BIG is back
Die Bürgerinitiative Gochsheim ist wieder zurück. Zuletzt hatte die Vereinigung mehrerer Bürger aus dem Kraichtaler Stadtteil im Jahr 2015 von sich reden gemacht, als sie die Stadtverwaltung für die geplanten Auswirkungen der strukturellen Erneuerung der Kraichtaler Wasserversorgung scharf angriff. Besonders der befürchtete Anstieg der Wasserhärte von derzeit neun auf sechzehn Härtegrade in Gochsheim war damals Flammpunkt der Kritik. Der Protest, welcher in einer emotionsgeladenen Info-Veranstaltung im Sommer 2015 gipfelte, blieb nicht ungehört. Mittlerweile konnte die Stadt durch weitere technische Maßnahmen einen Kompromiss anbieten und die Wasserhärte in Gochsheim mit nur 12 Grad deutscher Härte ansetzen. Dies geht der Bürgerinitiative Gochsheim, kurz BIG, jedoch nicht weit genug. Auf einer gestern im Gochsheimer Hasenheim anberaumten Info-Veranstaltung formulierte BIG-Sprecher Stefan Pentinghaus das Ziel, auch künftig nur die bisherige Härte von 9 Grad akzeptieren zu wollen. Ob die Mehrzahl der Gochsheimer sich dieser Forderung anschließt oder mit dem erzielten Kompromiss von 12 Grad (was deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt liegt) zufrieden ist, lässt sich an der Zahl der gestrigen Anwesenden jedenfalls nicht ablesen. Etwa 35 Gäste lauschten den rund 50 Minuten langen Ausführungen der BIG, also etwa zwei bis drei Prozent der Gochsheimer Einwohner. Zumindest kein Vergleich mit den Zahlen der Veranstaltungen vor drei Jahren.
Breitbandversorgung im Visier
Den Großteil der Veranstaltung dominierte aber das zweite Thema, dass die BIG sich nun zusätzlich auf die Fahnen geschrieben hat: Die Breitbandversorgung. Hierfür hatte Stefan Pentinghaus einen Vertreter der Telekom eingeladen, welcher in einem knapp 20 Minütigen Vortrag über die Ausbau-Pläne des Konzerns in den Kraichtaler Stadtteilen informierte. Im Wesentlichen plant die Telekom hier die bestehenden Kupferleitungen mittels Vectoring-Technik zu optimieren. Je nach Nähe zum nächsten Verteiler-Kasten sind hier in der ersten Ausbau-Stufe dieser Technik, welche von der Telekom als Brückentechnologie, von nicht wenigen Experten aber als veraltet bezeichnet wird, bis zu 100 MBit Downstream möglich. Was Gochsheim betrifft, so will die Telekom ausgewählte Bereiche mit der weit schnelleren Glasfaser erschließen, vorausgesetzt die entsprechenden Verträge für die notwendigen Zuleitungen können abgeschlossen werden.
Kritik an der Stadt
Die Bürgerinitiative kritisiert in diesem Zusammenhang die Stadt Kraichtal für die hohen Summen, die sie für die Bereitstellung der Backbones der BLK (Breitbandkabel Landkreis Karlsruhe GmbH) aufwendet. Der Effekt für die Bürger falle viel zu gering aus, als dass diese Gelder zu rechtfertigen wären, so der Tenor der BIG. Insbesondere die ihrer Meinung nach fehlende Bürgerinformation und ANZEIGE / WERBUNG – Transparenz in dieser Angelegenheit wird von der Initiative angeprangert – eine Kritik die sich wie ein roter Faden durch den Abend zog.. Schlagworte wie „ausgesperrte Bürger“, „Geheime Kommandosache des Gemeinderates“ oder „Heimlich ausgeknobelt“ ließen keinen Zweifel am Anliegen der BIG.
