Während draußen die Kleinen auf der Kerwe toben, erinnern sich drinnen die Älteren an ihr Dorf von einst
von Stephan Gilliar
Wenn auf einem Puzzlespiel steht “Von 3 bis 99” ist meist eine ordentliche Portion Zweckoptimismus im Spiel, zumindest was das obere und das untere Ende dieser breit gefassten Altersspanne angeht. Gondelsheim darf sich aber wirklich auf die Fahnen schreiben, mit seiner Kerwe wirklich alle abzuholen… die ganz Jungen, die ganz Alten und einfach alle zwischendrin.
Fangen wir direkt mit den Jüngsten an – für sie war das Kerwe-Wochenende ein einziger großer Spaß. In der Gummitonne die Rollrampe hinunter, auf Kettcars durch den Verkehrsparcours, auf dem Bungee-Trampolin hoch in den Himmel, im Kreis auf dem Karussell und natürlich nicht zuletzt die traditionelle alljährliche Gaudi, dem 156. Gondelsheimer Hahnenschlag-Wettbewerb. Ursprünglich wurde dabei wirklich dem armen Federvieh zur Leibe gerückt, heute begnügt man sich mit einem Plastikhammer und einem Gummireifen. Mit verbundenen Augen werden die Kinder ordentlich im Kreis gedreht, danach gilt es mit der Keule den Reifen zu treffen… gar nicht so leicht wenn einen erst einmal der Drehwurm gepackt hat.
Für die etwas größeren Gondelsheimer – nennen wir sie die Junggebliebenen – gibt es natürlich auch einen Zeitvertreib, der auf der Kerwe seit vielen Jahren nicht mehr wegzudenken ist. Beim Wettsägen braucht es reichlich Muskelschmalz um in möglichst kurzer Zeit einen dicken Baumstamm durchzusägen. Dem Sieger winken nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch ein dralles Bierfass, um den Triumph im Freundeskreis zu begießen. Sowohl das Wettsägen als auch der Hahnenschlag gehören zur Kerwe in Gondelsheim wie das Ketchup auf die Pommes. In beiden Fällen ist der Rathausplatz rappelvoll und die Anfeuerungsrufe sind wahrscheinlich noch im Metzgerteich zu hören.
Die Kirchweih spielt sich aber nicht nur auf dem Rathausplatz ab, sondern auch in der benachbarten Saalbachhalle. Hier zeigten am Wochenende Firmen, Unternehmen und Betriebe aus dem Dorf, was sie auf dem Kasten und im Portfolio haben. Das Deutsche Rote Kreuz demonstrierte praxisnah Erste Hilfe – Handgriffe und kredenzte Kaffee und Kuchen dazu. Ansonsten ein buntes Sammelsurium an Gondelsheimer Know-how: Solaranlagen, Wärmepumpen, EDV-Systeme, Handgemachtes, Tattoo-Art und vieles vieles mehr. Die Gewerbeschau fand in diesem Jahr voraussichtlich das letzte Mal zu diesem Termin statt, fortan wird das Wochenende mit dem Gondelsheimer Oktoberfest kombiniert, so dass die Schau vorerst aus dem Kalender purzelt.
Kommen wir zum geheimen Highlight der diesjährigen Kerwe, ein Programmpunkt, der insbesondere die älteren Menschen in Gondelsheim auf ganz persönliche Weise angesprochen hat. Während draußen gefeiert und getobt wurde, ging es im Bürgersaal im Rathaus nämlich deutlich geschichtsträchtiger zu. Die Ausstellung der Werke von Karl Bertsch begeisterten auf ganzer Linie, zeigen sie doch Ansichten des alten Gondelsheims längst vergangener Tage. Karl Bertsch lebte Anfang der 40er Jahre bis in die späten 50er in Gondelsheim und bannte als studierter Grafiker und Maler seine Wahlheimat in eindrücklichen Werken auf die Leinwand. Man muss schon ein alteingesessener Gondelsheimer sein, um zu erkennen, welche Perspektiven er damals gewählt, wo er die Staffelei aufgestellt und die vor ihm liegende Szene eingefangen hat. Fachsimpelei und Grübelei vor den Bildern, machte den Besuchern der Ausstellung in jedem Fall sichtlich Spaß und Freude. Die Nachfahren von Karl Bertsch stellten eigens für die Ausstellung sogar fünf seiner Werke für den guten Zweck zum Verkauf, ohne zweifel ein feiner Zug. Abgerundet wurde diese durch faszinierende stereoskopische Fotografien einheimischer Insekten, genial eingefangen und komponiert von Werner Wenz.
Insgesamt war die Gondelsheimer Kerwe in diesem Jahr wieder ein echter Volltreffer, sogar das Wetter spielte mit – Sonnenschein und trockene Verhältnisse begleiteten die ganze Veranstaltung. “Die Kerwe ist einfach ein Fest für alle Gondelsheimerinnen und Gondelsheimer, egal ob jung oder alt. Jeder soll sich angesprochen fühlen, jeder soll sich wohlfühlen und das scheint auch zu klappen” so der sichtlich zufriedene Bürgermeister Markus Rupp als Fazit.