Luftangriffe am 2. Februar 1945 trafen auch Neuthard und Karlsdorf
Am 2. Februar dieses Jahres jährt sich ein Ereignis zum 75. Mal, das bis heute in der Erinnerung vieler damaliger Zeitzeugen eingebrannt ist: Der Luftangriff eines fehlgeleiteten Bombergeschwaders der Alliierten in der Nacht des 2. Februar 1945, der in der näheren Region vor allem Büchenau und Staffort verheerend traf. Wie ein riesiges Feuerwerk zog sich der Angriff über eine Fläche, die von den Gemeinden Friedrichstal, Staffort, Untergrombach, Teilen von Bruchsal, Karlsdorf, Neuthard und Spöck eingegrenzt wurde. Im Zentrum lag Büchenau, das in jener Schicksalsnacht beinahe dem Erdboden gleichgemacht wurde. Doch auch in den umliegenden Ortschaften wie in Neuthard und in Karlsdorf gab es Tote und teils schwere Schäden zu beklagen, wenn auch in weit geringerem Ausmaß.
Im Kapitel „Die Nacht, in der die Dörfer brannten“ heißt es dazu im Karlsdorfer Heimatbuch: „Am Abend des 2. Februar 1945, dem Tag von Maria Lichtmess, heulten gegen 23 Uhr die Sirenen: Es war im Raum Bruchsal der 578. Fliegeralarm seit Beginn des Krieges. (…) Kurz nach 23 Uhr hörte man aus westlicher Richtung starkes Motorengeräusch näherkommen. Die Royal Air Force war wieder einmal im Anflug.
Wind trieb „Christbäume“ vom Ziel ab
Doch dann geschah etwas, das den Bürgern der betroffenen Dörfer einen heftigen Schrecken einjagte: Direkt über ihnen, oder nur wenige Kilometer in südwestlicher Richtung entfernt, standen die „Christbäume“ – das waren grüne, an Fallschirmen herabschwebende Leuchtkugeln und Zielmarkierungen für die Nachtbomber – am Himmel.“
Starker Südwestwind hatte diese vom eigentlichen Ziel Karlsruhe, dem der Angriff gelten sollte, nach Nordosten, zu den Dörfern der Hardt, abgetrieben, so dass die nachfolgenden Bomber auf fatale Weise fehlgeleitet wurden. Wie in den umliegenden Ortschaften regneten auch in Neuthard und in Karlsdorf massenweise Luftminen, Sprengbomben und Stabbrandbomben vom Himmel. Innerhalb weniger Minuten standen in den betroffenen Dörfern Gebäude, Wohnhäuser und Stallungen in hellen Flammen.
Weitreichende Zerstörungen waren vor allem im südlichen Ortsteil von Neuthard zu beklagen, wie die Heimatforschung Neuthard anlässlich des 75. Jahrestag des Geschehens beschreibt.
Viele Gebäude in Neuthard zerstört
Das von 23.25 Uhr bis 23.45 dauernde Bombardement durch britische Lancaster-Bomber zerstörte demnach in Neuthard fünf Wohnhäuser und 30 Scheunen mit Stallungen. Die Menschen hatten sich indes rechtzeitig in Sicherheit gebracht, so dass in Neuthard „nur“ ein ziviles Todesopfer zu beklagen war: Luise Münch wurde in jener Nacht von einer Brandbombe tödlich getroffen, während beim ungleich schwereren Angriff auf Büchenau zwölf Menschen ums Leben kamen und 50 Anwesen zerstört wurden, einschließlich der Kirche.
Drama beim Luftkampf über Karlsdorf
In Karlsdorf wurden infolge des Bombenangriffs laut Angaben im Heimatbuch Karlsdorf innerhalb kurzer Zeit mehrerer Scheunen zerstört. Wohl nur dank dem beherzten Eingreifen mutiger Anwohner konnte die Sankt-Jakobus-Pfarrkirche vor einer mutmaßlichen Zerstörung gerettet werden: Zwei Karlsdorfern gelang es, eine im Kirchenspeicher eingeschlagene Brandbombe unschädlich zu machen.
Kam die Karlsdorfer Bevölkerung also vergleichsweise glimpflich davon, spielte sich hingegen im Luftraum über dem Dorf ein entsetzliches Drama ab, dessen Auswirkungen erst am Folgetag sichtbar werden sollten.
Über Karlsdorf explodierten zwei Bomber
Über der Ortsmitte explodierten in jener Nacht des 2. Februar 1945 zwei Lancaster-Bomber der Royal Air Force Staffeln 467 und 189. Eine detaillierte Beschreibung des Geschehens liefert das im Jahr 1996 erschienene Buch „Als der Himmel Feuer spie“ des Karlsdorfer Autors und Luftkriegshistorikers Peter Huber.
Die Trümmer der Maschine der 467. Bomberstaffel der australischen Luftwaffe, gesteuert von Noel S.C. Colley, mit den sterblichen Überresten aller sieben Besatzungsmitglieder wurden über die Ortsmitte und den südöstlichen Teil von Karlsdorf verstreut. Fragmente des anderen Flugzeugs fielen einige Kilometer entfernt zu Boden. Sechs der sieben Besatzungsmitglieder dieser Maschine kamen ums Leben. Dass Ausmaß der Katastrophe trat erst am nächsten Morgen zutage.
Schreckliche Erlebnisse von Einwohnern
So machte der Karlsdorfer Kurt Riffel, damals 13 Jahre alt, am Morgen des 3. Februar 1945 eine grausige Entdeckung. „Ich war früh unterwegs. Als Messbub hatte ich das Dienen. Die Messe fiel aus und ich eilte heimwärts. Mein Gott, was sah ich da? Im Neutharder Feld lag etwas Dunkles, über das ich auf dem Herweg fast gestolpert wäre. Nun sah ich es deutlicher: Ein halbierter Mensch, ein Pilot, mit dunklen Haaren und wattierter Jacke. Unterhalb des Brustkorbes war er quer durchtrennt. Das Gras umher hatte sich rot gefärbt“, schildert der heute 87-Jährige Karlsdorfer seine bis heute stets präsenten Erinnerungen.
Weitere Einwohner, wie der Bäckermeister Josef Huber, fanden am nächsten Morgen Überreste von Flugzeugteilen und Besatzung. 13 Tote aus beiden Unglücksmaschinen – Briten, Neuseeländer und Australier – wurden zunächst auf dem Karlsdorfer Friedhof bestattet und im Jahr 1947 auf den britischen Soldatenfriedhof im bayrischen Dürnbach am Tegernsee umgebettet.
Gedenktafel erinnert an die Gefallenen
Eine beim Volkstrauertag am 19. November 2006 an einer Mauer beim Alten Friedhof in Karlsdorf eingeweihte Gedenktafel erinnert an die getötete Besatzung jener schicksalshaften Nacht an der Stelle, wo die Soldaten einst begraben waren.
Gedenken am 2. Februar
Zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung vom 2. Februar 1945 und als Mahnung zu Frieden und Versöhnung werden in der Nacht am Sonntag, 2. Februar, ab 23.25 Uhr – dem damaligen Beginn des Bombenangriffs – die Kirchenglocken von St. Bartholomäus Büchenau und von St. Sebastian Neuthard läuten, sowie um 20 Uhr von St. Jakobus Karlsdorf, wie die Katholische Seelsorgeeinheit Karlsdorf-Neuthard-Büchenau ankündigt.
Redaktion: Thomas Huber / Bürgermeisteramt Karlsdorf-Neuthard