Nachts im Baumhaus oder am Tag in der Mühle – Hier wird jeder wieder zum Kind
Eines der wirklich großen Highlights im Jahreslauf unsere XXL Patchworkfamilie, war der Ausflug in jeden Sommerferien in einen Freizeitpark im Ländle. Sich diesen Stress aufzuhalsen, dafür ziehe ich noch heute vor meinem Vater den Hut. Mit sechs Kindern durch die Menschenmassen an einem 35 Grad Tag – dafür braucht es Nerven wie Stahlseile und die Geduld eines antiken griechischen Helden. Ganz am Anfang sind wir regelmäßig in den Europapark gefahren, als aber irgendwann die Eurosat-Kugel eröffnete, war uns der Trubel und der Auflauf zu viel.
Meine schönsten Erinnerungen verbinde ich vielmehr mit dem Kleinod schlechthin unter den deutschen Vergnügungsparks. Tripsdrill bei Cleebronn zaubert mir auch noch heute ein Lächeln aufs Gesicht. Zwar ist der Park in den letzten Jahrzehnten auch stetig gewachsen, das Gemütliche hat er sich aber dennoch durch die Zeit bewahren können. In diesem Jahr feiert Tripsdrill seinen 90. Geburtstag, keine Selbstverständlichkeit in diesen ständig vom Wechsel geprägten Zeiten.
Angefangen hat alles in den goldenen Zwanzigern und mit der Legende von der Altweibermühle. Diese sollte der Sage nach irgendwo bei Cleebronn zu finden sein und nicht weniger vermögen, als alte Frauen in junge Mädchen zu verwandeln. Die Menschen die damals in der noch im sehr ländlich und spärlich besiedelten Zabergäu lebten, waren irgendwann von den Fragen der auswärtigen Wanderer genervt. Jeder wollte wissen wo die sagenumwobene Mühle steht, eine Antwort darauf gab es freilich nicht.
Ein findiger Gastwirt namens Eugen Fischer, der damals eine kleine Gastwirtschaft im Gewann Treffentrill führte, witterte jedoch aufgrund der zahlreichen Nachfragen eine pfiffige Geschäftsidee. Kurzerhand ließ er auf dem heimischen Hof eine Mühle errichten und eine lange Rutsche darin einbauen. Wer von oben nach unten rutschte, sollte nach Aussage Fischers die Mühle als Jungspund verlassen. Am 30. Juni 1929 wurde die Altweibermühle mit Pomp und Gloria eröffnet – wie sich bereits kurze Zeit später herausstellen sollte, war es die Geburtsstunde für die Legende Tripsdrill. Zwar brannte die ursprüngliche Altweibermühle nach einem Blitzschlag im Jahr 1946 ab, doch davon ließen sich die Fischers nicht aus dem Takt bringen. Das gute Stück wurde kurzerhand neu errichtet und die Erfolgsgeschichte von Tripsdrill weitergeführt. Heute umfasst der Freizeitpark eine Fläche von 77 Hektar und jährlich besuchen fast 800.000 Menschen die Anlage. Ein Branchenblatt hat Tripsdrill mehrfach als Europas besten Themenpark bis zu einer Million Besucher ausgezeichnet.
Heute locken über 100 Attraktionen Besucher aus nah und fern nach Cleebronn. Es gibt zahlreiche Achterbahnen, Wildwasserbahnen und gemütliche und unaufgeregte Fahrgeschäfte für Kinder und Familien. Letzterer Punkt ist meiner Meinung nach der springende Punkt, der auch meine Familie regelmäßig nach Tripsdrill führt. Es ist nicht zu voll, nicht zu überlaufen und wer etwas Ruhe und Ausgleich braucht, der besucht einfach das angeschlossene Wildtiergehege dass sich über eine Fläche von 45 Hektar im Wald erstreckt.
In diesem Wald findet sich auch seit einigen Jahren jene Neuerungen, die meiner Tochter das größte Leuchten in die Augen zaubert. Oben in den Bäumen haben die Macher von Tripsdrill mehrere wunderschöne Baumhäuser installiert, alle individuell gestaltet und nur aus natürlichen Materialien erbaut. Im sogenannten Natur-Resort kann man entweder in diesen Baumhäusern oder in einem der zahlreichen Schäferwagen auf der benachbarten Wiese übernachten. Ganz billig ist der Spaß mit Preisen um 100 Euro pro Person und Nacht nicht, aber nirgendwo sonst hat man das Gefühl in einer Szene von Harry Potter zu nächtigen. Knorrige Balken, alles schief und krumm gewachsen und doch warm, einladend und gemütlich. Alle ein bis zwei Jahre gönnen wir uns den Spaß für ein bis zwei Nächte.
Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums hat sich Tripsdrill auch einiges einfallen lassen. So gibt es derzeit eine bunte Jubiläumsausstellung zu sehen die über die lange und bewegte Geschichte des Parks informiert. Zudem wurde eine XXL-Spielewelt mit 1.400 Quadratmetern errichtet. Im auf den Namen “Sägewerk” getauften Areal, findet sich damit ab sofort einer der größten Abenteuerspielplätze in Süddeutschland.
Wenn Sie das nächste Mal nach Tripsdrill reisen, lassen sie aber die unsterblichen Klassiker nicht außen vor. Nichts geht über eine Rutschpartie in der Altweibermühle und einen Gang durch die Junggesellen-Brautschau die allein durch die etwas muffig duftenden und skurril-mechanischen Charaktere ihren eigenen Charme hat.
In einer zentralen Angelegenheit muss ich sie aber leider dennoch maßlos enttäuschen. Auch nach der Talfahrt in der urige Mühle, war ich immer noch 40, hatte keine Haare und ein zu großes Bäuchlein….die schlechte Laune war allerdings schlagartig wie weggeblasen.
Ein Beitrag von Philipp Martin