Goodbye mein Karlsruhe

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Was von der Heimat übrig ist

Ein wehmütiger Blick durch die grell-rosa Brille von Philipp Martin

Ich erkenne Dich kaum noch wieder, meine alte Heimat. Was ist nur mit dir geschehen? Klar, du bist älter geworden,das passiert den besten von uns. Doch leider erging es dir dabei so wie mir – schöner geworden bist du mit den Jahren nicht. Früher bin ich gerne durch die Straßen und Gassen des Fächers gestromert, heute zieht es mich nur selten in den Schoß meiner Heimatstadt zurück. Irgendwie bist du mir fremd geworden, mein Karlsruhe. Seit Jahren wird überall in und an dir gebohrt, gebaggert und gebaut. Vertrautes verschwindet, Neues kommt und vermag mich nicht zu bezaubern. Hässliche Wohnburgen – eine grauer und anonymer als die andere, schmiegen sich nun an deine Flanken. Neue Straßen, laut und breit, führen dorthin wo früher nichts gewesen ist. Geschäfte, Kneipen und Cafés in denen ich früher wunderbare Stunden verbracht habe, sind verschwunden und haben den immer gleichen Ketten dieser Welt Platz gemacht. Du bist austauschbar geworden, mein Karlsruhe – beliebig, gewöhnlich, entzaubert… Badische Gemütlichkeit wich betriebsamer Hektik. Smartphone-Zombies wanken durch die Adern deiner Straßen, die Blicke starr und gleichgültig. Fremde Gesichter, fremde Menschen umströmen mich während meiner Suche nach altem Glanz und Erinnerung.

Erinnerungen

Ich erinnere mich gerne an dich zurück, mein altes Karlsruhe. Als wir jeden Sommerabend im Krokodil am Ludwigsplatz saßen, Gitanes pafften und Skat spielten. Als wir ineinander verschlungen auf den roten Samtsesseln der alten “Kamera” versanken. Als wir auf dem Gutenberg die Boules rollen ließen. Als wir in den unendlichen Tiefen der Regale von Radio Ade oder im Döring stöberten. Als wir ruckelnd in den Bahnen der alten Holzklasse durch die Kaiserstraße fuhren…. Als wir jeden Mittwoch ausgingen und Spaß hatten um den Horden aus dem Umland am Wochenende zu entgehen…

Es war einmal….

So vieles ist verschwunden… Dort wo meine alte Schule war, ragt nun eine Shopping Mall in die Höhe….Dort wo Charlys Kiosk am Europaplatz war, wo ich jeden Tag meine Zigaretten kaufte, klafft nun ein tiefes Loch im Boden… im Kaufhaus Schneider ist der geile Geiz eingezogen und auch der gute alte Ballermann, wo wir zu später Stunde noch unter dem Rolltor durchschlüpfen durften, ist längst in die Geschichte eingegangen…

Nur noch einmal….

Nur einmal noch die alte Liebe neu erleben…Im Schlaile den Kartonduft der Plattencover inhalieren, im WOM die CDs mit Zeige und Mittelfinger durchklappern, im Rappele mit zwei Kugeln Eis zu je fünfzig Pfennig den Mädchen hinterher schauen, mit hochrotem Kopf im Atlantik auf französischen Büsche und schwedische Spitze starren, im Caramboulage oder im Topsy schwofen, den Hammer in der Kippe kosten oder in der Kaufhalle und im Hertie Rolltreppe fahren….was gäbe ich dafür…

Tempus fugit

Man sagt, die Zeit ist das Feuer in dem wir alle verbrennen. In dir, mein Karlsruhe, wüteten die Flammen ohne Gleichen. Schon vor Jahrzehnten, als mit dem Dörfle dein Herz und deine Seele verblassten, war der eingeschlagene Weg zu erkennen. Auch vor dir hat das niemals endende und unvermeidliche Drama des Fortschritts nicht Halt gemacht: Das Alte muss dem Neuen weichen…So war es schon immer und so muss es wohl sein.

Ich, mein Karlsruhe, werde mich immer an Dich erinnern. So wie du warst und in meinem Herzen ewig weiter bestehen wirst.

Dein Sohn Philipp

Heute wohnhaft im zeitlos wunderbaren Kraichgau

Dieser Beitrag erschien erstmals im Herbst 2018

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