Schnelle Reaktionen von Stadt und Landkreis
Im Anschluss an die Sitzung hatten wir die Gelegenheit Bürgermeister Ulrich Hintermayer und BLK Geschäftsführer Ragnar Watteroth am Rande einer Kreistagssitzung mit den Gochsheimer Vorwürfen zu konfrontieren. Besonders jenen der mangelnden ANZEIGE / WERBUNG – Transparenz wollte der Bürgermeister nicht auf sich sitzen lassen und verwies auf die zahlreichen öffentlich zugänglichen Sitzungen des Gemeinderates und auf die bereitgestellten Informationen der Stadt im Netz sowie die regelmäßigen Bürgersprechstunden. Was die Anbindung an da schnelle Internet angeht, so verfolge man derzeit zuerst das Ziel die Gewerbebetriebe mit Glasfaser-Anschlüssen auszustatten um den Wirtschaftsstandort Kraichtal wettbewerbsfähig zu halten, so Hintermayer weiter. Erst kürzlich konnte in Gochsheim ein großer Betrieb über den Backbone des Landkreises angeschlossen werden, nachdem die Telekom trotz entsprechender Anfragen dazu offenbar nicht in der Lage war, führt der Bürgermeister weiter aus. Andernfalls wäre die Abwanderung des Unternehmens aus der Stadt eine realistische Option geworden.
Ohne Glasfaser keine Zukunft für Firmen
Mit einem Mythos räumte darauf auch gleich Ragnar Watteroth auf. Anders als vielfach angenommen, ist das Glasfaser-Netz des Landkreises kein geschlossenes System, sondern steht anderen Anbietern offen – auch der deutschen Telekom. Watteroth kritisierte in diesem Hinblick auch das Bonner Unternehmen, dass um jeden Preis mit dem Landkreis in einen infrastrukturellen Wettbewerb treten wolle. So würde die Telekom lieber aufwendig eigene Backbones in einzelnen Gemeinden installieren, statt die bereits vorhandene Hardware der BLK zu verwenden. Watteroth verglich dies mit dem Bau einer zweiten Autobahn direkt neben einer bereits vorhandenen, nagelneuen und verkehrsbereiten Autobahn. Die als Breitband-Ausbau bezeichnete Vectoring-Aufschaltung der Telekom wies Ragnar Watteroth entschieden als unzureichend zurück. Die somit erzielten Geschwindigkeiten reichten langfristig nicht aus um Gewerbebetriebe in den ländlichen Regionen des Kreises zu halten. Ob größere Betriebe ihren Standort halten oder neu auf dem Land investieren ist für ihn klar vom Vorhandensein einer Glasfaser-Anbindung abhängig. In sofern sei die Beteiligung der Stadt Kraichtal am System der BLK kein totes Kapital, sondern eine absolut notwendige Maßnahme zur künftigen Existenzsicherung Kraichtaler Betriebe und Unternehmen. Die Anbindung privater Haushalte an die Glasfaser wird in Kraichtal im Moment nicht als vordringlich angesehen, da der absolute Großteil der Einwohner z.B. über Unitymedia mit bis zu 400 MBit bereits an das schnelle Internet angebunden ist. Einer zukünftigen Aufschaltung vieler Haushalte an das Glasfasernetz steht aber mittelfristig nichts im Wege.
Klare Zielvorgaben?
Um was es der BIG in Sachen Breitband-Ausbau eigentlich konkret geht, wurde in der Kürze der Zeit am gestrigen Abend nicht vollständig klar. Wie lange die Initiative aber weitermachen möchte um ihre Ziele zu verfolgen, formulierte Stefan Pentinghaus hingegen unmissverständlich: „Wenn die Stadt sich für ihre Bürger einsetzt, lösen wir uns auf“. Ob die BIG sich nach dieser Ansage wieder zu alter Stärke aufschwingt oder diesmal ein Sturm im Wasserglas bleibt, wird die Zeit zeigen.