Doktor Kettensäge

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Fällt die Motorsäge aus? Brings zum Klaus, der kriegt es raus! Es gibt keinen Rasenmäher und keine Kettensäge, die Klaus Freidinger in seiner labyrinthartigen Werkstatt in Heidelsheim nicht reparieren könnte. 

Sie können doch bestimmt dieses alte einstein’sche Zitat: “Ordnung ist etwas für primitive, das Genie beherrscht das Chaos”. Wenn sie schon immer einmal wissen wollten, was das in der Praxis konkret bedeutet, besuchen Sie bitte unbedingt Klaus Freidinger in seiner Werkstatt in Heidelsheim. Hier sieht es aus wie in einem obskuren Labyrinth von M.C. Escher, bis an die Decke türmen sich ölige Maschinenteile, Schrauben, Werkzeug, Kartons, Riemen, Schläuche und sonstiger Kruscht und Krempel. Mittendrin steht Klaus in seinem ausgewaschenen Blaumann und grinst schelmisch wie ein Schulbub. “Ich finde hier alles – deswegen darf auch niemand aufräumen“, sagt er und zieht wie zum Beweis die Visitenkarte, die er mir versprochen hat, aus einem riesigen Haufen mit Schachteln und Papieren. Dabei muss er keine Sekunde suchen, er weiß genau, welche Kiste er anheben muss, um auf das kleine Häufchen zu stoßen. 

Auf der Karte stehen seine Kontaktdaten.. Adresse, Telefon und eine E-Mail-Adresse. Eine Webseite gibt es keine – mit Computern kann Klaus nicht und will er auch nicht – seine Welt ist durch und durch analog, handfest und alles andere als vage. Klaus Freidinger repariert Gartenmaschinen, vor allem Motorsägen und Rasenmäher. Das kann er verdammt gut, darin macht ihm niemand etwas vor. Aus diesem Grund kommen seine Kunden teilweise aus anderen Bundesländern nach Heidelsheim um Klaus ihre tuckernden oder eben nicht mehr tuckernden Patienten anzuvertrauen. “Mein Ding sind Zweitakter, da geht nichts drüber“, schwärmt Klaus, der seine Leidenschaft für Maschinen quasi in die Wiege gelegt bekommen hat. Vor ihm hat bereits sein Papa Heinz geschraubt, getüftelt und repariert und vor ihm Opa Max, der als Hufschmied in Heidelsheim noch vor der Mechanisierung Pferde beschlagen hat. 

So richtig bekannt wurden die Freidingers in den siebziger Jahren, als für die alten Bulldogs plötzlich die Pflicht aufkam Überrollbügel nachzurüsten, damit der Fahrer bei einem Unfall zumindest theoretisch die Chance hat, einen Sturz des Schleppers zu überleben. Dass der Freidinger sowas erledigt, hat sich schnell rumgesprochen… an Kundschaft mangelt es seither nicht. Zwar hat Klaus mit Schleppern und Bulldogs nichts am Hut, aber allein für seine Expertise und sein Können im Bereich der Gartengeräte stehen die Kunden Schlange. In seinem Hinterhof findet sich eine riesige Armada aus Balkenmähern, Rasenmähern, AS-Mähern und sonstigen Vegetationsstutzern. Stoisch und entspannt arbeitet Klaus die lange Liste an Aufträgen ab, ganz für sich, ganz vertieft in seine Arbeit. Ohnehin ist er gerne für sich, unter Menschen zu sein, das ist seine Sache nicht. Aus diesem Grund ist Klaus trotz seiner demnächst 56 Jahre immer noch Junggeselle. “Am Anfang überwogen die Vorteile, jetzt eher die Nachteile“, sagt er und grinst dann wieder, „aber in der Werkstatt lernt man eben niemanden kennen”. 

