Ihr werdet mich nicht kommen hören – Elektrisch durch das Hügelland

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Eine Abenteuer-Ausfahrt mit dem E-Roller

von Stephan Gilliar

Aus, Schluss, Vorbei… mein altes Mädchen kann nicht mehr. In diesem Frühling spendiere ich meinem treuen Zweitakter Piaggio-Roller kein neues Kennzeichen, irgendwann ist eben einmal Schluss – in meinem Fall nach über 12.000 gemeinsamen Kilometern. Zu viele Macken, zu viele Reparaturen und der Fahrzeugwert dürfte mittlerweile unter den einer Tankfüllung gefallen sein. Da es aber nichts Schöneres gibt als das frühlingshafte Hügelland mit einem Roller zu durchstreifen, muss natürlich ein Ersatz her. Weil ich mit dem Auto schon längst auf Elektromobilität umgestiegen bin, liegt natürlich der Schluss nahe, auch beim Roller auf ein elektrisches Modell zu setzen. So steht nun seit einiger Zeit ein azurblauer, chinesischer Elektrohobel in meiner Garage und nuckelt Seite an Seite mit meinem Plug-in-Hybriden friedlich an der Steckdose. Geladen sollen mit einem vollen Akku rund 60 Kilometer Reichweite möglich sein, so steht es zumindest auf dem Papier. Doch klappt das wirklich? An diesem ersten, schönen Frühlingswochenende mache ich den Test und weil ich ein Mitglied der schreibenden Zunft bin, komme ich nicht umhin den Tag für Euch zu protokollieren.

Während ich mir bei meinem treuen Piaggio mit dem FC Obergrombach – Aufkleber keine Sorgen um die Reichweite machen musste, beginnt jetzt vor der Fahrt schon ein kleines Rechenspiel. An diesen Samstag habe ich Termine in Tiefenbach und Bauerbach – von der Bruchsaler Redaktion aus ein Trip von etwas über 50 Kilometern, so rechne ich es mir mit dem Routenplaner im Internet aus. Sollte eigentlich passen, 60 Kilometer Reichweite verspricht das elektrische Modell schließlich. Ein bisschen Sorgen mache ich mir aber schon, schließlich bin ich mit weit über 100 Kilo ein nicht gerade leichter Fahrer.

Egal, wer nicht wagt der nicht gewinnt, rein in die Lederkluft und ab auf den Fahrersitz. Cool sieht das Ganze nicht aus. Habe ich schon auf dem Zweitakter keine wirklich gute Figur abgegeben, wirke ich auf dem chinesischen, deutlich kleineren Modell, wie ein Affe auf dem Schleifstein. So blöd es auch aussehen mag, man sitzt tatsächlich bequem und spätestens nach Betätigen des Anlassers und einem völlig geräuschlosen Fahrtbeginn, macht die Sache wirklich Laune. Der kleine Roller hat ordentlich Zug und beschleunigt meinen Pracht-Körper innerhalb kürzester Zeit auf die elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 45 Stundenkilometern. Drei Fahrstufen gibt es, von der ökonomisch langsamen bis hin zur sportlichen Höchststufe. Spaß macht das ganze nur auf Stufe 3, hier ist das kleine Gefährt agil und entpuppt sich als echter Flitzer.

Konstruiert wurde der E-Roller natürlich in erster Linie für die Stadt, wie er mit dem Auf und Ab in den Hügeln des Kraichgau zurechtkommt, konnte ich bisher noch nicht ausprobieren. Meine Befürchtungen hierbei stellen sich aber weitestgehend als unbegründet heraus, einen nullachtfünfzehn Buckel nimmt der kleine Roller ohne größere Probleme. Wenn die Hügel allerdings etwas steiler ausfallen, kriecht das kleine Gefährt nur noch in Zeitlupe den Berg hinauf, sehr zum Unmut der Autofahrer hinter mir. Für die Alpen oder anderweitiges Bergland kann ich einen E-Roller daher derzeit definitiv nicht empfehlen.

