“Ein Baum lässt sich nicht einfach so ersetzen”

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Wie kleine Pannen in der Behördenarbeit, schnell zum großen Problem für die Umwelt werden können

Das Thema Gehölzpflege entlang von Wasserläufen und Verkehrswegen beschäftigt in regelmäßigem Abstand Bevölkerung und Behörden. Immer wieder geschieht es leider, dass der Rückschnitt aus Sicht mancher nicht fachgerecht durchgeführt oder zu viel des natürlichen Bewuchses entfernt wird. Auch bei den jüngsten Instandhaltungs- und Pflegemaßnahmen des Landratsamtes an der Bundesstraße 35 bei Gondelsheim, haben die beauftragten Arbeitskräfte zu “großzügig” gearbeitet und dabei gesunde Bäume beschnitten, deutlich mehr als es geboten gewesen wäre. Mitunter musste eine Jahrzehnte alte Linde fallen, die mehr als einen halben Meter im Durchmesser maß. Aufgefallen ist der Kahlschlag zuerst Christian Feldmann, Gemeinderat für die SPD in Gondelsheim und darüber hinaus als Forstdirektor im Heilbronner Unterland ausgewiesener Fachmann.

Aufgrund der durchaus berechtigten Kritik setzte sich Bürgermeister Markus Rupp daraufhin mit dem für die Pflegearbeiten zuständigen Landratsamt Karlsruhe in Verbindung. Die Behörde reagierte und initiierte als Ausgleich für den Kahlschlag an der B35, die Pflanzung dreier neuer Bäume an der Böschung. Gondelsheim, das in den letzten Jahren ein größeres Aufforstungsprogramm auf der eigenen Gemarkung in die Wege geleitet hat, steuerte weitere drei Bäume hinzu, so dass nun insgesamt sechs Bäume entlang der B35 neu gepflanzt wurden.

Bürgermeister Markus Rupp und Prof. Dr. Jörg Menzel bei der Baumpflanzung in Gondelsheim

Es ist nicht das erste Mal, dass die Karlsruher Behörde diesbezüglich in der Kritik steht. Für ein deutschlandweites Echo hat vor einigen Wochen die im Eilverfahren genehmigte Abholzung einer ganzen Streuobstwiese bei Gölshausen gesorgt. Noch bevor der NABU informiert war, rollten die Bagger bereits an und fällten rund 40 Bäume, die teilweise mehr als 100 Jahre alt waren. Brisant ist die Angelegenheit unter anderem wegen der 2020 aufgesetzten Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes in Baden-Württemberg, das ein Erhaltungsgebot für Streuobstbestände beinhaltet.

Die Behörde sieht den Fehler, versichert aber nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. “Da ist etwas auch aus unserer Sicht schief gelaufen”, räumt Prof. Dr. Jörg Menzel, Dezernent für Umwelt und Technik am Landratsamt Karlsruhe, im Hügelhelden-Interview ein. “Das war eindeutig – und ich möchte das betonen, auch wenn das immer wieder der eine oder andere meint – keine Absicht”. Die Mail an den NABU habe man vergessen, der entsprechende, rechtlich vorgeschriebene Brief kam durch eine Verspätung bei der Postzustellung erst mehrere Tage später an. Das Verfahren liefe nun weiter, man gehe davon aus, dass das Land nun entsprechende Hinweise zum Vollzug geben wird, so Jörg Menzel.

Jahrzehnte gewachsen, in Sekunden gefallen…

So ehrenwert aber Ersatzpflanzungen für gefällte Bäume auch sein mögen, so schwierig ist die damit verknüpfte Wirkung auf die Umwelt einzustufen. Bäume wachsen nicht über Nacht, benötigen Jahrzehnte, um dieselbe Menge CO2 kompensieren zu können, wie ihre älteren Artverwandten. Dennoch fallen an zahlreichen Orten regelmäßig Bäume, beispielsweise in der Karlsruher Kaiserstraße, wo der Gemeinderat das Aus für die dort wachsenden 50 Platanen beschlossen hat. Die Begründung, deren Wurzeln würden den Straßenbelag beschädigen und das Verlegen von Kabelleitungen im Boden erschweren, wird per Gutachten von Vertretern des Umweltschutzes als unsinnig angesehen. Hier steht derzeit Aussage gegen Aussage, Experte gegen Experte, während die ersten Bäume bereits gefällt werden, um durch jüngere ersetzt zu werden. Ähnlich, wie es auch in Gondelsheim nun geschehen ist, wenngleich natürlich politisch legitimiert.

