Ein Hotel für wirklich alle

|

Im neuen Zeuterner “Lebensturm” finden von Igeln über Käfer bis hin zu Wildbienen wirklich alle ein Plätzchen

“Was glaubt ihr, wie vor 30 Jahren eure Windschutzscheibe an einem solchen Tag nach einer Fahrt durch Zeutern ausgesehen hätte” will Erich Dreher, Zeuterns Hans Dampf in allen Gassen, von den anwesenden Kindern der benachbarten Grundschule wissen. Ratlose Blicke in der Runde, schließlich dürften nur die wenigsten Viertklässler mangels Führerschein bereits über eine eigene Windschutzscheibe verfügen. Doch es ist natürlich klar, auf was Erich hinaus will. Vor 30 Jahren wäre nach einer Fahrt durch einen Kraichgauer Sommertag, die Scheibe voller Insekten gewesen, schließlich war es um die Vielfalt derer schon einmal sehr viel besser bestellt. Um schockierende ca. 75% ist die Zahl der Insekten in Deutschland innerhalb von nur knapp drei Jahrzehnten zurückgegangen, mehr als 3000 Arten sind laut Bundesamt für Naturschutz gefährdet. Erst in den letzten Jahren beginnt das Bewusstsein hierfür wieder zu wachsen und Blühstreifen, Insektenhotels und Schutz-Reservate für Insekten gewinnen wieder an Bedeutung.

Auch in Zeutern haben die kleinen Lebewesen ab sofort wieder eine Anlaufstelle mehr. Die Hüttenbauer rund um Erich Dreher haben in mehr als 150 Arbeitsstunden zwischen Grundschule und Friedhof einen sogenannten “Lebensturm” errichtet. Dabei handelt es sich um ein mehrstöckiges Bauwerk, dessen unterschiedliche Stockwerke einen Lebensraum und Rückzugsort für unterschiedliche Lebewesen zur Verfügung stellen. Eidechsen, Igel, Käfer, Florfliegen, Wildbienen und mehr haben hierauf diese Weise speziell auf Sie zugeschnittene Habitate erhalten.

Die Idee dafür kam Erich Dreher als er im Fernsehen einen Bericht über ein ähnliches Projekt an der Mosel gesehen hatte. Schnell konnte er seine Kameraden überzeugen, mit denen er schon Projekte wie z.B. den Bau der Hütte im Himmelreich umgesetzt hatte. Unterstützung erhielt er unter anderem von der Gemeinde, von einem Spender aus Stettfeld und vom Naturschutzverein, sei es in Form von Sachspenden, wie beispielsweise dem im Fundament des Turms verbauten Sandstein, Verpflegung für die Mannschaft oder auch kleine finanzielle Zuwendungen.

“Erich ist ein Macher”, weiß auch Bürgermeister Tony Löffler, der bei der Einweihung des Turms für alle Beteiligten lobende Worte findet. Für ihn dient das Bauwerk auch dazu, das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Insekten und deren bedeutsame Rolle innerhalb unseres Ökosystems zu schaffen. “Eine Wiese muss man nicht alle paar Tage mähen, schließlich ist sie Lebensraum für so viele wichtige Insekten” appelliert das Gemeindeoberhaupt an die Bürgerinnen und Bürger, diesen wichtigen Teil unseres Ökosystems im Blick zu behalten. Die Gemeinde unterstützt überdies Hausbesitzer, die noch über lebensfeindliche Schottergärten verfügen, diese aktiv in einen naturnahen Raum zu transformieren. Dafür hat sie eine Art Starter-Set umgesetzt, eine Kiste voller unterschiedlicher Pflanzen, die unter dem Projektnamen ArtenReich für kleines Geld direkt bei der Gemeinde, bzw. der Gärtnerei Beyerle bezogen werden kann. Die erste Charge war schnell ausverkauft, eine Neuauflage ist im September geplant, versichert Silke Weber von der Gemeinde Ubstadt-Weiher.

Passend: Der Lebensturm findet sich direkt am Eingang des Naturlehr- und Erlebnispfades in Zeutern

Wer sich den neuen Lebensturm in Zeutern genauer ansieht, wird feststellen dass hier noch viel Fläche und Platz für weiteren Ausbau besteht. Ein Teil dieser Fläche ist bereits für die handgemachten Nisthilfen aus Lehm der Kinder der Grundschule Zeutern reserviert. Sobald diese fertiggestellt sind, werden sie in den oberen Stockwerken des Turms installiert und stehen unmittelbar danach ihren neuen, potentiellen Bewohnern zur Verfügung und das übrigens völlig mietfrei.

Vorheriger Beitrag

Hambrücken summt

Luftfilter-Roulette im Kraichgau

Nächster Beitrag