Das Paradies vor der Haustür – Der botanische Garten Karlsruhe
von Philipp Martin
Sommer in der Stadt. Wer an einem dieser heißen Augusttage durch die Karlsruher Innenstadt spaziert, trifft auf jede Menge Leben, Trubel und viele Daheimgebliebene, die einem Urlaub vor der Haustür gegenüber dem Fernweh den Vorzug gegeben haben. Warum auch nicht, für zwofuffzich pro Kugel Eis muss man mittlerweile nicht mehr nach Venedig fahren. Zudem gibt es ja auch in unserer badischen Hauptstadt ein paar Orte, die sich zumindest so anfühlen, als wäre man ganz woanders. Als gebürtiger Karlsruher Innenstädter, der sich mittlerweile zu einem Außenstädter oder sogar – noch viel schlimmer – zu einem dörflichen Umländer gemausert hat – eben so einem, dem echte Karlsruher am Wochenende aus dem Weg zu gehen versuchen und stattdessen am Mittwoch ausgehen – suche ich bei einem meiner sporadischen Besuche immer wieder gerne bestimmte Orte auf. Zu meinen festen Karlsruher Anlaufstellen zählen mittlerweile nur noch die Orte, die sich irgendwie nach früher, nach dem alten Karlsruhe anfühlen. Dazu gehören – Sie werden es mir nachsehen – Kaiserstraße, Marktplatz und Euro schon lange nicht mehr. Wo man früher mit der alten Holzklasse noch rumpelnd durch das pralle Leben zuckeln konnte, fährt man heute unterirdisch mit Blick auf lichtlosen Beton.
Aber zurück zum Thema, denn dieser Beitrag soll keinesfalls eine „Früher war alles besser“-Tirade werden. Wenn ich Ihnen ein paar Tipps ans Herz legen darf, dann wäre es ein Besuch am Samstagmorgen auf dem Wochenmarkt und ein entspannter, wenngleich überteuerter, Espresso zwischen in Outdoormode gehüllten Kleinfamilien und Lastenfahrradfahrern auf dem Gutenbergplatz, ein Bier unter den rauschenden Linden in der Leopoldstraße, ein oft genialer und manchmal wirrer Film im alten Kinosaal der Schauburg oder ein Eis auf einer der aus rotem Sandstein in der Sonne gewärmten Türstufen in der Oststadt.
Ach ja, und dann wäre da noch ein Ort, der alles andere als ein Geheimtipp ist, zugleich aber dennoch immer noch wie ein solcher gehandelt wird. Voll wird es hier nämlich aus welchem Grund auch immer nur äußerst selten. Obwohl mitten in der Stadt, kommt man hier tatsächlich regelmäßig und ganz effektiv wirklich zur Ruhe. Ich rede von Karlsruhes schönster Ecke, dem alten botanischen Garten zwischen Schlossgarten und Bundesverfassungsgericht. Wenn Sie ihn von der Innenstadt aus betreten, führt Sie Ihr Weg durch die wie ein ganzer Wald wirkende, 150 Jahre alte Hängebuche, durch deren mächtige, mittlerweile aufgrund des Alters gestützte Äste ein Hohlweg hinein ins Paradies führt. Dann öffnet sich vor Ihnen eine Szenerie, die wie gemalt – ob ihre Schönheit fast surreal wirkt. Sie sehen das alte Palmenhaus, die Orangerie, die Weinstuben mit ihrem mächtigen und doch filigranen stählernen Vorbau, dazwischen Bäume, mitunter auch exotischer Natur, Springbrunnen mit in der Zeit erstarrt blickenden Figuren darauf, flankiert von weißen Bänken und unzähligen kleinen Nischen für Privates, Intimes oder einfach nur eine verdiente kleine Alltagsflucht.
Durch diesen Ort hat mich schon meine Großmutter im mit blauem Cordstoff bezogenen Kinderwagen kutschiert, war ich mit hübschen Mädchen, später jungen Frauen und irgendwann mit meiner Frau spazieren, schob später dann meinerseits einen Kinderwagen durch die Reihen der Bäume. Es ist ein Fleckchen Heimat, das mich immer wieder anzieht, jedes einzelne Mal, wenn ich zurück in meine Stadt komme, in der alles angefangen hat.
Mein aufrichtiges und herzliches Dankeschön an unseren Ur-Karlsruher Karl Wilhelm, der sich hier zu beiden Seiten seines Schlosses einen Lustgarten gegönnt hat, an dem wir auch noch heute Freude haben dürfen. Der botanische Garten, wie wir ihn heute kennen, wurde dann ab 1808 nach Plänen der aus keinem großen Karlsruher Blickwinkel wegzudenkenden Weinbrennerschen Visionen schließlich „unser“ botanischer Garten. Die flankierenden Gebäude, zuerst aus Holz errichtet, wurden etwa 40 Jahre später aus Sandstein neu erbaut, in ihrem Inneren wachsen noch heute Pflanzen aus aller Herren Länder.
Wann immer Sie also in der großen Stadt unterwegs sind, wann immer Ihnen das niemals leiser werdende Raunen und Pulsieren dort zu viel wird… vergessen Sie nicht – es sind nur ein paar Schritte bis ins heimliche grüne und stille Herz Karlsruhes.
Ein wunderschöner Artikel! Vielen Dank dafür!
Der botanische Garten war für mich als Student auch oft Ort der Ruhe und Entspannung.
Auch kann ich gut nachvollziehen, was der Autor so andeutet.
Wir haben damals die Wochenenden gemieden. Schon damals kamen sie in Scharen, die Landeier, laut und mit Geld und Autos protzend.
Alle waren froh, wenn die unter der Woche weg waren.
Leider ist die Innenstadt zu einer Partylocation verkommen.
Wehmütig denke ich an die früheren Zeiten zurück und freue mich, dass es sowas wie den botanischen Garten noch gibt!
Bin auch aus KA weg aufs Land gezogen. Nichts bereue ich mehr.