Ganz ohne weibliche Hand muss Klaus aber nicht auskommen. Seine Mutter Heide hat ihm all die Jahre, auch nach dem Tod des Vaters Anfang des Jahrtausends, immer unterstützt, immer geholfen. Sie hat sich um die Buchhaltung gekümmert, um den ganzen Papierkram, den Klaus genauso wenig leiden kann wie Computer oder Smartphones. Als ein solches Gerät plötzlich zu klingeln anfängt, zieht nicht Klaus es aus der Gesäßtasche, sondern Mama Heide.. das sieht man auch nicht jeden Tag. Andererseits könnte man fast neidisch werden, wie konsequent Klaus den Trubel und die Hektik der Neuzeit meidet, sich stattdessen in seiner kleinen Zeitblase, der Werkstatt im alten Herz von Heidelsheim einnistet und dort das tut, was er am besten kann: Ratschen, schrauben, schmieren – alles reparieren. Zwischenzeitlich gibt es im Nebengebäude sogar einen kleinen Verkaufsraum, in dem im Wesentlichen die Produkte der Firma Stihl angeboten werden. Hier sind die Freidingers von jeher treue Partner, schon immer arbeiten Sie mit der deutschen Traditionsmarke zusammen. In Reihe und Glied und im stihlschen weiß-orange stehen hier Dutzende Rasenmäher, Motorsägen und reichlich Zubehör. Nicht nur Zweitakter, sondern auch ganz moderne Akku-Geräte. Was den Verkauf angeht, so ist Klaus zwiegespalten. Einerseits berät er gerne, andererseits gibt es auch immer häufiger Kunden, die sich zwar vor Ort beraten lassen, die Geräte dann aber online einkaufen. Ziemlich dreist, wie Klaus völlig zurecht findet. 

Auch wenn man mit 56 noch eine ganze Kante bis zum Ruhestand vor sich hat, ist dieser zumindest aus der Ferne schon erahnbar. Da Klaus keine Kinder hat, würde mit ihm die Ära der Heidelsheim Tüftler zu Ende gehen, doch an dieser Front gibt es gute Nachrichten. Seit einiger Zeit bekommt Klaus Unterstützung durch Patrick. Der gelernte KFZler aus Diedelsheim hilft bereits jetzt im Betrieb aus wo es nur geht, übernimmt auch die Buchhaltung und den ganzen Schriftkram. Für Klaus nicht nur ein potentieller Nachfolger, sondern auch so etwas wie der Sohn, den er nie gehabt hat, das sagt er frei und unumwunden. 

Schön also, dass es weitergeht am Römerplatz in Heidelse, die Alternative – ein Ende der Werkstatt wäre auch zu deprimierend gewesen. Denn wo immer eine Motorsäge nicht anspringen will, wo immer ein Rasenmäher den Dienst verweigert, heißt es schließlich seit unzähligen Jahren kurz und knackig: “Ah kumm, bring´s zum Klaus, der kriegt´s wieder no”.

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3 Gedanken zu „Doktor Kettensäge“

  1. Vielen Dank für das schöne Portrait. Seit ewigen Zeiten bin ich hier vorbei gefahren: von Brusl üwwer Heidelse nach Gochze. Am großen grauen Tor und am SABO – Schild. Verändert hat sich kaum etwas. Auch nicht an seiner Kleidung. Ich kenne ihn nur so.

  2. Welch ein schöner und absolut zutreffender Bericht. Ich habe gelacht und vor Rührung geweint. Der halbe Kraichgau wäre hilflos und würde zuwuchern wenn Klaus nicht wäre. Ich bin schon immer ein Kunde und erfreue mich als Mitarbeiter der ordentlichen SEW über dieses zeitlose immerwährende Chaos aus dem einwandfrei funktionierende Motorgeräte ausgespuckt werden. Klaus ist ein richtiger Hügelheld.

  3. Oh wie wahr sind diese Worte!
    Wir wohnen schon über 25 Jahre in Ubstadt-Weiher und haben schon oft im Freundes- oder Bekanntenkreis diesen Satz gesagt: des musch du nach Heidlsa zum Fraidinger Klaus bringe, des isch noch oiner, der des von der Pieke uff gelernt hat!
    Wenn der s net nobringt, dann brauchsch e neues Gerät!
    Chapeau Klaus, bitte nicht aufhören.
    Früher gab es noch n Klaus – de Schneider Hillers Klaus, der saß im Schneidersitz uff seim Disch …. auch eine Legende RiP!

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