Als erstes Dorf im Kraichgau bekommt Menzingen bald einen völlig automatisierten Einkaufsladen mit allem was dazu gehört. Wir haben uns das neue Konzept von “Tante-M” vorab ansehen dürfen
von Stephan Gilliar
Einkaufen bis spät in die Nacht, auch am Wochenende und das auf dem Dorf? Das geht nicht, sagen sie? Oh ja, das geht. Das Konzept der Tante-M-Läden ist so einfach wie schlüssig. Kleine Dorfläden, die dennoch über ein großes Sortiment verfügen und dank automatisierter Verkaufssysteme fast rund um die Uhr zur Verfügung stehen. 39 solcher Läden gibt es bereits, bald eröffnet im Kraichtaler Stadtteil Menzingen die Nummer 40.
Derzeit laufen in den Räumen der ehemaligen Sparkassenfiliale in der Dorfmitte die letzten Arbeiten. Die Kühltruhen stehen bereits, die Holzregale befinden sich gerade im Aufbau. Christian Maresch, der mit seiner Chrisma GmbH die Marke “Tante-M” 2019 aus der Taufe gehoben hat, legt selbst mit Hand an, damit bis zur Eröffnung am 23. März auch alles fertig wird. Er kommt von der Schwäbischen Alb, wo das Sterben der kleinen Dorfläden in den letzten Jahrzehnten genauso gravierend um sich gegriffen hat wie im Kraichgau. “Ich wollte wissen, warum das so ist und was man anders machen könnte“, erinnert sich der Branchen-Quereinsteiger an die ersten Tage zurück. Letztendlich kam er auf zwei bedeutsame Faktoren. Zum einen sind die Geschäftszeiten der kleinen Läden nicht mit den Bedürfnissen aller Menschen im Dorf kompatibel. Wer bis 19 Uhr arbeitet, hat eben nichts davon, wenn der Dorfladen bereits um 18 Uhr schließt. Dazu kommen die hohen Personalkosten, die durch die überschaubare Gewinnmarge auf dem Dorf kaum zu kompensieren sind.
Seine Tante-M-Läden tragen diesen Schwachstellen Rechnung und umgehen sie durch ihr Konzept komplett. So kommen die neu entwickelten Dorfläden fast durchgehend ohne Personal aus. Das geht so: Die Kunden wählen ihre Produkte wie in jedem anderen Markt auch aus dem Sortiment aus, packen sie in einen Korb und tragen sie zur Kasse. Dort scannen Sie mit einem einfachen und selbsterklärenden Kassensystem die Produkte selbst und bezahlen anschließend bargeldlos. Das geht ohne Registrierung, spontan und unkompliziert. Auch ältere Menschen kommen mit dem System problemlos zurecht, da sie zu regelmäßigen Servicezeiten, an denen Mitarbeitende von Tante-M anwesend sind, eine eigene Kundenkarte auch vor Ort ganz klassisch mit Bargeld aufladen können. Mit dem Guthaben darauf lässt sich dann der eigene Einkauf ohne kompliziertes Prozedere, EC-Karten, Apps, Pins, 2FA und Co. begleichen.
Durch den Verzicht auf ständig anwesendes Personal, können so auch entsprechend großzügige Öffnungszeiten ermöglicht werden. Konkret kann in einem Tante-M-Laden jeden Tag von 5 Uhr am frühen Morgen bis 23 Uhr am Abend eingekauft werden und das auch am Wochenende. “Alle Menschen im Dorf müssen angesprochen werden“, erklärt Christian Maresch die weit gefassten Zeiten, “nicht nur die, welche tagsüber Zeit zum Einkaufen haben”. Im Grunde vereint sein Konzept auch Elemente der städtischen Spätis oder der Mini-Marts, wie man sie aus den USA kennt. Der einzige Unterschied: Die Läden kommen ohne ständig anwesendes Verkaufspersonal aus. So unromantisch das für manche auch klingen mag, ist genau dieser Umstand dafür verantwortlich, dass sich ein solches Konzept überhaupt rechnen kann.
