Die Sperrung der Schnellbahnstrecke Stuttgart-Mannheim und ihre Folgen für die Region
Während der “Kraichgau-Trennung” werden diese Brücken den Verkehr schultern müssen
Der April mag zwar gefühlt noch ewig weit in der Zukunft liegen, doch die Zeit rinnt bekanntlich unablässig und unbarmherzig wie Sand durch unsere Finger. Was auf Autofahrer, Pendler und Fußgänger zwischen Bruchsal und Bretten im Frühling zukommt, kristallisiert sich in aller Unbarmherzigkeit dieser Tage immer weiter heraus.
Wenn ab April 2020 die die Schnellbahnstrecke zwischen Mannheim und Stuttgart saniert und damit vollständig gesperrt wird, kommen auf den Kraichgau schwierige Zeiten zu. Da auch im Bahnverkehr das Motto “The show must go on” gilt, wird wohl der Löwenanteil aller Verbindungen auf der stark befahrenen Route über die Bahnstrecke zwischen Bruchsal und Bretten abgewickelt werden. Sechs Monate lang werden neben den langsamen Regionalzügen also auch Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE das Hügelland durchbrausen.
Das dadurch immens steigende Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke, bringt eine ganze Palette negativer Auswirkungen mit sich. Da Züge bekanntermaßen gegenüber der Straße immer Vorfahrt haben, werden die Schließzeiten an den Bahnübergängen auf diesem Streckenabschnitt massiv nach oben schießen. Waren diese Übergänge bislang bereits stolze 30 bis 40 Minuten pro Stunde in den Stoßzeiten dicht, dürften die Minuten in denen sie fortan geöffnet sind, an einer Hand abzuzählen sein. Weil bei solchen Schließzeiten aber die Rückstaus gigantische Ausmaße annehmen dürften, bleibt den Verantwortlichen kaum etwas anderes übrig, als die Bahnübergänge in diesen vertrackten Monaten gleich vollständig zu schließen und den Verkehr großräumig umzuleiten.
Der Zeitplan
Obwohl die eigentlichen Bauarbeiten entlang der Schnellbahntrasse erst am 10. April beginnen, gehen die Schranken mancherorts bereits deutlich früher nach unten. Um genügend Vorlauf für die Vorbereitungsarbeiten zu haben, ist von einer Sperrung Ende Februar bereits in Heidelsheim, Helmsheim und Diedelsheim auszugehen. Hier werden bereits besagte provisorische Fußgängerbrücken errichtet. In Gondelsheim wird es vom 8. bis zum 10. März eine dreitägige Sperrung im Zuge der Vorbereitungen geben, final gehen die Schranken hier aber erst kurz vor dem 10. April nach unten. Die Fußgängerquerung in Gondelsheim ist via Tunnel durch die Haltestelle „Schlossstadion“ sowie eine noch zu errichtende Behelfsbrücke naher der Asylunterkunft möglich. Da Gondelsheim von der Sperrung wie keine andere Gemeinde betroffen ist, kann hier der Bahnübergang bei Notfällen auch für Krankenwagen oder den Notarztwagen kurzfristig geöffnet werden. Wenn die Bauarbeiten nach Plan verlaufen, wird der Spuk Anfang November wieder vorbei sein.
Bis zu acht Monaten werden also die Bahngleise eine scharfe Grenze durch den Kraichgau ziehen. In den Städten Bruchsal und Bretten können die wegfallenden Querungen noch durch eine ganze Reihe von Überführungen und Tunneln aufgefangen werden – im ländlichen Gebiet dazwischen, sind die wichtigsten Routen aber geschlossen und Polen damit offen. Schaut man sich den Bahnstreckenverlauf von der Bruchsaler bis zur Brettener Innenstadt an, findet man gerade mal zwei mögliche Übergänge ohne Bahnschranken.
Eine davon ist die Bahnbrücke an der Heidelsheimer Altenbergstraße. Sie liegt in einem ruhigen Wohngebiet, in dem ein dichter Verkehrsfluss bislang kein Thema ist. Eigentlich sollte das in die Jahre gekommene Bauwerk demnächst saniert werden, doch wie das Landratsamt Karlsruhe mitteilt werden diese Arbeiten nun nach hinten verschoben. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Bahnbrücke der Altenbergstraße wird sechs Monate lang ein dicht befahrener und wichtiger Verkehrsknotenpunkt um die beiden voneinander getrennten Regionen östlich und westlich der Bahntrasse miteinander zu verbinden. Bis auf die Altenbergstraße gibt es ansonsten nur noch die Straßenbrücke der Württemberger Straße bei der Kläranlage Heidelsheim um die Schienen zu überwinden.
Danach geht für rund zehn Kilometer gar nichts mehr. Weder Helmsheim, noch Gondelsheim oder Diedelsheim verfügen über eine Über- oder Unterquerung der Schienen und werden somit faktisch für mehrere Monate durch die Gleise in zwei Teile zerschnitten. Der Umleitungsverkehr in dieser Zeit dürfte regelmäßig in den Stoßzeiten zum Erliegen kommen, da er zwangsläufig über Routen führen muss, die auch schon aktuell regelmäßig überlastet sind, allen voran die Bundesstraße 35. Autofahrer die bisher die Gleise in Gondelsheim, in Helmsheim oder in Diedelsheim querten, müssen zwangsläufig nun großräumig über Bruchsal, Heidelsheim oder Bretten umgeleitet werden. Die Auswirkungen brauchen keine weitere Erläuterungen, die kann sich ein jeder bereits heute schon lebhaft vorstellen.
Zwar sollen provisorische Fußgängerbrücken zumindest die Querung per pedes ermöglichen, die vielen Alltagsprobleme durch den abgeschnittenen PKW-Verkehr sind aber dennoch ernst und fordernd. Pendler und Schüler die jeden Tag mehrfach die Schienen queren müssen, werden sich auf lange Anfahrtszeiten einstellen und Rettungsdienste ihre Organisationsstruktur zu beiden Seiten der Gleise modifizieren müssen. Äußerst bedenklich sind die Bedingungen für Behinderte und Mütter mit Kinderwagen – die Behelfsbrücken eignen sich nicht um Ihnen die Passage über die Gleise zu ermöglichen. Hier gilt es bis zum Stichtag tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass durch den dichten Verkehr auf der Bahnstrecke manche Nahverkehrsverbindungen durch einen Schienenersatzverkehr ersetzt werden müssen, was zu einer zusätzlichen Belastung der Straßen führen dürfte. Das Landratsamt hat bereits zwei solcher Ersatzverbindungen bestätigt, es darf bezweifelt werden ob es dabei bleibt.
Zwar hat das Amt angekündigt zusammen mit Vertretern der Kommunen noch weitere entlastende Maßnahmen vorzubereiten, doch sind die Möglichkeiten hier sehr überschaubar. Geschlossene Bahnübergänge können selbst durch ausgeklügelte Umleitungen nicht kompensiert werden, wenn der Verkehr im Umland ohnehin bereits am Limit ist. Der Kraichgau muss sich also ab April auf extrem schwierige und Nerven-zehrende Monate einstellen.