Lockdown in Italien, Monate der Trennung und eine gute Portion Schicksal
Wie Ruggero und Luana vom Bruchsaler Gran Caffé eiskalt von der Corona-Krise erwischt wurden
Sind wir ehrlich – Zu einem echten Brusler Sommer gehören regelmäßige Besuche in der Eisdiele Gran Caffé direkt im Herzen der Stadt einfach dazu. Seit fast 30 Jahren kann man hier auf der Terrasse am spitzen Winkel von Pfeilerstraße und Friedrichstraße sitzen, ein gutes Eis oder einen italienischen Kaffee genießen und dabei “mol gugge was d’onnere so treiwe”. Das wegen seiner Lage direkt an der dicht befahrenen Bundesstraße 3 auch manchmal liebevoll hinter vorgehaltener Hand Cafe Abgas genannte Gran Caffé, ist einer der großen Bruchsaler Hotspots an denen immer etwas los ist. Padrone di casa ist hier seit fast drei Jahrzehnten Ruggero, der zwar ursprünglich aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Venedig stammt, seit langem aber schon fest zum Brusler Inventar gehört. Zusammen mit seiner hübschen Frau Luana sorgt er dafür, dass die Bruchsaler in den heißen Monaten kühl erfrischt werden – übrigens auch deren Vierbeiner. Im Herbst dagegen gibt es frische Kuchen und echte Kaffeehaus Atmosphäre im einstigen Café Pierrot – Gugge geht dann übrigens immer noch – riesiger Schaufenster zum Dank.
1987 kam der studierte Wein-Techniker Ruggero aus Italien nach Deutschland und erlernte damals bei einem Freund in Stuttgart alles, was es für den Betrieb einer eigenen Eisdiele braucht. 1991 – in jenem Jahr als der zweite Golfkrieg ausbrach und die Deutschen über den allerersten ICE staunten, wurde das Gran Caffé, so wie wir es heute noch kennen, in Bruchsal eröffnet. Seither haben Ruggero und Luana viel erlebt und gesehen, doch nichts davon war derart fordernd wie die letzten Monate seit Beginn der Corona-Krise.
Wie in jedem Frühjahr verbrachte Ruggero auch in diesem Jahr die ersten Monate in der alten Heimat Italien. Normalerweise beginnt für ihn die Eissaison irgendwann im März, dann wenn die Temperaturen das erste Mal Richtung 20 Grad klettern. Also Ruggero im März seine Koffer packen und Richtung Deutschland reisen wollte, erwischte ihn die erste Corona-Welle eiskalt. Wir erinnern uns, der Norden Italiens war in besonderem Maße von der Pandemie betroffen, Tausende starben in den ersten Wochen und der von der italienischen Regierung verhängte Lockdown fiel daher besonders strikt aus. So musste Ruggero in seiner Wohnung ausharren, durfte nur unter strengen Auflagen gelegentlich einkaufen, alles andere war untersagt. Mit seiner Luana, die schon vor der Grenzschließung nach Deutschland zurück gereist war, konnte er monatelang nur telefonisch in Kontakt bleiben, keine leichte Situation für die beiden Eheleute und ihre Kinder.
In Bruchsal versuchte Luana zusammen mit ihrer einzigen und treuen Angestellten Diana das Café so gut über Wasser zu halten, wie es in dieser schwierigen Situationen eben möglich war. Nach Wochen der vollständigen Schließung, boten die beiden zuerst einen Lieferdienst für Eis an, teilweise wurden die kühlen Becher von einem lieben Freund der Familie mit dem Fahrrad ausgefahren. Als einige Zeit später wieder die Öffnung der Gastronomie unter Auflagen möglich wurde, standen die beiden Frauen vor unzähligen Fragezeichen. Da die Tische und Stühle im Café selbst fest installiert und nur über enge und verwinkelte Gänge zugänglich sind, ist die Erstellung eines Hygienekonzeptes für die Wiedereröffnung eine einzige Gratwanderung und äußerst schwierig. Zudem konnten die beiden, einerseits durch die Abwesenheit von Ruggero und andererseits wegen der vielen offenen Fragen zur Praxistauglichkeit eines Verkaufsalltages während der Krise, keine verlässlichen Stellenausschreibungen für die üblichen Saisonkräfte in der Branche platzieren. Aus diesem Grund haben sich Luana und Ruggero bei ihren täglichen Telefonaten darauf verständigt, ihr Eis zunächst nur über die Theke hinweg anzubieten und weder das Cafe selbst zu öffnen, noch die Terrasse zu bestuhlen. Zwar stehen ein paar der pompösen Plastiksessel auf dem Platz, doch hier können sich höchstens kleine Grüppchen zusammensetzen um ihr Eis aus der Waffel zu schlecken. Die Piazza-Atmosphäre mit ihren vielen kleinen Bistro-Tischchen, dem umher schwirrenden Personal und den opulenten Eisbechern, sucht man in Bruchsal in diesem heißen Sommer 2020 hier vergebens. Vermutlich wird sich das auch in der nächsten Zeit nicht mehr ändern, traditionell dauert die Open Air – Eissaison nur bis Ende September, dann wird es meist zu kalt um die Terrasse dauerhaft zu bewirtschaften.
Wie es im Herbst weitergehen wird, dann wenn die Bruchsaler normalerweise im Inneren des Gran Caffé Platz nehmen um einen Cappuccino und ein Stück Tiramisu anzugehen, können Ruggero und Luana im Moment noch nicht sagen. Eine vorausschauende Planung ist in diesem seltsamen Jahr 2020 ohnehin nicht möglich – vom kleinen Mann bis hin zu den Politikern in den bundesdeutschen Amtsstuben, scheint ohnehin ein jeder nur auf Sicht zu fahren.
Bis zum kommenden Frühjahr haben sich die Dinge dann aber hoffentlich irgendwie gütlich gefügt, hofft Ruggero inständig. Dann begeht das Gran Café immerhin seinen 30. Geburtstag in Bruchsal. Ein Fest dass es nach italienischer Lebensart zu feiern gilt – herzlich, ungezwungen, nah und ohne jeden Abstand zueinander. Dafür kann man Ruggero & Luana nach ihren harten und einsamen Monaten einfach nur beide Daumen drücken. La speranza è l’ultima a morire