Kuchenverkauf an Grundschulen – Steuerbehörde macht ernst

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»Satire«

Erste Razzien am Wochenende decken gravierende Missstände auf

Eine Kolumne von Thomas Gerstner

Ein wolkenverhangener Samstagvormittag im Kraichgau. In der Sporthalle der David-Hasselhoff-Grundschule in Kleinpöppelsbach herrscht emsiges Treiben. Wie jedes Jahr haben die Mütter des Freundeskreises der kleinen Dorfschule, einen Kindersachenflohmarkt auf die Beine gestellt. Gut Erhaltenes und Gebrauchtes rund um den Nachwuchs wird hier auf unzähligen Klapptischen feilgeboten. Von Moonboots über Winterparkas bis hin zur Hochleistungs-Drehstrom-Milchpumpe gibt es nichts, was es nicht gibt.

Am Eingang der Turnhalle, unter dem imposanten, aus Beton gegossenen Relief des Namenspatrons David Hasselhoff (samt dem Schulmotto “We’re flying on the wings of tenderness”) sitzt Friedlinde Muschelsberger und bietet die selbst gebackenen Kuchen ihrer Häkelgruppe zum Verkauf an. Verführerisch strömt der Duft der ofenfrischen Köstlichkeiten durch die Halle. Marmorkuchen, Gugelhupf, Sahneschnitten und – darauf ist die 86-Jährige besonders stolz – ihre hausgemachte Schwarzwälder Kirschtorte mit einer ganzen Flasche Kirschwasser darin. Schließlich sollen die Kinder doch die Nacht durchschlafen..

Wie in jedem Jahr ist die Schlange an Friedlindes Stand üppig lang. Mit roten Wangen packt sie Kuchenstück für Kuchenstück auf Pappteller, kassiert den üblichen runden Euro und steckt das Geld in eine kleine Zigarrenkiste. Die Einnahmen sollen später der Klassenfahrt der 4b in das Bettpfannen-Museum im benachbarten Großpöppelsbach zugute kommen. Traditionell werden die Einkünfte aus dem Kuchenverkauf für schulische Projekte investiert, im vergangenen Jahr wurde die defekte Glühbirne im Overhead-Projektor des Phrenologie-Raumes damit erfolgreich ausgetauscht.

Für Außenstehende mögen diese Szenen harmlos, mitunter gar herzerwärmend wirken, doch was viele nicht wissen: Friedlinde Muschelsberger ist eine eiskalte Vebrecherin. Weit über 20 Jahre lang hat sie keine der Einnahmen dem Finanzamt gemeldet, nicht einen Cent Steuern darauf bezahlt. Nach vorsichtigen Schätzungen sind dem Fiskus auf diese Art und Weise Beträge im hohen einstelligen Bereich entgangen. Doch die Jahre des ungehinderten, kriminellen Treibens, sollten an diesem Samstag zu Ende gehen.

Gegen 10 Uhr wird das fröhliche Geplapper an den Flohmarktständen in der Turnhalle, durch ein unheilvolles, tieffrequentes Brummen übertönt. Hektisch flackert das Licht der Sonnenstrahlen, als es durch die schweren Rotoren zweier Helikopter über dem Sportplatz zerschnitten wird. Dann geht alles ganz schnell. Die großen Panoramascheiben der Halle zerbersten, als mehrere Stiefelpaare, schwerer, in Kampfmontur ausstaffierter Spezialkräfte sie durchbrechen. An langen Tauen abgeseilt, entert die Spezialeinheit der Steuerbehörde die Szenerie. Blend- und Rauchgranaten explodieren zwischen den Ständen, stiften augenblicklich Verwirrung und sorgen für Desorientierung unter den Besuchern. Zwei wuchtige Special Ops stürzen sich im Hechtsprung über Friedlindes Kuchenstand und fixieren die Seniorin bäuchlings auf dem Boden.

Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei und die 86-Jährige wird – fixiert auf einer Trage mit entsprechendem Beißschutz a la Hannibal Lecter – abgeführt. Vorgeworfen wird ihr nicht nur Steuerbetrug, sondern auch die falsche Deklaration von Lebensmitteln. “Muffins” schreibt man eben nicht mit einem A. Im Falle einer höchst wahrscheinlichen Verurteilung, drohen ihr bis zu 35 Jahre Haft im Hochsicherheitstrakt einer baden-württembergischen Justizvollzugsanstalt.

“Es geht darum ein Exempel zu statuieren und klare Kante zu zeigen” äußert sich am Nachmittag der Behördenleiter auf der Pressekonferenz im Nachgang der Razzia. “Wenn wir vor dieser kriminellen Energie als Staat zurückweichen, wer soll uns dann noch ernst nehmen?”. Zustimmung erhielt er dafür von der “Jan Marsalek – Stiftung für kreative Finanzbuchhaltung” und dem Verband “Cum-Ex und Hopp”. Überdies sei mit weiteren Aktionen diese Art zu rechnen, so der Behördenleiter weiter. “Wir haben gerade in Erfahrung gebracht, dass am “Ulrich-Hintermayer-Kindergarten” in Kraichtal demnächst Brownies an arglose Passanten verkauft werden sollen… Ich sage mal so, zieht euch schon jetzt warm an ihr kleinen Kackbratzen.”

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