Käsefüße, Duke Nukem und T-Stücke
Das neue Jahr ist schon gute zwei Tage alt und ich kann es immer noch nicht wirklich fassen. Wir schreiben heuer tatsächlich und ohne Scheiß bereits 2020, jenes Jahr das in meinen Grundschul-Lehrbüchern noch als obskure Zukunftsvision dargestellt wurde. Da gab es in meinem Deutschbuch, moderiert von einem Teddybär namens Ummi, wirklich ein Kapitel mit dem Titel “Schule im Jahr 2020”. Zu sehen waren Schüler auf fliegenden Stühlen die einem typischen 80er-Jahre Lehr-Roboter vor einer gigantischen Röhrenmonitor-Tafel andächtig lauschten…..so stellten wir uns damals tatsächlich das Morgen vor.
Wenn ich heute meiner Tochter erzähle, wo wir technisch noch in den 80ern standen, kann sie das überhaupt nicht fassen. Für sie müssen wir Steinzeitmenschen gewesen sein, so ganz ohne Internet, Smartphones und nur drei Fernsehprogrammen. Was soll auch jemand anderes denken, in dessen Hosentasche bereits ein Stück Technik werkelt, das in Sachen Rechenleistung den größten und besten Computern unserer Jugendzeit millionenfach überlegen ist.
Dennoch war es einfach nur geil, die Entwicklung des Computers von einem Nischenprodukt zur Massenware von Anfang an begleitet zu haben. Mein Opa hat mir noch das BASIC-Programmieren auf dem C64 und später auf dem C128 beigebracht. Ich liebte meinen grauen Brotkasten, meinen langsamen 286er und später meinen allerersten Pentium I – PC aus der Karlsruher ESCOM-Filiale, dessen Gehäuse – wie alle IT-Geräte der 90er – nach kürzester Zeit diesen ausgebleichten weiß-gelben Farbton angenommen hat.
Zuerst MS DOS aufspielen, dann Windows 3.1 und schließlich die unzähligen Disketten, auf denen meine Lieblingsspiele für unverschämt hohe Summen über die Ladentheke gingen. Tage und Nächte habe ich, sofern es die Eltern gebilligt bzw. gar nicht erst mitbekommen haben, vor dem kleinen 14 Zoller Röhrenmonitor verbracht. Textbasierte Rollenspiele, Adventures wie Monkey Island, Indiana Jones oder Day of the Tentacle….Ich habe alles gezockt was ich in die Finger kriegen konnte, immer begleitet von der einzigen Musik-CD die ich damals besaß (Opium fürs Volk, die Toten Hosen). (CD-ROM – einfache Geschwindigkeit, nicht vergessen das Audio-Kabel mit dem Motherboard zu verbinden und auf Master zu jumpern).
Ein vollwertiger Nerd mit Rangabzeichen und allem Pipapo, wurde ich aber erst mit dem Erwerb einer sündhaft teuren Netzwerkkarte für den PC. Dieses kleine, bzw damals noch absurd große Bauteil, war die Eintrittskarte zu einer Welt, die mich jahrelang in Beschlag nehmen sollte: Die Welt der LAN-Partys. Wie müssen Sie sich das vorstellen? Nun, das ist einfach! Drei bis vier stinkende, pubertierende Kerle in einem Kabuff starren auf Röhrenmonitore und zocken miteinander die Klassiker der PC-Spiele-Kultur der 90er Jahre. Duke Nukem 3D, Quake, Command and Conquer, Age of Empires, Civilization, Heroes of Might and Magic….ich habe jedes einzelne davon geliebt.
Mit dem heutigen “Gegeneinander Computerspielen” hatten die damaligen LAN-Partys aber nichts gemein. Es gab keine Online-Games, keine Synchronisation über irgendeine Cloud, sondern nur harte ehrliche Arbeit. Das begann bereits beim Aufbau. Es galt sakrisch schwere Gerätschaften von A nach B zu bringe: Einen Tower-PC, einen Röhrenbildschirm, CD-Boxen, Tastatur, Maus, Joystick und Tonnen von Kabeln. Besonders die Verkabelung der PCs untereinander, hatte immer das Potenzial für Momente voller Verzweiflung und Frustration. Hatte man beispielsweise ein T-Stück oder einen Abschlusswiderstand vergessen, weigerten sich die beiden Rechner im Netzwerk stoisch miteinander zu kommunizieren…Die erste Stunde ging daher immer Minimum für die Einrichtung des Setups drauf.
Lief dann alles, konnte es zur Sache gehen. Da wurde gegrindet, gezockt und gebunnyhoppt bis der Arzt kam….stundenlang bis in den frühen Morgen und noch weiter. Zwischendurch gab es allenfalls einmal eine kurze Unterbrechung um den 3er Pack Pizza Margherita vom Spar Markt, lauwarm zu einem gummiartigen Lampen zu erhitzen. Meine primäre Ernährung in den Neunzigern baute auf billigem und schnell einsatzbereitem Junkfood aus dem örtlichen Supermarkt auf. Starcraft und heiße Hexe, da wird mir heute noch das Herzerl schwer.
Heute machen mir Computer nicht mehr ansatzweise so viel Spaß, wie damals in den guten, alten und vor allem ersten Jahrzehnten ihres Siegeszuges. Damals waren wir Computerfreaks noch verlacht und belächelt, es war schließlich noch eine Weile hin, bis die Kisten in jedermanns beruflichen und privaten Alltag Einzug halten sollten. Es war eine Zeit des Experimentierens, voller Spaß und voller Zwanglosigkeit. Das Kreischen der Nadeldrucker, das Piepen aus dem Platinen-Lautsprecher und später das Pfeifen der Modems – was fehlen mir diese ersten und einfach nur aufregenden Tage.
Heute sind Computer eher unsere Taktgeber als andersherum und das Internet kein großer Spielplatz mehr, sondern ein Morast aus Lügen, Halbwahrheiten – voller Nepper, Schlepper Bauernfänger. Selbstredend bin ich auf meinen Midlife Crisis – affinen Tage immer noch regelmäßig vor einem Bildschirm anzutreffen, denn schließlich ist nicht alles schlecht an denen steilen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte:. Das Computerzeitalter hat die technische Entwicklung der Menschheit massiv beschleunigt und das Netz verbindet Menschen auf der ganzen Welt tagtäglich miteinander. Ich bin stolz darauf irgendwann einmal meinen Enkeln erzählen zu können: Ich war dabei – ganz am Anfang, als alles begann…und jetzt lauft los und sucht Opas Kiste mit den Abschlusswiderständen – ich habe Bock auf eine Runde “Duke”, denn ihr wisst ja: Nobody steals our chicks… and lives!