Fünf vor acht in der stillen Stadt

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Gespenstische Atmosphäre im Lockdown-leeren Sinsheim

Ausgangsbeschränkungen und harter Lockdown – Zwei Maßnahmen, die das öffentliche Leben von der Straße zurück ins Private drängen sollen. Klar, wo weniger Menschen zusammenkommen, hat das Virus eben auch weniger Chancen sich auszubreiten. Doch wie fühlt sich ein Ort an, der normalerweise vor Emsigkeit geradezu überläuft, wenn dessen Puls und Vitalität für eine Weile ins künstliche Koma versetzt werden? Um diese Szenerie zu erleben und zu beschreiben, bin ich gestern Abend durch das vorweihnachtliche Sinsheim geschlendert.

Als ich um 19:30 Uhr in der Innenstadt ankomme, sind es nur die Autos auf der Hauptstraße, die die wesentliche Geräuschkulisse bilden. Der Trubel und das Gedränge der Menschen, die wie jedes Jahr ein paar last minute Geschenke einkaufen wollen, fällt sofort durch sein unübersehbares Nichtvorhandensein auf. Die bunte Weihnachtsdekoration an den Straßenlaternen und in den Schaufenstern wirft ihr Licht auf eine völlig verwaiste Fußgängerzone. Normalerweise würden sich heute und hier hunderte Menschen Schulter an Schulter durch die Kaufhäuser und Läden, die Straßen und Gassen drängen – doch an diesem 17. Dezember 2020 hat sich das Leben hinter die Türen und Fenstern der Häuser zurückgezogen und lässt die Innenstadt wie eine aus der Zeit gefallene, leere Kulisse erscheinen.

Ein paar Geschäfte sind in diesem Meer der Stille noch erleuchtet. Eine Apotheke, ein Obst und Gemüseladen, eine Drogerie und natürlich die vielen Dönerläden und Pizzerien, die ihre Speisen zum Mitnehmen anbieten. Doch auch hier sieht man kaum Kunden, nur vereinzelt huschen ein paar Gestalten über den regennassen Asphalt. Als der kleine Zeiger der Uhr sich allmählich der Acht nähert, versiegen auch diese letzten Lebenszeichen und es wird ruhig in der kleinen, großen Stadt. Sogar der Verkehr auf der normalerweise dicht befahrenen Hauptstraße beginnt allmählich zu versiegen, nur noch sporadisch fährt ein Auto durch die Sinsheim querende Bundesstraße.

Kurz vor Beginn der Sperrstunde, mischen sich blaue, flackernde Lichtstrahlen unter das warme Leuchten der Weihnachtsdekoration. Mehrere Polizeiautos beziehen an der Kreuzung Hauptstraße und Wilhelmstraße Stellung. Schilder werden aufgestellt, Uniformierte schwärmen aus. Die Polizeikontrolle soll die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen, am zweiten Tag nach Inkrafttreten sicherstellen. Das résumé, das wir am Tag danach telefonisch bei der Pressestelle der Polizei einholen, fällt aber erfreulich aus. Im wesentlichen haben sich die Menschen an die Beschränkungen gehalten und akzeptieren diese auch. Die Beanstandungsquote bei der Kontrolle in Sinsheim fiel jedenfalls niedrig aus – die absolute Mehrheit der kontrollierten Fahrzeughalter hatte einen triftigen Grund für die Fahrt nach Anbruch der Sperrstunde.

Was will man aber auch überhaupt um diese Uhrzeit noch da draußen, auf den einsamen Straßen des Kraichgau? Die Läden haben geschlossen die Restaurants und Kneipen sind verrammelt, der Himmel ist kalt und dunkel… Anders als im Sommer, fällt dieser Tage das daheim bleiben nicht sonderlich schwer. Dennoch schmerzt der Blick auf die verlassenen Straßen Sinsheims… Isolation und Beschränkungen mögen zwar das Gebot der Stunde sein, das schmerzliche Vermissen von Nähe und Gemeinschaft bleibt dennoch.

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