Hause, und zwar gerne.
    Die vermeintlichen Rivalitäten zwischen Badenern und Württembergern, sind mir als Schwäbin nie aufgefallen.
    Mosbach ist meine zweite Heimat geworden und das Wohl unserer schönen Stadt ist mir wichtig!!

Kommentare sind geschlossen.