Die Platanen der Karlsruher Kaiserstraße im Sommer 2020

Doch das zugrunde liegende Problem bleibt auch hier bestehen. “Ein alter, gewachsener Baum, lässt sich nicht einfach so durch einen jüngeren austauschen”, erläutert Christian Feldmann, “Ein älterer Baum hat viel größere Habitatstrukturen”. Der aktive Umweltschützer hat die unsachgemäße Fällung an der B35 zuerst bemerkt, die entsprechende Umweltmeldung an die zuständige Stelle in Baden-Württemberg weitergereicht. So etwas hätte aus Sicht des Fachmanns eigentlich nicht passieren dürfen, ist er doch selbst seit Jahren in führender Position bei der Forstverwaltung tätig und weiß, dass vor jeder Fällung ein Forstingenieur die Bäume entsprechend markiert. Ob das Landratsamt Karlsruhe sich in dieser Sache auch ohne die Intervention von Gondelsheims Bürgermeister Markus Rupp gerührt hätte, daran hat er Zweifel. Er habe schließlich selber bei mehreren Landratsämtern gearbeitet, wisse wie die Dinge dort hin und wieder laufen können und wie Entscheidungen abgewogen werden, erläutert er uns am Telefon. Mit der nun erfolgten Ausgleichspflanzung von insgesamt sechs Bäumen ist Christian Feldmann zufrieden, wünscht sich aber von allen Entscheidungsträgern in Genehmigungsbehörden künftig ein noch sorgsameres Abwägen – im Zweifel im Sinne des Umweltschutzes. Es gibt schließlich viel zu verlieren – der Klimawandel ist auch in unserer Region längst bittere Realität.

Es sind Sorgen die Prof. Dr. Jörg Menzel vom Landratsamt Karlsruhe gut nachvollziehen kann, der Schutz von Umwelt und Natur liegt natürlich auch ihm am Herzen, doch als Dezernent hat er eben die Aufgabe nicht nur den Umweltschutz, sondern auch planerische Aspekte anderer Abteilungen, Behörden und Kommungen unter einen Hut zu bringen. Eine gestiegene Sensibilität für Umweltthemen in der Bevölkerung registriert er zunehmend seit Jahren, begrüßt diese Wachsamkeit ausdrücklich. „Das ist etwas ganz positives“ sagt Jörg Menzel aber auch: „Sensibilität gestiegen – ja, Lösungen für viele Fälle leider nicht möglich“. Nicht immer lassen sich Ursache oder Verursacher ausfindig machen, zudem müsse das Landratsamt die Ermittlungen oft anderen, wie etwa der Polizei überlassen. Auch die eigene Behörde sieht Professor Menzel in diesem Zusammenhang nicht als unfehlbar an. „Es gibt Meldungen, wo wir auch sagen können, ja da ist etwas schiefgelaufen und können dann auch entsprechende Maßnahmen einleiten…“. Zugenommen habe aber auch die Verschmutzung von Wald und Flur durch Unbekannte, immer häufiger würde Müll im Forst oder in der freien Natur entsorgt.

Und natürlich hat er damit recht, Naturschutz und Umweltschutz ist keine reine Behördenaufgabe, sie geht jeden einzelnen etwas an – in Zeiten wie diesen – mehr denn je…

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13 Gedanken zu „“Ein Baum lässt sich nicht einfach so ersetzen”“

  1. Jeder Baum zählt ?! Heuchelei , 1200 Mitarbeiter von Forst BW müssen bezahlt werden. Wenn ich durch den Lußhardt Wald radel , bekomme ich jedes Mal einen Schock und eine Wut . Hier wird von Forst BW seit 3 Jahren abgeholzt als gäbe es kein Morgen. Schadholz in geringen Mengen zum vorzeigen, aber gesunde und große Bäume in Massen. Wo der Harvester durch ist , schaut es aus wie nach einem Tsunami .

