Im Licht des vollen Mondes

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Ein nächtlicher Spaziergang durch den winterstarren Kraichgau

Jeder der behauptet, die Nacht unterscheide sich vom Tage nur durch das Fehlen von Licht, war noch nie in einer Vollmondnacht im Wald unterwegs. Die sonst so vertraute Szenerie wirkt durch das kalte aber durchdringende Licht des Erdtrabanten fern und entrückt. Der in der Kälte erstarrte Boden dämpft jeden Schritt und sogar die nächtliche Tierwelt scheint darauf bedacht, die schweigsame Atmosphäre nicht zu durchbrechen. Bis auf das kaum wahrnehmbare Gluckern das nahen Bachbetts, ist in der eisige Stille des mondhellen Tals kein Laut zu hören.

Ich schleiche andächtig durch die runde Dunkelheit eines Hohlweges. Über mir greifen die kahlen Äste der Bäume wie gespenstische Finger ineinander und bilden das Dach einer geisterhaften Kathedrale, durch welches das kalte Licht des längsten Vollmondes in diesem Jahr begehrlich dringt. Wo normalerweise die Herrschaft der Schatten unangefochten die Nacht überdauert, ergießt sich das Licht des vollen Mondes kalt und unnachgiebig über das Land.

Als die Zeit weiter fließt, bricht der Himmel gänzlich auf und selbst die Wolken machen dem gleißend hellen Mond demütig Platz. Wer seine Augen nun erhebt und den treuen Erdbegleiter mustert, sieht ihn eingebettet in den Fixsternen des Wintersechsecks strahlen. Um ihn wallen die Nebel des Orion, leuchten die Plejaden und Hyaden. Vom Einbruch der Dunkelheit bis zum ersten Dämmern des junges Tages, steht der Mond in dieser Nacht, erhaben im Sternbild der Zwillinge, in keiner anderen Nacht des Jahres länger, als hier und jetzt, kurz vor dem Jahreswechsel.

Wer das Schauspiel am nächtlichen Himmel verpasst hat, der muss sich nicht grämen. Der Vollmond kehrt wieder, unbeeindruckt von all dem, was in seinem Lichte geschehen mag. 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten – diese Zeit vergeht zwischen zwei vollen Monden. Ein ewiger Kreislauf, der doch jedes Mal aufs Neue Gänsehaut und Ehrfurcht mit sich bringt.

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