Der Fels in der Brandung

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Konkurrenz durch Filialisten, den Internethandel und die E-Book-Welle – Karl Knoll hat mit seinem kleinen Buchladen in Eppingen allen Widrigkeiten die Stirn geboten und steht immer noch aufrecht

Ein trüber Wochentag im noch jungen Jahr 2023. Karl Knoll sitzt an seinem Tresen, der Blick schweift entspannt über den regennassen Marktplatz vor seinem Schaufenster. “Hier hat man alles im Blick – ist immer mittendrin”. Der 71-Jährige kennt sein Eppingen genau und Eppingen kennt ihn. Seit bald 40 Jahren gehört sein Buchladen untrennbar zum Stadtbild dazu. In den ersten Jahren als “Buchhandlung an der alten Universität” in der Altstadt, danach mitten in der Brettener Straße und seit einigen Jahren nun an deren Ursprung gegenüber dem Rathaus. Im alten Café Bitterich gefällt es Karl Knoll gut, hier möchte er bleiben, nicht noch ein weiteres Mal umziehen.

Begonnen hat alles bereits 1985 in einem ehemaligen Tante-Emma-Laden in der Altstadtstraße. Ein klitzekleiner Laden mit angeschlossener Wohnung darüber. Wenn Karl Knoll über seine ersten Tage in Eppingen berichtet, leuchten seine Augen merklich. “Das war urgemütlich, man konnte oben einen Tee aufsetzen und während der Ziehzeit unten im Laden nach dem Rechten sehen”. Eigentlich stammt Karl Knoll aus Oedheim am Kocher, arbeitete zunächst als Übersetzer im Bundessprachenamt in Köln. Weil seine Verlobte aber damals eine Stelle in Eppingen antrat, beschloss er, ihr einfach dorthin zu folgen und hat es auch nie bereut. “Wenn man ursprünglich vom Land kommt, will man auch wieder aufs Land zurück”.

Ein Sprung ins kalte Wasser war die Eröffnung seines ersten eigenen Buchladens aber nicht, schon seit 1972 betrieb Karl Knoll gemeinsam mit einem Freund eine Versandbuchhandlung deren Bestellungen noch über Kataloge, Postkarten und das Telefon abgewickelt wurden – schließlich lag die Entwicklung des Internets noch Jahrzehnte in der Zukunft. Der Start in Eppingen glückte so aus dem Stand. Die Menschen nahmen den kleinen Laden sofort an, auch der Autor dieser Zeilen war schon in Jugendjahren Stammgast in der kleinen, bis in die letzten Ecke mit Büchern vollgestopften Buchhandlung, die sich auch verdammt gut in die fiktive Winkelgasse aus den Harry Potter Romanen eingegliedert hätte.

Weil um die Jahrtausendwende in Eppingen umfangreiche Baumaßnahmen starteten, in deren Zuge auch die Altstadt umgestaltet wurde, zog Karl Knoll irgendwann schweren Herzens ein paar hundert Meter weiter in die Brettener Straße um. Schlagartig vervierfachte sich die Ladenfläche und mit ihr der Aufwand und die Anforderungen an Personal und Logistik. Karl Knoll, dessen Name durch seinen neu gewonnenen Geschäftspartner Holl im neuen Firmennamen “Holl und Knoll” aufging, war damals ein echter Hans Dampf in allen Gassen. Er trieb nicht nur den Ausbau des stationären Buchhandels in Eppingen, Brackenheim, Güglingen und Schwaigern voran, sondern setzte als ein Pionier der damaligen Zeit schon um das Jahr 2000 einen eigenen Onlineshop für neue und gebrauchte Bücher auf. Als ob das nicht genug wäre, gründete er zudem einen eigenen Buchverlag, der sich vornehmlich der Arbeit regionaler Autoren annahm.

Während in den letzten Jahrzehnten viele kleine Buchläden das Zeitliche segneten, florierte “Holl und Knoll” gegen jeden Branchentrend, erzählt Karl Knoll enthusiastisch und stolpert dabei ab und zu über einzelne Buchstaben. Das Stottern ist ein vertrauter Teil von ihm, ein Teil, den er schon seit Kindheitstagen in sich trägt. Er geht locker damit um, erzählt ein paar launige Anekdoten aus seiner Schulzeit, wie ihm zum Beispiel ein Schulkamerad 10 Mark in Aussicht gestellt hatte, wenn er einen Schultag lang nicht stotterte. Kleiner Spoiler – der Bub durfte den Zehner behalten. Es macht Spaß, sich mit Karl Knoll zu unterhalten. In ihm brennt eine Lebendigkeit, die ansteckend wirkt, zugleich wirkt er mit seinen über sieben Jahrzehnten Lebenserfahrung geerdet und in sich ruhend. Kein Wunder, dass so viele Stammkunden ihm über lange Jahre die Treue gehalten haben. Noch während wir reden, betritt Jutta aus Schwaigern mit ihrer Tochter den Laden, um eine online aufgegebene Bestellung abzuholen. “Ich komme her, weil ich hier schon als Mädchen mein erstes Buch gekauft habe”, erzählt sie und fügt stolz hinzu “auch meine Tochter ist schon Kundin hier”.

Viele Stammkunden haben Karl Knoll auch dann unterstützt und getragen, als gegenüber ein großer Filialist mit einer modernen und größeren Buchhandlung seine Zelte aufschlug. Doch obwohl Karl Knoll die Auswirkungen durchaus in Form eines gewissen Umsatzrückganges bemerkt hat, überstand er auch diese Herausforderungen am Ende. In diesen Tagen schließt die große Filiale gegenüber bereits wieder, nach nur wenigen Monaten. Ob er nun etwas Genugtuung empfindet, möchte ich von ihm wissen und Karl Knoll lächelt verschmitzt: “Ein bisschen”.

Welche Pläne er hat, wie es für “Holl und Knoll” weitergehen könnte, darüber denkt Karl Knoll schon seit einer Weile nach. Neben ihm werkelt seine Enkeltochter Elysha im Zuge ihres Praktikums, doch sie winkt lächelnd ab, möchte erstmal ganz in Ruhe Wirtschaft studieren. “Vielleicht könnte jemand aus der Belegschaft das Geschäft fortführen“, sinniert Karl, der allerdings ohnehin noch lange nicht ans Aufhören denkt. “Ich habe kein Ablaufdatum” lacht er und wendet sich ab, denn schon wieder schellt die kleine Ladenglocke über der Türe.

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4 Gedanken zu „Der Fels in der Brandung“

  1. … ich erinnere mich auch noch an den Buchladen Holl & Knoll. Danke für den informativen Artikel. Stationäre Buchhandlungen habens heute nicht so einfach. Meine Erinnerungen gehen auch so weit zurück an die Bruchsaler Buchhandlung Braunbarth in der ich mit meinem „Lehrlingsgeld“ die eine oder andere Autozeitung gekauft habe.

  2. Die Buchhandlung von Karl Knoll war für meine Familie ein ganz wichtiger Anlaufpunkt als unsere Tochter geboren wurde habe wir die ersten Kinderbücher und Erziehungsratgeber dort gekauft. Später hat sich der Kontakt vertieft, als wir über die Musikschule mit Rosmarie Weil, seiner heutigen Frau, zu tun hatten. Sie war für unsere Tochter eine wichtige Musiklehrerin und heute mach ich regelmäßig Mittwochnachmittags (bei gutem Wetter) Strassenmusik mit ihr und ihren Flötenkindern vor der Buchhandlung. Vielen Dank für den schönen Bericht über Karl und seine Buchhandlung.

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