Expedition zum mysteriösen Autowrack am Landskopf

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Expedition zum mysteriösen Autowrack am Landskopf
Liegt seit fast 60 Jahren dort wo es einst verunfallte – das alte Autowrack am Landskopf
Ein (nicht ganz ernst gemeinter) Expeditionsbericht von unserem Leser Jahn Hörrle

Verborgene Überreste einer Tragödie

Vor ein paar Monaten hörte ich zum ersten Mal von der Legende des Autowracks, welches irgendwo am Landskopf im Wald seinem einsamen Dasein fristet. Die Idee einer Expedition dorthin war geboren und die Vorbereitungen begannen: Beschaffung einer erweiterten Standardexpeditionsausrüstung, Kletterkurs in Österreich, Offroadlehrgang in Island, Meditationsseminar in Indien, Überlebenstraning im Amazonas und ein abschließendes Höhencamp in Peru um die körperlichen, geistigen und motorischen Voraussetzung für das strapaziöse Vorhaben zu schaffen.

Schwer beladen und abreisewillig wartet die Enduro sehnsüchtig auf ihren Einsatz. Bis sich an einem herrlichen Frühlingssonntag nach Monaten der Wetterkapriolen eine stabile Hochdrucklage eingestellt hat und die gewagte Unternehmung ermöglicht. Die Enduro springt sofort an. Sie hüllt die von der Mittagssonne in warmes Licht getauchte Straße in einen bezaubernden blauen Schleier. Es riecht nach Abenteuer. Meine Vorfreude steigert sich hin zu einer inneren Aufgeregtheit, wie ich sie vorher nicht kannte. Adrenalin flutet meine Adern. Ich kann es kaum erwarten das Wrack endlich zu erforschen. Der Weg dahin wirkt endlos, meine Gedanken kreisen einzig um das Ziel und die Reise. Was wird mich dort erwarten? Werde ich tatsächlich finden was ich suche? Habe ich mich überhaupt ausreichend vorbereitet um der Herkulesaufgabe gewachsen zu sein? Zweifel machen sich breit, doch die Neugierde überwiegt.

Endlich erreiche ich das Gebiet, in dem ich das Wrack vermute. Der Waldweg, in den ich einbiege, schlängelt sich entlang eines Baches talabwärts. Ich werde langsamer, passe meine Geschwindigkeit der des Bachlaufs an. Alles fließt. Mich übermannt das Gefühl eins zu sein mit dem Strom und dem sich daran anschmiegenden Moorwald. Ich suche die steilen, mit Bärlauch übergewucherten Hänge nach etwas Ungewöhnlichem ab. Da plötzlich – eine Lichtung! Verdammt ich bin zu weit und drehe um. Lasse meinen Blick erneut durch den sumpfigen Urwald schweifen. Wie gut, dass ich erst vor kurzem die Gelegenheit hatte „Wo ist Walter“ zu spielen. Dort habe ich mir angewöhnt das Bild mit einem imaginären Raster zu versehen und mich an diesem, Zelle für Zelle vorzuarbeiten. Die Systematik übernehme ich. Auf einmal erkenne ich etwas Weißes, etwas Großes, etwas, was sich von dem Grün-Braun der Botanik abhebt, etwas, was hier nicht hergehört. Mein sowieso schon hoher Puls schnellt weiter in die Höhe. Ich bin aufgeregt, das könnte es sein. Ich stoppe und suche nach einer Möglichkeit den Fluss zu überqueren. Eine Brücke findet sich hier in der Wildnis, natürlich nicht. Ein beherzter Sprung scheint die einzige Option zu sein den Graben zu überwinden. Ich lasse es bleiben, wenn mir hier draußen etwas zu stößt – man möchte gar nicht weiter darüber nachdenken. Ich präge mir die Stelle einen Moment lang ein und fahre, den Bach nach einer schmalen Stelle absuchend, weiter. Bei der nächsten Überquerungsmöglichkeit wechsle ich auf die andere Uferseite und bewege mich auf unbefestigtem Pfad stromabwärts, bis mir das sich aufbäumende Dickicht jede Weiterfahrt unmöglich macht. Mit ungutem Gefühl lasse ich meinen treuen Begleiter, versteckt hinter einer Baumleiche zurück und bahne mir einen Weg durch das rutschige Unterholz. Der Bärlauch verströmt seinen betörenden Duft. Ich erklimme die steilen Hänge, schlage mich durch Sträucher. Ein Geräusch erweckt meine Aufmerksamkeit – was war das? Ein Wildschwein? Ich höre gebannt in die trügerische Stille, es raschelt nochmal, aber das Geräusch und somit auch dessen Verursacher, scheint sich zu entfernen. Ich kämpfe mich weiter Richtung Sichtungsstelle. Ich orientiere mich am Moosbewuchs der Baumstämme und versuche den Sonnenstand zu erahnen um auf die Himmelsrichtungen schließen zu können. Die Bäume haben ihr Blätterkleid noch nicht angelegt, was die Sache etwas komfortabler gestaltet. Um letzte Gewissheit zu erlangen, wage ich noch einen Blick auf meinen guten alten Yps-Heft-Kompass. Alles perfekt, ich bewege mich in die richtige Richtung. Ein auf dem Boden liegendes Rad bestätigt die korrekte Navigation. Schon ziemlich erschöpft, aber durch den Fund neu motiviert schleppe ich mich weiter durchs Gestrüpp, weit kann es jetzt nicht mehr sein. Nach kurzem Gewaltmarsch erblicke ich das braun-weiße Wrack. Mein Atem stockt, mein Herz bleibt stehen. Wie geschickt, denke ich so bei mir und nutze den Erstarrungszustand um ein wunderbar unverwackeltes Photo der Szenerie aufzunehmen.

