The places to be 2019
Bald ist es wieder soweit – das Wochenende steht vor der Tür. Dann haben die Dorf-Kids aus den kleinen Kraichgau-Gemeinden einmal mehr die Qual der Wahl wo sie den Papst im Kettenhemd steppen lassen wollen. Man ist schließlich nur einmal jung und das bedeutet: Ausgehen, Leute treffen, Spaß haben. Doof nur wenn der letzte Bus um 19 Uhr fährt oder überhaupt keine Anbindung an die Öffis besteht. Na dann nix wie in die Dorfgaststätte – ein kühles Blondes aus dem Stiefel kippen und Karten spielen….Was? Die Dorfkneipe hat schon vor Jahren geschlossen? Keine Sorge! Es gibt so viele andere coole Locations für ein gepflegtes Teenie-Meeting – Wir stellen Euch die Top 5 genauer vor.
Platz 1 – Die Bushaltestelle
Was für die Großen der Zigarren-Club ist, ist für die Dorfkids die Bushaltestelle. Das soziale Zentrum mancher Mini-Gemeinde erfüllt vielerlei Aufgaben. Hier beginnt die Metamorphose von Samantha, Kimberly und Co. zu Protagonisten der RTL2-Serie Teenie Mütter, hier entdecken Justin, Kevin und Co. die Vorzüge von Dosenbier und hier werden Perlen der gepflegten Konversation geboren, wie zum Beispiel jene die ich unlängst im Vorbeigehen belauschen durfte: Dorf-Girlie 1: Weisch was, dä Ronny und de Tschonny sähn sisch voll äähnlichsch…. Dorf-Girlie 2: (überlegt…) Des is halt wahrscheinlich, weil se Brüda sinn.
Platz 2 – Die Unterführung
Die Kathedrale des kleinen Mannes – die Unterführung. Im Sommer spendet Sie Schatten, im Winter Unterschlupf vor Wind und Wetter. Das beste an einer Unterführung ist aber zweifelsohne die Akustik. Nirgendwo sonst auf der Welt entfesselt der quäkende Mono-Lautsprecher aus Sean-Connor Müllers Smartphone mehr Wirkung als hier. Wo sonst könnte Eminem mit seiner zeitlosen Lyrik besser zur Geltung kommen ( I ain’t never seen a ass like that The way you move it, you make my pee-pee go Doing doing doing / „Einen solchen Arsch habe ich noch nie gesehen. Wie du ihn bewegst, mein Pullermann macht gleich ‚doing doing doing‘.)
Platz 3 – Das Vereinsheim
Zum Hochadel der Landjugend darf man sich zählen, wenn man ein noch nicht geschlossenes Vereinsheim im Dorf sein eigen nennen darf. Hier trifft man sich an Freitagen und Sonntagen – trägt schnell ein Alibi-Spiel gegen den 5. FC Hinterkuhkaffingen in der 8. Kreisuntendrunter-Liga aus und widmet sich dann dem eigentlichen Grund des Vereinsbeitritts – dem Saufen. Hier greift die Spezialausbildung aller Vereinsgaststättenwirte – das absolute und vollständige Ignorieren des Jugendschutzgesetzes. Und so fließt das Bier in rülpsende Stiefel, der Jägermeister verschwindet in flaumbärtigen Lippen und zaubert ein Glühen auf die Akne-Kraterlandschaften dorfjugendlicher Backen. Ein weiterer Bonuspunkt: Richtige Sanitäreinrichtungen! Hier erschaffen angehende Wort-Künstler mit ihren Meisterwerken (Eding auf Klokacheln / Votze schreibt man mit F) eindringliche Warnungen vor den Hygiene-Standards der Exfreundin und hier entstehen gar ganze Dynastien (siehe RTL2 Teenie Mütter).
Platz 4 – Der Partykeller
Das Vereinsheim hat zu, die Bushaltestelle ist von der anderen Dorf-Gang besetzt worden und in der Unterführung haben die Urin-Dämpfe ein toxisches Level erreicht? Kein Problem – dafür gibt es ja den guten alten Party-Keller. Errichtet von den Eltern Mitte der 70er und seither in Vergessenheit geraten, bieten sich hier ganz neue Möglichkeiten für einen geselligen Abend. Die anheimelnde Atmosphäre der wasserschimmligen Buchenholzimitat-Furnierwände, der durchgesessenen Couch-Ecke auf der die Katze schon ein paar Mal entbunden hat und der schummrigen 25-Watt Glühbirne in der geklauten Binding-Laterne sind einfach einzigartig. Klar, die alte Stereo-Anlage hat kein Bluetooth-Modul, aber so kann man ganz neue Musikwelten entdecken. Wer erstmal hinter die Funktionsweise der riesigen schwarzen Plastik-CD mit den Rillen drin gekommen ist, entdeckt große Stimmen und große Namen. Boney M. , Peter Maffay, Wolle Petry, die Saragossa-Band und und und….
Platz 5 – Der Jugendclub
Manche Ortsvorsteher haben ein Herz für Kids ohne Beschäftigung, suchen die hinterletzte gemeindeeigene Garage aus dem Immobilienbestand und klatschen ein Schild mit der Aufschrift „Jugendclub“ an die Luke. Hier sollen die Kids lernen eigenverantwortlich zu agieren. Murharharhahr… Eigentlich ist es vielmehr so, als ob man einer Horde betrunkener Orang-Utans den Schlüssel zur Aservatenkammer in die Hand drückt. Hier erleben TV-Nostalgiker ein Remake von Sielmanns „Im Reich der wilden Tiere“. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren. Noch nie in meinem Leben habe ich so auf die Fresse bekommen, wie Mitter der 80er im Eppinger Jugendclub – übrigens organisiert von der evangelischen Kirche.
So liebe Jahrgänge ab 2001 f.f….. das sollten doch erst einmal genug Tips für den Moment sein. Jetzt kann es kommen, das nächste Wochenende.
Euer Tommy Gerstner