Kraichgauer Bäcker-Imperium im Wandel – Aus Gerweck wird Thollembeek

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Marc und Annika in ihrer neuen Filiale in Heidelsheim

Zu Besuch bei Annika und Marc Thollembeek

Zu Besuch in der Gerweck-Zentrale am Rande des Brettener Stadtteils Neibsheim. Ruhig gluckert der Talbach vor sich hin, ab und zu unterbrochen vom Geräusch vorbeifahrender Laster oder der Traktoren auf den benachbarten Feldern. Das Empfangsgebäude der Bäckerei Gerweck, die überall im Kraichgau rund 50 Filialen betreibt, sieht ein bisschen so aus wie ein Kindergarten aus den 90er Jahren. Die Fassade ist in blau, rot und gelb lackiert dazu kommt dass noch etwas comichaft anmutende Logo von Gerweck. Die Tage dieses in die Jahre gekommenen Designs sind bereits gezählt.  Nach und nach werden die Gerweck-Filialen in der Region dem Look der neuen Eigentümer-Familie Thollembeek angepasst.

Die bunte Zentrale in Neibsheim

Bis in allerspätestens drei Jahren wird die knallbunte Aufmachung der Filialen einem schlichteren und natürlicheren Erscheinungsbild Platz machen. Statt dem sehr dominanten Gelb und Rot, werden dann Naturtöne, Schiefer-Elemente, dunkles Holz und erdfarbene Steinoptik das Bild prägen. Damit sollen künftig die Waren im Vordergrund stehen, und weniger die Filiale selbst, erklären uns bei unserem Redaktionsbesuch Marc und Annika Thollembeek. Marc ist 30 Jahre alt und hat einen Abschluss in Management und Wirtschaftswissenschaften, Annika ist 29 Jahre alt, hat eine Konditorlehre abgeschlossen und entstammt einer richtigen Dynastie von Bäckern. Ihrer Familie gehört die Großbäckerei Sehne aus Ehningen, weil aber durch die umfangreiche Familienstruktur hier viele Geschäftsführer nebeneinander vor sich hin werkeln, haben Marc und Annika, die sich bereits seit der Schulzeit kennen entschlossen gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Vor einigen Jahren lernten sie dann Hermann Gerweck kennen und als dieser ihnen von seinen Ruhestandsplänen erzählte, wurde man sich schließlich einig. Heute leben die beiden in Gondelsheim und fühlen sich sichtlich wohl im Kraichgau.

Die Optik der überarbeiteten Filialen

Marc und Annika sind alles andere als typische Chefs. Sie sind freundlich, zuvorkommend und wirken mitunter sogar etwas schüchtern. Mit den Mitarbeitern agieren sie auf Augenhöhe, das merken wir auf unserem Rundgang durch den Betrieb deutlich. Niemand verspannt oder reagiert nervös, wenn die beiden Geschäftsführer die Produktion betreten. Es wird fröhlich gegrüßt und kurz miteinander geplaudert – Berührungsängste sind hier keine zu spüren. Ein kurzes Update der Bäcker an den großen Backöfen, ein kurzer Schnack mit den routiniert schnellen Brezel-Knoterinnen – alles ganz entspannt.

Statt gelb-rot eher schlichte Akzente und Naturfarben

Das gleiche Bild ergibt sich auch, als wir mit den beiden eine kleine Rundreise durch ein paar Filialen in der Regionen antreten. Der Umgangston mit den Verkäuferinnen ist freundlich und respektvoll, der Kontakt absolut unverkrampft. Sorgen haben sie sich beim Besitzerwechsel vor einigen Monaten aber natürlich alle gemacht. Ein solcher Umbruch bringt oft auch personelle Veränderungen mit sich. Hier konnten und können die Thollembeeks aber Entwarnung geben. Jobs werden keine gestrichen, ganz im Gegenteil sucht das Unternehmen derzeit nach neuen Mitarbeitern. Marc und Annika sind ihren Angestellten dankbar für die Unterstützung während des Wechsels und das jeder einzelne solidarisch bei den Veränderungen mitgezogen hat.

Brezeln von Hand geknotet

Trotz ihrer faktischen Marktmacht mit über 50 Filialen, sehen sich die Thollembeeks nicht als Konkurrenten zu den zahlreichen kleinen Bäckern im Kraichgau. Sie bieten ihren Kunden ein enges, persönliches Verhältnis und eine starke Kunden-Beziehung, wir bieten dafür mehrere hundert Jobs in der Region, meint Marc angesprochen auf dieses mitunter schwierige Thema. Was die Qualität angeht, wollen sich beide aber nicht verstecken. Nur weil man etwas im größeren Maßstab produziert, bedeutet das ja nicht automatisch Abstriche in der Qualität – höchstens in der Romantik. Tatsächlich bezieht die Bäckerei Gerweck ihre Zutaten – soweit möglich – direkt aus der Region. Das Mehl wird beispielsweise von der nur einen Steinwurf entfernten Frankmühle geliefert.  In der Produktionshalle arbeiten viele ausgebildete Bäcker, die trotz der hohen Produktionszahlen immer noch selber Hand anlegen. Das bei diesen Mengen eine Maschine das Kneten übernimmt, dürfte wohl kaum jemanden überraschen.. das Formen der Laibe oder der Brezeln hingegen, ist und bleibt Handarbeit.

Hier wartet die frische Ware auf ihre Ausfahrt in die Filialen

Den Wechsel von Gerweck zu Thollembeek wollen Marc und Annika so behutsam wie möglich vollziehen. Seit über 43 Jahren hat Hermann Gerweck seine Bäckerei in der Region groß gemacht, das kann man nicht über Nacht völlig umkrempeln. Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter sind sicher und auch die beliebten traditionellen Rezepte bleiben unangetastet. Dass die Bäckerei für die sie jeden Tag von früh bis spät arbeiten, irgendwann einmal auch ihren Namen tragen soll, das kann Marc und Annika wohl kaum jemand verdenken.

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