Ob die Tante bleibt, haben die Menschen in Menzingen nun selbst in der Hand
In Menzingen ist der Bedarf für einen solchen Laden gegeben. Direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite erzählen die leerstehenden Schaufenster einer Bäckerei und direkt nebenan einer Metzgerei von besseren Zeiten, die nächsten Einkaufsmöglichkeiten gibt es erst wieder im benachbarten Münzesheim. Ob der neue Tante-M-Laden sich rentieren wird, dafür sind die Menschen in Menzingen nun selbst verantwortlich. Ein Jahr Bewährungszeit bekommt jede neue Filiale, erst dann lässt sich sagen, ob der Standort sich dauerhaft etablieren wird. “Standortanalysen gibt es im eigentlichen Sinne nicht, es ist ein bisschen try & error“, erklärt Christian Maresch, ist aber optimistisch, dass sich der Laden entwickeln wird. “Nur zweimal musste eine neue Filiale wieder geschlossen werden, die anderen laufen gut, die eine weniger, die andere mehr”.
Obwohl die Räumlichkeiten in Menzingen nicht gerade riesig sind, lässt das optimierte Sortiment keine Wünsche offen. 1200 unterschiedliche Artikel sollen es werden, das sind nur 400 Artikel weniger, als in einem durchschnittlichen Discounter zu finden sind, weiß Christian Maresch. Neben dem grundlegenden Supermarkt-Sortiment gibt es unter anderem auch Obst und Gemüse, Backwaren, Frühstücksartikel, Fleisch und Wurst, Getränke, Gefrierprodukte und sogar Drogerieprodukte, Schreibwaren und Blumen. Was es dagegen nicht gibt, sind Produkte, die eine Jugendschutzprüfung nötig machen würden, wie Alkohol oder Tabak.
Größere Probleme mit Diebstahl oder Vandalismus gab es in den bisherigen Tante-M-Läden übrigens so gut wie keine, wenngleich Christian Maresch und sein Team natürlich auch mit diesem Themenbereich Erfahrungen sammeln konnten. “Das wäre in der Stadt ein größeres Problem, auf dem Land ist das nicht so schlimm” weiß der Kopf hinter dem dörflichen Shopping-Konzept nach Jahren der Erfahrung zu berichten. Selbstredend sind die Filialen auch mit gewissen Sicherheitssystemen ausgestattet. Waren einfach mitzunehmen, ist zwar technisch gesehen möglich, ein solcher Vorgang wird aber natürlich registriert und durch Sicherheitskameras ausgewertet – im Falle eines Falles entsprechend geahndet.
Genug der Worte, in rund zehn Tagen können Sie den neuen Tante-M-Laden selbst ausprobieren und sich mit dem neuen Konzept vertraut machen. Für alle die als Vorschusslorbeeren hierfür nur das altbekannte Kraichgauer Gebruddel in petto haben und das einstige inhabergeführte Tante-Emma-Lädchen bevorzugen: Nun, wäre dies nach wie vor ein funktionierendes und einträgliches Geschäftsmodell, dann gäbe es diese Art von Läden auch weiterhin auf dem Dorf. Tante-M mag zwar nicht an die selektiven, warm-goldenen Erinnerungen unserer Jugend heranreichen, doch ist es eine äußerst attraktive Alternative zu jenen Einkaufsmöglichkeiten, die ansonsten auf dem Dorf gegeben wären: Keine!
Als ob sowas die Lösung wäre.
Wenn jemand bis 19 Uhr arbeiten muss, dann muss eben vormittags eingekauft werden.
Ich höre jetzt schon die Autos, mit denen bis 23 Uhr zum Einkaufen gefahren wird. Jeder, der in der Nähe eines Zigarrettenautomats wohnt, kennt das.
Deutschland, das Land der Automatenkultur. Sowas gibt es sonst nirgends.
