Unzählige Künstler schaffen zu ihren Lebzeiten bedeutsame Werke, die Menschen begeistern, berühren und gar verändern können. Nicht selten jedoch stirbt mit dem Künstler am Ende seines irdischen Lebens auch dessen künstlerisches Vermächtnis. Mit dem Karl Peter Muller-Preis soll diesem Verblassen und dem Vergessen etwas entgegengesetzt werden.
von Stephan Gilliar
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was nach ihrem Tod von ihrem Lebenswerk erhalten bleiben wird? Wird sich Jahre später noch irgendjemand daran erinnern, oder wird es zusammen mit Ihnen verblassen und ganz allmählich in Vergessenheit geraten? Eine schwierige Frage, die sie für sich beantworten müssen, auch ob diese Frage für sie überhaupt eine Relevanz hat. Ein Lebenswerk oder ein Vermächtnis muss mitnichten materieller Natur sein, es kann sich auch auf der Metaebene abspielen, ein Gedanke, eine Inspiration, ein Impuls sein. Vielleicht haben sie als Lehrer den einen oder anderen jungen Menschen geprägt, seinen Kurs zu einem besseren und glücklicheren Wesen im positiven Sinne beeinflusst? Auch das ist ein Vermächtnis, ein mächtiges obendrein.
Für einen Künstler ist das eigene Vermächtnis die Gesamtheit seines künstlerischen Schaffens und damit Ausdruck all dessen, was er oder sie mit der eigenen Kunst der Welt, der Menschheit, dem Universum oder nichts von alledem mit auf den Weg geben möchte. Es gibt unzählige großartige Künstler rund um uns herum, die Kunst ist keine Domäne, die lediglich von den großen Meistern, den großen Namen für sich in Anspruch genommen werden darf. Was Kunst ist und was sie nicht ist, darf von nichts und niemandem definiert werden, niemand hat die Deutungshoheit über dieses Grundrecht menschlichen Ausdrucks.
Wer Kunst in die Welt setzt, bereichert diese unweigerlich, jedoch immer verbunden mit der traurigen Prämisse, dass oft nur wenige Menschen daran teilhaben werden. Es gibt unzählige begnadete Kunstschaffende um uns herum, von denen wir nichts wissen, von denen wir niemals etwas erfahren werden. Das ist die Tragik, die ein Teil des Wesens der Kunst ist. Nicht wenige Künstler wurden erst lange Zeit nach ihrem Tod erkannt und die Tragweite ihres Schaffens erfasst. Doch das sind Ausnahmen, in den meisten Fällen geht Kunst nach dem Tod ihres Erschaffers verloren, gerät in Vergessenheit. Sie landet auf dem Müll, verrottet in feuchten Kellern, vermodert auf muffigen Dachböden.
Ein Umstand, dem die Macher des Karl-Peter-Muller-Preises entgegenwirken wollen. Zu Ehren des vor 23 Jahren verstorbenen Mannheimer Künstlers, Lebemanns und Grenzgängers Karl-Peter-Muller, den alle nonchalant KPM nennen, haben sich seine Tochter Josephine, die Akademischen Werkstätten e. V. und der Bundesverband Künstlernachlässe e.V. zusammengetan, um – aktiv gefördert von der Volksbank Kraichgau – Nachlässe von Künstlern zu erhalten. Nach langer Vorbereitung wurde nun am Mittwochabend in der Filiale der Volksbank Kraichgau in Oberhausen-Rheinhausen das erste Mal der diesbezügliche KPM Karl Peter Muller-Preis vergeben.
Nach einem nachdenklichen und feinfühligen Grußwort von Volksbank-Vorstand Rüdiger Kümmerlin, ehrte KPM´s Tochter Josefine Müller so Dr. Ralf Holtzmann für dessen aufopferungsvolles Bemühen um den künstlerischen Nachlass seiner Tante Gisela Conrad.
Seite an Seite mit seiner Familie engagierte sich der Verlagslektor aus Mannheim monatelang in der Katalogisierung und der Aufbereitung des Lebenswerkes der 2019 verstorbenen Gisela Conrad. Diese hatte ihn um eine Verwaltung ihres künstlerischen Erbes nach ihrem sich damals bereits abzeichnenden Tode gebeten und da Ralf Holtzmann – wie er sich selbst lächelnd bezeichnet – ein “zusagefreudiger” Mensch war, nun ja..sagte er zu. Es wäre ihm unvorstellbar gewesen, auch nur ein einziges Bild wegzuschmeißen, führte er in seiner Dankesrede die eigenen Motive weiter aus. So fuhr er unzählige Male nach Regensburg, in die langjährige Heimat der eigenen Tante, um die mehreren hundert Kunstwerke zu erfassen, zu sortieren und zu katalogisieren. Das alles mit dem Ziel, sie zu erhalten und wo immer es geht, der Nachwelt zugänglich zu machen.
Für dieses Engagement bedachte die Jury ihn nun mit dem auf 5000 Euro dotierten KPM Karl Peter Muller-Preises. Das Geld möchte Dr. Holtzmann unter anderem in die Digitalisierung der Kunstwerke seiner Tante investieren. Einen Rat gab er dem bunten Publikum der Preisverleihung am Ende mit auf den Weg: “Wenn Sie jemals gefragt werden, einen Künstlernachlass zu verwalten. Machen sie es! Man lernt unheimlich was dabei”
Begleitet wurde der Abend der Preisverleihung, zu dessen Ehrengästen auch der Bundestagsabgeordnete Olav Gutting sowie die Bürgermeister Olaf Scholl aus Oberhausen-Rheinhausen und Bernd Killinger aus Forst zählten, von Exzerpten der einzigartigen und immens intensiven Stücken des Musikers Knut Maurer, mit dem Harp-Virtuosen Michael Heid an dessen Seite. Inspiriert von den Werken eines Kurt Tucholsky oder eines Erich Kästner, gab Maurer beispielsweise Auszüge aus dem Programm „Großstadtlyrik – Songs am Tresen“ zum besten – malte dabei mit keys und lyrics Szenen und Bilder, die fast greifbar im Raum standen.
Auch die Musik ging damit eine schöne Symbiose mit den großen Statements und Aussagen dieses Abends ein, die Rüdiger Kümmerlin auf den Punkt brachte: Kunst kann und will Menschen erreichen und verbinden – jedem der sich ihr öffnet. Sie muss sichtbar sein und sie braucht Plattformen. Mit dem KPM Karl Peter Muller-Preis besteht nun eine weitere solche Plattform. Eine Plattform für Künstler, die Ihre Stimme nicht mehr erheben können, die aber unbedingt gehört werden sollte.