  2. wo sind denn die 24 kerngesunden Linden, die auf dem Gondelsheimer Friedhof standen ? Böse Zungen behaupten sie hätten bei bestimmten Leuten zu viel Laub auf die Gräber geworfen. Aber das ist nur ein Gerücht. Es war der schönste Friedhof rund um Bretten. Jetzt sieht er aus wie ein Parkplatz. Da muß der Bürgermeister noch viele Bäume pflanzen um das auszugleichen, da hat er recht.

  3. Kann ich hier in Kraichtal und Umgebung auch nur bestätigen!
    Und im nahen Eppingen sieht es nicht anders aus, entlang der Bundesstrasse.
    An den Autobahnen das gleiche Bild.
    Das hat alles mit Pflege nichts zu tun.
    Hier wird geholzt, dass es knallt. Möglichst viel weg, dass es lange hält.
    Artenerhalt und Rückzugsraum für Tiere/Vögel/Insekten?
    Fehlanzeige!
    Und das alles „unter“ einem grünen Ministerpräsidenten!
    Sieht der das nicht???

  4. Schau Euch allein den (ehemaligen) Wald an der L554 zwischen Ubstadt und Unneroise an.
    Selbiges am Landskopf.
    Kahlschlag! Fast alles weg!
    Das sowas ùberhaupt noch zulässig ist.
    Ein Skandal!
    Das erleb ich in meinem Leben nicht mehr, dass da wieder ein richtiger Wald steht.

  5. Es scheint, seitdem Holzverbrennung ein Volkssport geworden ist, dass die Rodung in erheblich größerem Umfang durchgeführt wird. Außerdem passieren zeitgleich erstaunlich viele Rodungspannen. Man pflanzt dann halt ein paar Stecklinge, wegen CO2-neutral und so, was ja schon lange nachweislich gelogen ist.

    Wir zerstören gerade mit steigender Geschwindigkeit den Lebensraum für Tiere und die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen.

  6. Ich kann mich den Kommentaren nur anschließen. Ganze Habitate sind nicht durch ein paar Neuanpflanzungen zu ersetzen. Auch dass Baurecht nach wie vor über Naturschutz steht ist für mich in diesen Zeiten nicht nachvollziehbar. Man macht sich einfach alles passend.

  7. Es scheint tatsaechlich – bundesweit- um die Beschaffung von kostenfreiem Brennholz fuer die „Einschlaeger“ zu gehen. Man kann nur den Kopf schuetteln, weil die ueblichen gruenen Bedenkentraeger grosszuegig wegschauen.

  8. Wir Deutschen versuchen das Abholzen des Regenwaldes zu verhindern , dabei wird in unseren Wäldern gefällt, dass es aussieht wie nach einer Umweltkatastrohpe. Ich bin kein Fachmann, aber ich schätze , dass auf einen legal gefällten Baum mindestens 5 illegal gefällte Bäume kommen. Anders kann ich mir den Kahlschlag uralter Bäume hier in der Gegend nicht erklären. Es macht mich traurig. Aber Hauptsache wir “ tollen Deutschen“ zeigen mit erhobenen Finger aufs Ausland. Das Holz wird abtransportiert, aber der Müll wird an den Straßenrändern, Hecken und im Wald liegengelassen.

  9. Die deutschen Behörden und Verwaltungen sind zumeist unfähig.
    Zeigen aber auf andere, wie das zu machen ist.

  10. Auch in Östringen und Umgebung wird abgeholzt, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann. Und dabei mit schweren Maschinen der Boden plattgewalzt.
    Man muss sich nur den Wald hinter dem Zinkenbusch anschauen. Eine Schande ist das.

  11. Auch entlang der Schnellbahntrasse Mannheim / Karlsruhe nach Stuttgart wird bei Bauerbach kräftig abgeholzt. Da nützen die Neupflanzungen wenig. Frage: Was ist in Windrädern drinne? Genau, Balsaholz !!!! Und wo kommt das her? Aus Amazonien. Was wird dafür abgeholzt – der Regenwald !!! Windräder ein Symbol grüner Heuchelei.

  12. Balsaholz in Windrädern?
    In Spielzeugrädern vielleicht.
    Dennoch ist diese Abholzerei eine Schande und gehört sofort eingestellt.

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