“Ein scheußlicher Ort”

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Der Bruchsaler Bahnhofsvorplatz ist das traurigste Aushängeschild der Stadt

Eine Meinung von Philipp Martin

Was für ein Kontrast. Wer über die Autobahn oder die Bundesstraße nach Bruchsal kommt, fährt über die B3 direkt vorbei am wunderschönen Barockschloss in Richtung Innenstadt. Wer es hingegen wagt umweltverträglich und ökologisch via Schiene anzureisen, der landet – nun ja – am Bruchsaler Bahnhof. An den Gleisanlagen, dem Inneren des Bahnhofsgebäudes und an den Pächtern ist dabei nichts auszusetzen, das nackte Grauen erwartet den geneigten Bruchsaler Gast aber auf dem Vorplatz. Eine lieblose, graue Betonwüste, oft verstopft mit Verkehr, deren Winkel und Ecken verdreckt sind und nicht selten nach alten Kippen und Urin stinken.

Eine einzige Dreistigkeit ist das Toilettengebäude direkt auf der rechten Seite des Bahnhofs. 50 Cent musste meine Herzensdame erst kürzlich für dessen Benutzung berappen nur um Sekunden später würgend und fluchtartig die Räumlichkeiten zu verlassen. Scherben und Exkremente auf dem Boden, ein bestialischer Geruch wie im Affenhaus. Für die Benutzung eines angeblich videoüberwachten Toilettenhäuschens in einem solchen Zustand Geld zu verlangen, ist gelinde gesagt eine Frechheit.

zerbrochene Spirituosenflaschen am Bahnhofsvorplatz Bruchsal

Völlig abstrus ist der Umstand, dass der Fußweg in Bruchsals neuestes und schickstes Stadtviertel „Bahnstadt“ im wesentlichen nur an dieser Kloake vorbeiführt. Wer nicht direkt durch das Bahnhofsgebäude geht, muss rechts daran vorbei und damit nicht nur das Toilettenhäuschen passieren, sondern auch durch den als Rauchereck genutzten Winkel beim Abstellgleis in die Unterführung hinabsteigen. So schön der neu gestaltete Aufgang in Richtung Bahnstadt auch sein mag, so fragwürdig ist der Eingang dieses Tunnels auf der stadtwärtigen Seite.

Ob ich meiner Liebsten zu fortgeschrittener Stunde empfehlen würde diese Unterführung zu nutzen? Vermutlich eher nicht, schließlich ist das Bahnhofsareal immer wieder Schauplatz diverser Mitteilungen der Polizei. “Eskalierter Streit am Bruchsaler Bahnhof – 19.1.2022” oder “Schlägernde Gruppen haben in der Nacht zum Sonntag auf dem Bruchsaler Bahnhofsplatz die Polizei in Atem gehalten. 04.10.2021” sowie “Zeuge nach sexueller Belästigung am Bahnhof gesucht 08.02.2021” – nur ein paar der unschönen Schlagzeilen die sich in den letzten Monaten um den Bruchsaler Bahnhof rankten.

Nicht gerade berauschendes Feedback findet sich dazu im Netz: “Sehr schmudelliger und schmutziger Bahnhof!” – “Die Toiletten sind unterirdisch. Bin rückwärts wieder aus rausgegangen…” – “Der Bahnhof Bruchsal ist zu den Abendstunden nicht mehr sicher” – “Der Bahnhof ist ungepflegt und dreckig…” – “Es ist eine Frechheit, 50 ct für eine Toilette zu verlangen, wenn nicht mal der Wasserhahn funktioniert” – “Für einen Bahnhof dieser Größe eher unteres Niveau….Die Toilettenanlage ist eine Unverschämtheit, so dreckig sind normalerweise nicht einmal Baustellendixis” – um mal ein paar der diesbezüglichen Rezensionen zu zitieren.

vor Müll überquellende Gullis am Bahnhofsvorplatz Bruchsal

Nun ist mir völlig klar, dass Bahnhöfe – egal wo – noch nie echte Wohlfühloasen waren. Doch genau das müssen sie werden, um dem öffentlichen Nahverkehr überhaupt eine Chance auf breite Akzeptanz zu ermöglichen. Ich würde wirklich gerne häufiger mit der Bahn reisen, häufiger auch die Stadtbahn nutzen. Wenn dies aber nur mit Bauchschmerzen möglich ist, wenn der Zugang durch dreckige, stinkende Ecken führt und ab einer gewissen Uhrzeit der Sicherheitsaspekt eine nicht unerhebliche Rolle spielt, dann sehe ich für mich keine andere Möglichkeit als in den sauren Apfel zu beißen und gegen meine Überzeugung weiter das Auto zu nutzen.

Gerade für mein Bruchsal tut mir das so leid, ist diese Stadt doch so viel schöner, als es ihr Bahnhof vermuten lässt. Es ist mir auch egal, wer letztendlich dafür zuständig ist.. die Bahn, die Stadt oder sonst wer… doch dieses Problem muss in den Griff bekommen werden, so darf eine der wichtigsten Pforten nach Bruchsal einfach nicht aussehen. Dabei könnte diese Ecke der Stadt so toll sein, es gibt einen fantastischen Pub, Kneipen in der Nähe, ein prima Café und sogar ein Kino in unmittelbarer Umgebung…Was könnte man hier alles erreichen mit einem richtigen Verkehrskonzept, einem richtigen Sicherheitskonzept, einer Neugestaltung die alle schmuddeligen Winkel und Ecken beseitigt… Ich gehe soweit und sage, dass das Bruchsaler Bahnhofsviertel zu einem wirklich schönen Ort werden könnte. Im Moment ist er das aber leider – zumindest für mich – nicht.

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2 Gedanken zu „“Ein scheußlicher Ort”“

  1. War da auch nicht mal was mit, „Wir wollen Hauptbahnhof werden“?
    Da sollte dann mal einiges getan werden dafür!

  2. Traurig! Und ein Superaushängeschild.
    Und es gibt sie, saubere Bahnhöfe…aber nicht in Deutschland!
    Vielleicht sollten unsere Verantwortlichen mal schauen, wie das woanders gemacht wird…
    Schließlich werden die von uns bezahlt!

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