Ich bin entzückt, doch nur für einen kurzen Augenblick. Schlagartig wird mir bewusst, dass ich mich hier am Schauplatz einer Tragödie befinde. Mir wird ganz blümerant zu mute. Was, wenn hier ein Geist umherschwirrt? Möglicherweise ein mir wenig wohlgesonnener. Ich muss an das Geräusch von vorhin denken. Bin mir aber sicher, dass tagsüber keine Gefahr droht – Geisterstunde ist bekanntlich von 00:00 bis 01:00 Uhr. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und begebe mich hinüber zum einstmals so stolzen Gefährt. Viel ist nicht mehr zu erkennen. Ich umkreise das Wrack und inspiziere die surreale Kulisse aus allen Blickwinkeln. Der Wagen liegt auf der Beifahrerseite Bürzel voraus in einem Hang. Motor, Getriebe, Räder, Sitze, Lenkrad, nichts davon ist mehr da. Der Handbremshebel und die Hinterachse samt Bremstrommmel und Stoßdämpfer sind hingegen noch gut zu erkennen. Hier und da liegen einige wenige Kabelreste und Stecker verstreut. Das Chrom der Stoßstangen ist noch blitzeblank, hier wurde Qualität produziert. Ansonsten besteht der Haufen nur aus halbverostetem Blech.

Die einbrechende Dämmerung verschlingt Detail um Detail und zeigt mir kühl auf, dass die Zeit gekommen ist den düsteren Ort zu verlassen. Im Zwielicht stolpere und falle ich mehr als dass ich laufe. Von den Strapazen schwer gezeichnet, aber voller Erleichterung komme ich bei meinem treuen Begleiter an und mache mich auf den Weg nach Hause. Dort, im Ohrensessel über das erlebte nachdenkend, erkenne ich, was zu leisten ich im Stande bin, dass mich diese Grenzerfahrung wachsen ließ, sie mir eine distanzierte Position zur Welt verschafft hat, von wo aus ich diese in Gänze überblicken kann und damit Klarheit über alle Dinge und das Sein besitze. Ich fühle mich über alle Maßen souverän. Von den drei Zecken die an mir knabbern ahne ich trotzdem nichts.

Text und Bilder: Jahn Hörrle

Hinweis: Das besagte Autowrack liegt wirklich schon seit den 60er-Jahren unterhalb einer scharfen Kurve des Landskopf-Passes zwischen Münzesheim und Menzingen. Damals gestaltete sich die Bergung des Wagens derart schwierig, dass der Versuch gar nicht erst unternommen wurde. Wer das Auto fuhr und ob die Insassen beim Sturz die Böschung hinab ums Leben kamen, kann heute nicht mehr gesagt werden. Wer mehr zum Landskopf und seiner Brisanz für Fahrer wissen will, kann sich noch unser Video ansehen.

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