“Ich habe Tiere für mein Leben gern”

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Auch mit 85 Jahren steht Franz noch jeden Morgen um 6 Uhr in seinem Tierpark in Mingolsheim zur Stelle

Franz ist ein echtes Original, da gibt es keinen Zweifel. Der 85-Jährige Mingolsheimer ist im Ort bekannt wie ein bunter Hund, sagt immer gerade heraus, was ihm gerade auf der Seele brennt. Er steht für seine Überzeugung ein, kann aber auch ordentlich bruddeln, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Was dem frischgebackenen Träger der Landesehrennadel wirklich zu Ehren gereicht: Er lebt und liebt seine Familie und die ist verdammt groß. Neben seinem Sohn Max und seiner Frau Barbara wären da noch ungefähr 100 weitere Familienmitglieder zu erwähnen: Vögel, Rinder, Ziegen, Schafe, Esel und viele weitere Spezies mehr. Franz Leitzig ist Vorstand und Stammesältester im Mingolsheimer Kleintierpark und das schon seit mehreren Jahrzehnten. Begonnen hat dessen Geschichte schon Ende der 60er Jahre, als Franz Schwiegervater Hubert – vom Krieg gezeichnet beschloss, einen Ort der Wertschätzung für Tiere und Menschen zu erschaffen. So legten er und seine Frau Hedwig den Grundstein für einen der schönsten Kleintierzoos im ganzen Kraichgau, bauten alles von Hand selbst auf: Die Ställe, Gehege, die Häuser, einen Spielplatz, Umzäunungen und vieles mehr. In unzähligen Touren quer durch das ganze Land kamen immer mehr Tiere hinzu, um die artgerechte Haltung einer jeden Spezies waren die Gründer des Parks immer bemüht.

die beiden Esel freuen sich über Zuwendungen – Anfassen ausdrücklich erlaubt

Auch heute, ein halbes Jahrhundert später, ist der Kleintierpark Bad Schönborn seinen Anfängen treu geblieben, Tradition wird hier großgeschrieben – dafür trägt Franz Sorge. Die alten, von Hand erbauten Gebäude, stehen immer noch. In ihrer Mitte die Hubertusklause, die parkeigene Gaststätte und eines der vielen schlagenden Herzen des Zoos. Hier brutzeln Barbara und ihre Freundin Jutta am Wochenende Schnitzel, die schon weit über Mingolsheim hinaus bekannt sind. Um ihre Füße schlappt die alte Familienhündin, auf der Terrasse drehen gerade ein paar Gänse ihre tägliche Runde. Tiere und Menschen Seite an Seite, das ist nicht nur die Lebensweise der Familie Leitzig, sondern die, der gesamten Crew des Tierparks. Über 100 Mitglieder hat der dahinterstehende Verein, viele davon aktiv und engagiert im täglichen Einsatz. “Es muss immer jemand da sein, Urlaub gibt’s nicht” erzählt Barbara beim Kaffeetrinken. Von morgens bis abends ist immer jemand in der Anlage zugegen, mistet Ställe aus und verteilt Futter für die unzähligen Bewohner des Parks. Mit Max Leitzig steht auch schon längst die nächste Generation in den Startlöchern. Der 26-Jährige ist hier aufgewachsen und das ist nicht nur übertragen gemeint. Schon als kleiner Bub hat er in der Hubertusklause ausgeholfen, die Bestellungen als Bild auf einen Zettel gemalt. Darüber hinaus war er jeden Tag mit seinem Papa Franz unterwegs um auszubessern, zu reparieren und Hand anzulegen wo es eben notwendig war. Viele der Tiere im Zoo wurden von Franz, Barbara und Max von klein auf mit der Hand aufgezogen. Dementsprechend tief ist die Verbindung der Familie mit ihren Schützlingen, es ist ein “Leben und leben lassen” auf direkter Augenhöhe.

Die Menschen in und um Bad Schönborn haben ihren kleinen Zoo über die Jahrzehnte hinweg zu ehren und lieben gelernt. Der Eintritt erfolgt auf Spendenbasis und die Spendenbereitschaft der Mingolsheimer ist auch 50 Jahre später ungebrochen hoch. Nur durch die Zuwendungen von örtlichen Firmen und den Zusammenhalt der Zoo-Fans konnte der kleine Tierpark sich nahezu unbeschadet über die schwierige Corona-Zeit und die Schließung des Parks hinweg retten. Rund 1000 Euro kostet allein das Futter der Tiere und das Monat für Monat. “Wenn es nicht anders geht, stecken wir auch unser eigenes Geld in den Park, das ist keine Frage” erzählt Barbara, die schon nächtelang ein Pferd mit Asthma gepflegt und bei Starkregen den alten Eseln einen Schirm über den ergrauten Kopf gehalten hat.

Leider gibt es auch einige, wenige Menschen, die dem Park und seinen Bewohnern ohne jeglichen Respekt gegenübertreten, nur Unheil und Verwüstung mit sich bringen. So mussten die Leitzigs auch bereits schwarze Tage erleben, an denen Unbekannte die liebevoll gepflegte Anlage verwüstet und ohne jeden Skrupel Tiere getötet haben. Einem Enterich wurde ein Stein an die Füße gebunden, der Tod des Tieres danach anonym und feige in den “sozialen” Netzwerken als Video geteilt. In anderen Fällen wurden einer Ziege die Augen ausgestochen und ein Pfau erlag den schweren Verletzungen, nachdem jemand brutal seine Federn ausgerissen hatte.

Doch trotz all dieser Dramen, die in Versuchung führen an der Spezies “Mensch” zu verzweifeln, gibt es im Kleintierpark Bad Schönborn nur eine Richtung: Nach vorne. Es soll weitergehen wie bisher, das ist für Franz besonders wichtig. Die Tradition muss fortbestehen. Bald wird im Park wieder das beliebte Kürbisfest gefeiert und – so es die Corona-Situation hoffentlich endlich wieder zulässt – der Nikolaus auf seinem Anhänger durch den Park tuckern um anschließend Geschenke an die Kleinsten zu verteilen. Am Steuer des Traktors wird wie immer Franz sitzen, dort wo er hingehört und dort wo er immer sein wollte.

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