Einer heizt und allen wird es warm

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In Östringen geht nach einer mehrjährigen Baustellen-Geduldsprobe ein modernes Nahwärmenetz an den Start

So mancher Östringer dürfte an diesem Samstag erleichtert aufatmen. Mit der offiziellen Inbetriebnahme des neuen Nahwärmenetzes geht nicht nur ein modernes System zur Wärmeerzeugung an den Start, sondern auch eine echte Durststrecke im Alltag vieler Menschen in Östringen zu Ende. Fünf Jahre lang wurde überall und quer durch die ganze Stadt gebuddelt, gegraben und gebaut. Die Arbeiten zur Verlegung – nicht nur für das Rohrleitungssystem des Nahwärmenetzes – waren teilweise so kompliziert, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen konnte. Weil manche der alten Häuser entlang der neuen Leitungstrassen es baulich nicht anders verkraftet hätten, musste teilweise am Abend Flüssigbeton zur Stabilisierung eingebracht werden, der bereits am nächsten Morgen wieder aufgemeißelt wurde – und das Tag für Tag.

Eine gigantische, computergesteuerte Hackschnitzelanlage erzeugt im Winter bei Bedarf die „Wärme aus der Nähe“

Bürgermeister Felix Geider entschuldigte sich bei der offiziellen Inbetriebnahme des neuen Wärmenetzes aufrichtig für die jahrelange Belastung seiner Bürgerinnen und Bürger und lud sie als symbolische Wiedergutmachung zu heißen Würstchen, Brezeln und kühlen Getränken ein. Hinter dem Projekt Nahwärmenetz steht das Stadtoberhaupt nach wie vor, schließlich war der Bau des Systems eine pragmatische und auf der Hand liegende Entscheidung. Weil das Heizungssystem des gesamten Schulzentrums sowie der benachbarten Stadthalle in die Jahre gekommen war, musste für dessen Modernisierung eine Lösung gefunden werden. Anstatt jedem einzelnen Gebäude eine kostspielige, neue Heizungsanlage zu verpassen, lag es auf der Hand eine zentrale Lösung, nicht nur für die städtischen Gebäude, sondern auch für weite Teile der Innenstadt zu finden. Die Stadt schrieb also die Errichtung eines Nahwärmenetzes offiziell aus und fand mit dem Unternehmen enercity, ehemals Stadtwerke Hannover, einen Partner mit dem man sich auf ein Konzept verständigen konnte. Dieses Konzept sieht eine Aufgabenteilung vor, in der sich die Stadt für den Bau und den Unterhalt des Leitungsnetzes verantwortlich zeichnet, enercity hingegen für den Bau und den Betrieb der Heizanlage selbst.

kleiner, großer Bahnhof bei der offiziellen Inbetriebnahme der Anlage

Das Herz dieses Systems ist die Heizzentrale in der Joseph-Haydn-Straße am Östringer Leiberg. Eine moderne, computergesteuerte Anlage sorgt hier im Winter für die energieeffiziente Verbrennung von Hackschnitzeln und der Erzeugung von Wärme und Heißwasser. Was jeder im Kleinen von seiner eigenen Heizung zu Hause kennt, funktioniert nun für weite Teile Östringens im Großen. Das heiße Wasser wird durch das Leitungsnetz in die verschiedenen Haushalte und öffentlichen Einrichtungen gepumpt, dort über die Heizkörper verbraucht und als Kaltwasser zurück in die Heizzentrale befördert. Im Sommer reichen für die Energieerzeugung bereits die ebenfalls in die Anlage integrierten Blockheizkraftwerke mit einer intelligenten Kraft-Wärme-Kopplung.

Anwohner konnten sich vor Ort über die Möglichkeiten einer Anbindung an das neue Nahwärmenetz informieren

Bereits jetzt werden die Realschule, das Gymnasium, eine Grundschule, zwei Kindergärten, mehrere Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser über dieses Nahwärmenetz mit Wärme versorgt. Bald sollen auch noch das Rathaus und die Stadthalle angeschlossen werden sowie weitere Privathäuser, wenn deren Besitzer sich von neuem Konzept überzeugen lassen. Die Vorteile liegen auf der Hand, schließlich wird im Haus keine eigenständige Heizanlage mehr benötigt.
Die Wärme kommt direkt aus dem System und kann unmittelbar in die Heizkörper eingespeist werden. Wartung, Platzbedarf und Anschaffung eines eigenen Heizkessels und eventueller Lagertanks entfallen. Zugleich legt man sich aber natürlich auf enercity als Versorger und dessen Preisgestaltung fest. Felix Geider glaubt an das neue System, ist sich sicher, dass sich viele Bürger/innen dafür entscheiden werden.”Ich glaube an eine richtig wirtschaftliche Lösung am Ende des Tages” so Geider bei seiner Rede zur Inbetriebnahme. Insgesamt rund drei Millionen Euro hat die Stadt Östringen für die Installation der Leitungssysteme auf den Tisch gelegt, eine Investition die sich selbstredend auszahlen soll.

Staatssekretär Dr. Andre Baumann und Östringens Bürgermeister Felix Geider

Viel Lob für die Östringer Innovation hatte auch Staatssekretär Dr. Andre Baumann vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zu vergeben. Östringen sei ein Vorbild für andere Kommunen, mit dem Nahwärmenetz bringe man die neue Energie mit einem “Wumms” in die Häuser, anstatt für jede Adresse den Häuserkampf führen zu müssen. Baumann betonte die Wichtigkeit der Erzeugung von Energie direkt in der Region und fügte mit eínem Seitenhieb auf den russischen Gasversorger Gazprom hinzu: Für Wladimir Putin habe er keine Verantwortung, für das Ländle allerdings schon. Dem Östringer System stellte er aufgrund seiner modularen Aufrüstbarkeit ein gutes Zeugnis aus, verwies auch auf die Einsparung von mehreren hundert Tonnen CO2 pro Jahr

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