“Für sie stellen wir aber kein extra Dixi-Klo in den Wald”

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Allein unter Männern – Die Bruchsalerin Maria Dahm durchläuft als erste und einzige Frau in Ihrem Revier die Ausbildung zur Forstwirtin

Der Wald – schon seit jeher hat er Maria angezogen. Bereits als Pfadfinderin hat sie gelernt sich im immergrünen Dickicht zurechtzufinden, Spuren zu lesen und seine geheime Sprache zu entschlüsseln. Wochenlang war sie mitunter in Polen oder Norwegen unterwegs, wo noch – anders als hier – richtige, weitläufige Urwälder zu finden sind. Ausgerüstet nur mit einem Zelt, einem Rucksack und festem Schuhwerk – Tag und Nacht am Puls der Natur.

Nach ihrem Abitur am Käthe-Kollwitz-Gymnasium absolvierte Maria ein freiwilliges ökologisches Jahr auf der Blumeninsel Mainau, die neben besagter Blumen auch noch über große Waldbestände verfügt. Dort wurde ihr schnell klar, dass Sie ihre Zeit nicht nur privat, sondern auch beruflich im Wald verbringen möchte und beschloss sich um eine Ausbildung zur Forstwirtin zu bewerben. Zwar war Maria klar, dass sie mit ihrem Berufswunsch in eine urtümliche Männerdomäne vordringen würde, doch mit derart viel Ressentiments und Vorurteilen hatte sie dann aber nicht gerechnet. Über 50 Bewerbungen richtete sie an Forstverwaltungen, Kommunen und auch private Waldbesitzer und erhielt mitunter Feedback, das in der Bandbreite von bestenfalls fehlendem Fingerspitzengefühl bis hin zu blankem Sexismus rangierte. “Sie wissen aber schon, dass das echte körperliche Arbeit beinhaltet?” wurde Sie zum beispiel von mehreren potentiellen Dienststellen gefragt, ganz so als ob sie sich im Vorfeld kein bisschen mit den Konditionen der Ausbildung beschäftigt hätte. Eine Frage der Kategorie “Sie wissen aber schon, dass es in der Nacht dunkel ist” und eine die zudem vermutlich einem männlichen Bewerber nicht gestellt worden wäre. Besonders in Erinnerung geblieben ist Maria die Rückmeldungen eines Revierleiters, der spöttisch anmerkte: “Für sie stellen wir aber kein extra Dixi-Klo in den Wald”.

Nach all diesen Tiefschlägen, die letztlich einzig, allein und zynisch auf Marias fehlendem Y-Chromosom aufbauten, fand sie zu guter Letzt aber doch einen Ausbildungsplatz am Bodensee. Der Landesforstbetrieb Baden-Württemberg begegnete Maria von Anfang an auf Augenhöhe und teilte Sie einem Forstrevier in Tuttlingen zu. Wenngleich in ihrer Klasse neben 16 Männern immerhin noch 4 Frauen zu finden sind, ist Maria in ihrem Revier nicht nur eine weibliche Premiere, sondern aktuell auch die einzige weibliche Auszubildende.

Zu Beginn fremdelten ihre männlichen Kameraden mit der “Neuen” und beschnupperten Sie eine Weile lang noch wortkarg. “So wenig wie in den ersten Wochen, habe ich noch nie im Leben gesprochen” erinnert sich Maria an diese ersten Tage. Doch irgendwann war das Eis gebrochen und Maria ein fester und ebenbürtiger Teil des Teams. Seither gehen sie gemeinsam durch dick und dünn, an jedem Tag und bei jedem Wetter… egal ob es regnet oder der Schnee sich hüfthoch im Schwarzwald auftürmt. Gemeinsam halten Sie die Einrichtungen des Waldes in Schuss, pflegen Bäume, pflanzen Setzlinge oder fällen Totholz. Die Arbeit ist dabei äußerst fordernd, am Abend fällt Maria wie ein Stein ins Bett. “Ma weiß, was ma gschafft hat” lacht sie und lächelt dennoch zufrieden. Denn an die körperlichen Aspekte der Arbeit kann man sich gewöhnen, nichts geht aber über das Gefühl von Freiheit und Frieden inmitten der Weiten der baden-württembergischen Wälder. Rund 40% unserer Heimat sind noch von Wald bedeckt, für über 300.000 Hektar davon ist der Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg zuständig. Die Arbeit geht dabei niemals aus, im Wald gibt es immer etwas zu tun. Besonders gut gefällt Maria an ihrem Arbeitgeber, der gelebte Vorsatz der Nachhaltigkeit. Gemeinsam arbeitet das Team von Forst BW daran, den Wald als funktionierendes Ökosystem zu unterstützen und zu erhalten. “Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse, so wird hier tatsächlich auch gearbeitet” erzählt Maria begeistert, wenngleich Sie auch bei der Arbeit nicht selten mit den Vorurteilen von Spaziergängern und Wanderern konfrontiert wird. “Oft werden wir angeraunzt, wenn wir sterbenskranke Bäume fällen, weil diese für das ungeübte Auge noch gesund aussehen. Dabei müssen diese Bäume entfernt werden, um dem Schädlingsbefall und dessen Ausbreitung Herr zu werden” weiß die angehende Forstwirtin genau.

Tatsächlich sind die Schäden in unseren Wäldern durch den fortschreitenden Klimawandel enorm und nehmen ein mitunter bedrohliches Ausmaß an. So leiden beispielsweise die in den Nachkriegsjahren zuhauf angepflanzten Fichten unter der fortschreitenden Trockenheit und der zu hohen Temperaturbelastung. Durch diesen Stress sind sie Schädlingen wie dem Borkenkäfer hilflos ausgesetzt. Hätten die Bäume früher die durch den Käfer gebohrten Löcher einfach mit Harz verschlossen, haben sie durch das fehlende Wasser heute dafür nicht mehr die nötigen Kapazitäten und Kräfte übrig. Um das Ökosystem Wald wieder zu stärken, pflanzen Maria und ihre Kollegen von ForstBW daher unterschiedliche, resistente Baumarten, um den Forst wieder heterogener und damit widerstandsfähiger aufzustellen.

Die Arbeit im Wald macht Maria Freude, hier findet sie zu sich und geht am Ende eines Arbeitstages mit dem guten Gefühl nach Hause, wirklich etwas bewegt zu haben. Wenn es weiter so gut läuft, möchte sie am Ende ihrer Ausbildung in Freiburg “Internationales Waldmanagement” studieren und so dabei helfen unsere Wälder fit für die harten Anforderungen der Zukunft zu machen. Sicher ist, Baden-Württembergs grüne Lungen benötigen Hilfe um die menschengemachte, ökologische Zeitenwende überdauern zu können. Gefordert sind daher frische Ideen in frischen Köpfen, egal ob diese auf männlichen oder weiblichen Körpern sitzen.

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1 Gedanke zu „“Für sie stellen wir aber kein extra Dixi-Klo in den Wald”“

  1. Schmunzeln, Kopfschütteln (das haben die tatsächlich so gesagt ?, dann wieder Schmunzeln.
    Na immerhin werden die Anteile der Personen welche für 49 cent/Anruf entscheiden wer der Dschungelkönig wird und gleichzeitig in derartigen Schlüsselpositionen zur Ausbildung unseres Nachwuchses sitzen zunehmen geringer.

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