Kein Kindlein steht im Walde

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Alles zurück auf Anfang? Waghäuseler Waldkindergarten-Projekt droht zu scheitern

Ein Waldkindergarten ist im Grunde eine tolle Sache. Dabei handelt es sich natürlich nicht um einen Kindergarten für Waldbewohner, sondern vielmehr um ein pädagogisches Konzept, das die Kinder näher am Puls der Natur spielen, lernen und erleben lässt. Laut dem dazugehörigen Bundesverband, gibt es mittlerweile über 1500 dieser Einrichtungen in der Bundesrepublik. Eigentlich hätte auch am Rande Waghäusels eine solcher Kindergarten am 1. September den Betrieb aufnehmen sollen… eigentlich, denn daraus wird nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zunächst einmal nichts. Wer an diesem Umstand Schuld hat, darüber gehen naturgemäß die Meinungen auseinander. Die Stadt Waghäusel bescheinigt dem auserkorenen Träger eine mangelnde Eignung für den Betrieb bzw. die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen hierfür, der Träger wiederum kann diese Vorwürfe in keinster Weise nachvollziehen und vermutet andere Motive für die Kehrtwende im Rathaus.

Ratlos und besorgt stehen zwischen diesen beiden Polen natürlich auch die Eltern und nicht zuletzt deren Kinder, die darauf gesetzt hatten ab dem 1. September durch den Wald zu toben. In einem offenen Brief appellieren sie an alle Beteiligten sich dafür einzusetzen, den Waldkindergarten doch noch regelkonform zu eröffnen. Ob ihre Mahnungen am Ende auf fruchtbaren Boden fallen werden, darf indes aber zumindest bezweifelt werden. Nach Gesprächen unserer Redaktion sowohl mit der Stadt, als auch mit dem Betreiber, scheint das Tischtuch zwar nicht gänzlich zerschnitten, eine kurzfristige Einigung aber auch nicht in Sicht.

Wie Bürgermeister Thomas Deuschle uns während eines Telefoninterviews schilderte, bezweifelt er, dass der ursprünglich vom Gemeinderat ausgewählte Träger “Die Waldwichtel St. Leon – Rot e.V.” geeignet sei, die erforderlichen Voraussetzungen für den Betrieb des Waldkindergartens zu schultern. Für ihn stehen – Wochen vor dem ursprünglich geplanten Stichtag – noch zu viele offenen Fragen im Raum. So sei beispielsweise die ursprünglich angedachte Holzheizung im Bauwagen offenbar nicht genehmigungsfähig, die gasbetriebene Alternative aber ebenso wenig praktikabel, weil der Transport der Gasflaschen durch den Wald nicht zulässig sei. Zudem wäre die Bohrung eines Löschwasserbrunnens Voraussetzung, deren hohe Kosten die Stadt aber nicht schultern könne, außerdem stelle sich bei einem über 400 Meter entfernten Parkplatz für die Eltern die Frage, ob hier nicht mit einem beständigen PKW-Verkehr über Waldwege direkt zum Kindergarten zu rechnen sei. Schlussendlich befinde sich das angedachte Grundstück im Landesbesitz zudem auch in einem FFH-Gebiet, für das umfangreiche Gutachten notwendig seien, so Thomas Deuschle weiter. Weil der Träger viele dieser Voraussetzungen für den Betrieb bisher nicht ausreichend geschaffen habe, hat die Stadt nun den Vertrag mit den Waldwichteln gekündigt. “Das macht alles keinen Sinn mehr” so Thomas Deuschle gegenüber Hügelhelden.de.

Verwundert über diese Argumentation und die vollzogenen Schritte, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion im Anschluss Daniel Heger, Geschäftsführer des Trägervereins der Waldwichtel. Die 2016 aus einer Elterninitiative heraus gegründeten Waldwichtel, betreiben seit einiger Zeit schon einen Waldkindergarten im benachbarten St.Leon-Rot und das laut Heger ohne jegliche Probleme und mit Unterstützung der Gemeinde. Die von Bürgermeister Deuschle formulierten Argumente, hält er für nicht wirklich valide, für einen Holzofen gäbe es beispielsweise durchaus Ausnahmegenehmigungen. Man stünde mit der Forstverwaltung in gutem und konstruktivem Kontakt, erzählt uns Daniel Heger am Telefon. Wieso jetzt aber – so kurz vor dem Ziel und ohne Vorwarnung die Stadt die Reißleine gezogen habe, ist für ihn nicht nachvollziehbar. Auch das von Heger erarbeitete Not-Konzept zur Überbrückung, welches eine Betreuung in den ehemaligen Räumlichkeiten der “Farbenpracht” vorsähe, wurde von der Stadt bisher nicht kommentiert. Gerade erst habe man der Stadt ein neues Gesprächsangebot zukommen lassen, bisher noch ohne jede Reaktion, so Daniel Heger.

Wie es nun in Waghäusel weitergehen wird und ob die Eröffnung eines Waldkindergartens in diesem Jahr noch realistisch erscheint, sind zwei große Fragen die wohl derzeit niemand beantworten kann, weder bei den Waldwichteln noch im Waghäuseler Rathaus. Dass die Kündigung des Betreibervertrages seitens der Stadt aber für ein juristisches Nachspiel sorgen wird, ist hingegen recht wahrscheinlich. “Wir sind massiv in Vorleistung gegangen, haben Zeit und Personal investiert” stellt Daniel Heger klar, hofft aber dennoch immer noch auf eine gütliche Einigung: “Unser Gesprächsangebot an die Stadt steht”. Ob diese die Einladung annimmt, oder die Akte “Waldkindergarten Waghäusel” demnächst vor Gericht bearbeitet werden muss, bleibt nun abzuwarten. Gerade für die in den Seilen hängenden Eltern und Kinder wäre es überaus wünschenswert, würden beide Parteien zügig ihre Gespräche wieder aufnehmen. Vielleicht ganz im Sinne des alten Otto von Bismarck: Die Basis des konstitutionellen Lebensprozesses ist überall der Kompromiss.

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