Und das hat nichts mit „altbekannten Kraichgauer Gebruddel“ (eine Eigenschaft, die eher den Schwaben zugesprochen wird) zu tun.
In Kraichtal liegt dies an der völligen Konzeptlosigkeit von Stadt und Gemeinderat.
Und das betrifft nicht nur Einkaufsmöglichkeiten…
Eine ziemlich engstirnige Ansicht. Dazu reichlich Klischee und viel Unterstellung. Zu guter letzt dann noch der typische und entlarvende Schuldverweis an Stadt und Gemeinderat… ach je
Aber genau so ist es!
Anstatt hier einfach ein sehr umstrittenes „Unternehmen“ an Bord zu holen (siehe Kununu), bin ich mehr ein Freund von Eigeninitiative.
Und die scheitert hier oft an genau den oben beschriebenen Tatsachen!
Oh ja, im Kraichtal läuft vieles auf Zuruf und Chaos – auch neue Besen kehren nur kurz gut ….
Trotzdem – es ist toll, dass endlich mal etwas passiert und die Menschen wieder eine Chance bekommen, hier etwas Einzukaufen. Menzingen besteht nicht nur aus Autobesitzern, sondern es gibt auch viele ältere Menschen, die nicht mobil sind – klar, wenn ich in Mü oder Uöh wohne, dann habe ich ja alles vor der Tür – doch hier im Ort muss man fahren.
Warten wir doch erst ab, wie das Konzept angenommen wird – wünschen wir uns, dass allen Pessimisten zum Trotz, dass es klappt.
Und all denen, den das nicht gefällt – versucht doch mal einen Discounter hierher zu beamen, das geht noch weniger – alles schon versucht worden.
Also – viel Glück bei der Eröffnung und es gibt viele Menschen, die sich freuen und auch Einkaufen kommen!
Gut geschrieben. Denn so sieht es aus. Die Älteren werden einfach „liegen gelassen“. Klar können jene wo eh auf dem Heimweg sind kurz auf dem Heimweg einkaufen aber das ältere Mütterchen ohne Auto ist immer auf andere angewiesen oder auf Bus und Bahn. Da die Bezahlfunktion einfach und unkompliziert ist passt das auch für die wo nicht mit den ganzen neuen Schnick-Schnack aufgewachsen sind. Persönlich werden wir
„Tante m“ nutzen. Gerade wenn wir nicht extra los wollen und extra ein Dorf weiter wollen. Und den Einkauf mit nem Spaziergang zu verbinden: perfekt!
Ich habe meinen Einkaufszettel schon geschrieben! Obwohl ich ein Auto habe und wegfahren kann .Ich würde mir wünschen so wie früher hier im Ort, zum Bäcker,zum Metzger oder in einen Gemüsegarten einkaufen zu gehen.Der Ort sollte nicht nur aus einer Tankstelle bestehen. Wir werden hier im Ort abgehängt ..nicht nur motzen sondern sich freuen das was kommt.
Schon vor 20 Jahren wurde kritisiert, dass der Ortskern nicht nur aus Tankstelle bestehen sollte.
Und was ist nun?
Alles zugebaut mit Tankstelle, Autohandel, versiegelten Flächen…und der Verkehr dazu.
Fehler über Fehler…
Auch damals wurden die angeblichen „Motzer“ nur mundtot gemacht.
Hier wird nur geplant und umgesetzt, was Geld bringt oder private Interessen sichert.
Mit Nachhaltigkeit oder vernünftigem Entwicklungskonzept hat das nichts zu tun!
Warum hat denn der Laden genau gegenüber zu gemacht?
Leider Krankheitsbedingt
Sehr schade!
Den zu fördern, das wärs gewesen!
Was bin ich froh, dass wir in LA noch einen Laden haben!
Und da bekommt man fast alles!
Ich genieße es, zu Fuß dahin zu laufen und einzukaufen
Sowas sollte es in jedem Ort geben!