Überraschend legt Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht sein Amt nieder. Die Gründe dafür sind höchstpersönlicher Natur.
24 Stunden Vorlaufzeit, die Einladung am Sonntagnachmittag per E-Mail direkt aus dem Büro des Oberbürgermeisters verschickt. Was kann das nur sein? Die Ankündigung einer “wichtigen Pressekonferenz” des Sinsheimer Oberbürgermeisters Jörg Albrecht ließ am Wochenende offenkundig zahlreiche Medienvertreter aufhorchen, denn der Ratssaal des Sinsheimer Rathauses platzte am Montagnachmittag aus allen Nähten.
“Ich habe mich nach sehr reiflicher Überlegung dazu entschieden, zum 31. August mein Amt als Oberbürgermeister der Stadt Sinsheim niederzulegen.”
Jörg Albrecht, Oberbürgermeister Stadt Sinsheim am 26.02.2024
“Es war mir ein Bedürfnis, meine persönliche Entscheidung auf diese Weise bekanntzugeben.“ eröffnete das Stadtoberhaupt direkt das Statement, “es wird nicht lange dauern“. Was dann kam, damit hätte vermutlich kaum jemand gerechnet, vermutlich allenfalls jene, die Albrecht auch persönlich nahe stehen. “Ich habe mich nach sehr reiflicher Überlegung dazu entschieden, zum 31. August mein Amt als Oberbürgermeister der Stadt Sinsheim niederzulegen.” lautete die kurze aber gehaltvolle Ankündigung des OB. Diese Entscheidung habe ausschließlich familiäre Gründe. Es gehe zunehmend an die psychische und physische Belastungsgrenze. “Man merkt, dass man nicht mehr der ist, der man sein will“, sagte Albrecht sichtlich aufgewühlt, stockte dabei immer wieder, kämpfte mit den Tränen.
Albrecht versprach, sich nach dem vorzeitigen Ende seiner Amtszeit aus der Lokalpolitik herauszuhalten. Was genau er künftig tun möchte, ließ er dabei bewusst offen.
“Bleiben Sie mir gewogen”
“Bleiben Sie mir gewogen”. Mit diesen Worten schloss Albrecht die nicht einmal 10 Minuten dauernde Konferenz. Als der ganze Saal sich mit Standing Ovations erhob, flossen dann doch die Tränen. Spätestens in diesem Moment wurde auch dem letzten klar: Der Oberbürgermeister kann nicht mehr, der Druck wurde zu groß um weiterzumachen.
Die genauen Gründe für diesen harten Schnitt in der Karriere des seit 12 Jahren amtierenden Stadtoberhauptes der großen Kreisstadt Sinsheim bleiben indes vage. In einer zeitgleich versandten Presseerklärung ist eher allgemein von der Pandemie, deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sowie von zu wenig Zeit für die Familie die Rede, doch wer den normalerweise sehr beherrschten Albrecht heute erlebt hat, der ahnt dass möglicherweise noch mehr in diese Entscheidung hineinspielen könnte. Was das sein könnte ist jedoch Jörg Albrechts Privatsache, seine Wahl vollumfänglich zu respektieren. In jedem Fall sind die aufgezeigte Achtsamkeit und das Bewusstsein Albrechts um die eigenen Kapazitäten und Bedürfnisse vor allem eines: Ein starkes Signal in einer Zeit, die in psychischer Hinsicht reichlich Tribut von zu vielen Menschen einfordert, nicht selten auch zuviel!
Eine lange politische Laufbahn
Der 1968 in Heidelberg geborene Albrecht legte 1986 seine Mittlere Reife an einer kaufmännischen Berufsfachschule in Heidelberg ab. Im Anschluss daran durchlief er eine Ausbildung im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst an der Universität Heidelberg. Weiterhin besuchte er das Berufskolleg Heidelberg, wo er die Fachhochschulreife erwarb. Sein Studium der öffentlichen Verwaltung führte er von 1990 bis 1994 an der Fachhochschule Kehl durch, das er als Diplom-Verwaltungswirt (FH) abschloss. Beruflich war er zunächst beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises als Sachbearbeiter tätig und danach bis 2001 als Kämmerer in der Stadt Rauenberg.
Im Jahr 2001 wurde Albrecht, der keiner Partei angehört, zum Bürgermeister der Gemeinde Mauer gewählt und 2009 in diesem Amt bestätigt. Im Jahr 2012 bewarb er sich erfolgreich für die Position des Oberbürgermeisters der Großen Kreisstadt Sinsheim als Nachfolger von Rolf Geinert, wobei er bereits im ersten Wahlgang mit 77,2 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Im Jahr 2020 wurde er erneut in diesem Amt bestätigt.
Seit der Kommunalwahl im Mai 2014 ist Albrecht zudem Mitglied des Kreistages des Rhein-Neckar-Kreises. Er kandidierte auf der Liste der CDU im Wahlbezirk Sinsheim und erlangte dort den ersten Platz.
Diese Entscheidung Jörg Albrechts passt in das momentane Bild unserer angeschlagenen Volksvertreter, auch wenn wir seine Gründe, private und persönliche, nicht kennen. Anfeindungen z.B. erleben momentan in der gesamten Republik nicht wenige, aber trotz allem bleiben seine Gründe für uns alle reine Spekulation. Ich kenne Herrn Albrecht seit er Bürgermeister in Mauer war und habe seinen Weggang nach Sinsheim sehr bedauert. Er ist ein netter, höflicher und aufrichtiger Zeitgenosse und ich wünsche ihm für die Zukunft alles Gute.