Mit seinen gerade mal neun Jahren nimmt Leon aus Heidelsheim mit seinem Kart Kurs auf den Meistertitel.
von Stephan Gilliar
Ein herrlich warmer Spätsommertag auf dem Gelände des MSC Eppingen, vermutlich einer der letzten in diesem Jahr. Leon gibt mit seinem Kart ordentlich Gas, steuert den kleinen Flitzer zielstrebig und behände durch die mit Hütchen abgesteckten Gassen auf dem weitläufigen Asphalt. Der Elektromotor heult wie eine wütende Wespe, wenn Leon sich in die Kurven legt. Als Laie ziehe ich instinktiv die Schultern hoch und sehe bei jedem Drift den Jungen in die Bande rasen… doch das passiert nicht. Routiniert und mit kühlem Kopf beherrscht der Neunjährige sein Fahrzeug, als wäre es ein Fortsatz seines eigenen Körpers.
Kein Wunder, schließlich ist Leon bereits seit seinem dritten Lebensjahr motorisiert, düste schon in einem Kinderkart durch den elterlichen Innenhof, als andere noch auf dem Bobbycar über den Küchenboden rutschten. Aber der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm oder wie man in Heidelse sagen würde: Wie der Herr, so’s Gescherr. Die Liebe zu fahrbaren Untersätzen hat Leon ziemlich sicher von seinem alten Herrn, seinem Papa Thomas, aufgeschnappt. Thomas, der hauptberuflich als Messtechniker bei John Deere arbeitet, betreibt nebenbei eine eigene Kfz-Werkstatt. Nicht weil er das Geld bräuchte, sondern weil er einfach wahnsinnig gerne an Autos herumschraubt. Sein erstes Auto, das er sich selbst mit 19 Jahren gekauft hat, war ein alter Golf II, den er Stück für Stück aufpoliert und veredelt hat. Das reichte von neuen Felgen zum Start über ein tiefergelegtes Chassis bis hin zum kompletten Austausch des Fahrwerks. Das Wissen dafür hat sich Thomas selbst angeeignet, ein Autodidakt im wahrsten Sinne des Wortes.
Geschwindigkeit war dabei nie der ausschlaggebende Faktor, Thomas ging es immer um die Ästhetik des Fahrzeugs, um dessen technische Raffinesse. Auch für Leon steht nicht der Bleifuß im Vordergrund, sondern das richtige Händchen für das Fahrzeug und die absolute Beherrschung der Physik. Schließlich schlägt das Herz des Neunjährigen nicht für den Rennsport, sondern für die Geschicklichkeit auf der Straße. Durch den Bruder einer Kindergartenkameradin entdeckte er die Welt des Kartslalomfahrens und stand sofort von den Fußsohlen bis zum blonden Scheitel lichterloh in Flammen.
Gleich mehrere Motorsportvereine probierte Leon aus, zuerst den MSC Bruchsal, dann Weingarten, um schließlich beim MSC in Eppingen zu landen, wo für ihn und Papa Thomas die Rahmenbedingungen vollumfänglich ihren Wünschen entsprechen. „Mit dem Verein sind wir sehr zufrieden, hier ist richtig Zug dahinter“, gibt sich Thomas zufrieden. Vor allem kann Leon hier sehr häufig und regelmäßig üben, oft an bis zu fünf Tagen pro Woche. Was sich nach einem irrsinnigen Pensum für einen Neunjährigen anhört, ist aber genau das, was Leon sich wünscht. „Ich bin gerne hier“, erzählt er in einer der kurzen Pausen, in der er nicht wie von der Tarantel gebissen durch den Wald an rot-weißen Hütchen kurvt. „Von uns gibt’s da keinen Druck, es ist Leon, der immer drängelt“, lacht Vater Thomas, der gerade alle Mühe hat, seine kleine Tochter Sophia einzufangen, die ihrerseits mit dem Puky-Fahrrad die Piste stürmen möchte. Ein gewisser familiärer Drang nach Bewegung lässt sich definitiv nicht leugnen.
Wie gut Leon sein Kart beherrscht, hat er gerade letzte Woche wieder unter Beweis gestellt, als er sich mal eben für die Deutsche Meisterschaft im Jugendkartslalom qualifiziert hat. Im Oktober fährt die Familie daher mit ihm nach Magdeburg zu den Endausscheidungen, und wenn dort alles genauso gut läuft wie bisher, könnte der neunjährige Leon aus Heidelsheim tatsächlich noch diesen Herbst Deutscher Meister in seiner Altersklasse werden.
Wie Leons Familie das alles unter einen Hut bekommt, nötigt doch eine Menge Respekt ab. Thomas, der einen Vollzeitjob und einen Teilzeitjob hat, dennoch fünf Mal pro Woche Zeit findet, mit seinem Junior auf den Übungsplatz zu fahren. Leon, der in der Dietrich-Bonhoeffer-Schule Heidelsheim trotz seines straffen Zeitplans immer noch gute Noten einfährt… dafür braucht es schon reichlich Disziplin und Hingabe. „Montags hat er zudem noch Leistungsschwimmen“, ergänzt Mama Leonie, die der wilden Hindernisfahrt ihres Erstgeborenen gelassen zusieht. Sie habe volles Vertrauen in die Fertigkeiten ihres Sohnes, erzählt sie und ergänzt: „Ich bin ja selbst ein abenteuerlustiges Mädchen.“
Am Ende unseres Interviews legt Leon dann noch einen kurzen Boxenstopp ein, um sich ablichten zu lassen, ist dabei schon ganz der Profi, der er sich anschickt zu werden. In Heldenpose, den Helm locker unter dem Arm, grinst er in den nachmittäglichen Eppinger Himmel. Die blauen Augen funkeln unter den blonden Haaren. Dabei strahlt er ein Selbstbewusstsein aus, das für einen Jungen in seinem Alter keineswegs selbstverständlich ist. Tja, er hat sein Steckenpferd gefunden, ein Steckenpferd mit vier Reifen und 60 km/h Spitzengeschwindigkeit. Gib Gummi, Leon, wir drücken die Daumen!
Die Daumen sind gedrückt. Ich traue Leon zu ein tolles Ergebnis zu mit nach Heidelse zu bringen. Was mich persönlich freut ist: die schulischen Leistungen leiden nicht unter Leons Hobby.
Noch nicht!!!
Ich hatte das große Glück Leon und seine Eltern ein Stück ihres Weges zu begleiten. Eine wundervolle Familie. Leon, du schaffst das.