Für die erste Etappe von Bruchsal nach Tiefenbach darf ich nur etwa 30% der Akku-Kapazität verbrauchen, so meine laienhafte Berechnungen auf dem Papier. Am Pfannwaldsee in Oberöwisheim zeigt das Display bereits nur noch 80%, das könnte eng werden. Genial an dem E-Roller ist die Anbindung an das Smartphone. Eingebaut ist eine SIM-Karte und ein GPS-Modul, über die das kleine Gefährt ständig Position, technische Daten, aber auch Warnungen der Alarmanlage übertragen kann. Sobald der Motor kurz abgestellt wird, wird auch die letzte Strecke inklusive Karte und sämtliche, dazugehörige Werte in der Übersicht angezeigt. Ich sehe genau wie weit ich schon gefahren bin, welche Höhen ich überwunden habe und was mir der Algorithmus als verbleibende Wegstrecke mit der restlichen Akkuladung prognostiziert. Bisher läuft alles spitz auf Kopf, alles im Bereich der Vorhersage. Weiter geht es also. Den Buckel Richtung Odenheim hinab drücke ich leicht die Bremse, die Rekuperation der Bremsenergie allerdings scheint nicht wirklich einen großen Effekt zu haben.. die Akkuanzeige läuft weiterhin nur in eine Richtung. Als der Ortseingang von Tiefenbach in Sichtweite kommt, zeigt der Akkustand 68% an. In der Ortsmitte angekommen sind die errechneten 70% exakt erreicht, was für eine Punktlandung. Allerdings hatte ich gehofft noch etwas Spielraum zu haben, so dass ich bei den nun folgenden Etappen noch über etwas Puffer verfüge.

Tatsächlich saugt die “bergige” Strecke über Kraichtal dann mehr an der Batterie, als ich eingeplant habe und so erreiche ich mit nur noch rund 30% Akku Flehingen. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis nach Bauerbach, doch dieses Risiko bin ich nicht bereit einzugehen. Wenn ich dort mit 20% Restenergie eintreffen sollte, regelt der kleine Motor automatisch seine Leistung herunter um möglichst viel Restreichweite herauszuholen. Die Rückreise nach Hause würde also nur noch in Zeitlupe erfolgen, das möchte ich dem Verkehrsfluss auf der Landstraße nicht antun. Zudem habe ich Sorge, ob die 20 Prozent bis an die heimische Steckdose überhaupt ausreichen.

Wenn der kleine Roller ohne Energie liegen bleibt, gibt es naturgemäß keine Möglichkeit ihn schnell zu betanken. Anders als in der kultigen Fernsehwerbung, in der dieser Kerl beschwingt zu Fats Dominos “I’m walking” zur nächsten Aral Tanke joggt, kann ich hier nicht mit einem Eimer Strom holen gehen. Einen Ersatzakku habe ich nicht, so wäre nur eine Abholung mit dem Lieferwagen möglich. Ich breche die kleine Reise also in Flehingen ab und sause lautlos im etwas sparsameren Modus Nummer zwei zurück nach Hause.

Auch wenn ich mein Reiseziel nicht wie geplant erreicht habe, bin ich unterm Strich aber dennoch zufrieden mit dem neuen E-Roller. Die Fahrt ist einfach himmlisch leise, es gibt kein Brummen, nur ein leises Surren ist zu hören – sehr angenehm. Sind mit meinem alten Zweitakter die Geräusche der frühlingshaften Natur unter lautem Knattern untergegangen, hat eine Reise mit einem Akku unter dem Hintern schon fast einen meditativen Charakter. Wermutstropfen ist die im Vergleich zu einer Tankfüllung Super-Benzin deutlich reduzierte Reichweite eines elektrischen Rollers. Hier kann man natürlich mit einem zweiten Akku für etwas Luft nach oben sorgen, eine Anschaffung die ich aufgrund des hohen Preises aber in nächster Zeit erst einmal nicht einplane. So bleibt nur exakt zu rechnen und immer ein Auge auf dem Akkustand zu halten. Auch die Kraichgauer Hügel entpuppen sich für den chinesischen Hüpfer als kein größeres Problem. Wenn er es schafft einen 110 Kilogramm schweren Hügelhelden-Reporter über die Kuppen zu lupfen, dann sollte es bei den meisten anderen Fahrern auch möglich sein. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die nächste Reise, in fünf Stunden kann es losgehen, dann ist der Akku voll.

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