Das große Vergessen

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In der Not frisst der Teufel Fliegen oder spaltet eben Atome

Ein Kommentar von Stephan Gilliar

Eigentlich sollte das Zeitalter der Atomenergie in Deutschland bald zu Ende gehen, doch nun wird nicht nur über verlängerte Laufzeiten der letzten Kraftwerke diskutiert, sondern sogar über die Wiederauferstehung der Kernenergie.

Kernkraftgegner werden dieser Tage gerne als realitätsferne Träumer belächelt, doch das ist nicht nur unfair, sondern auch geschichtsvergessen. Dass sich die Anti-Atomkraft-Bewegung in in Deutschland über alle Ländergrenzen und gesellschaftliche Schichten hin entwickelt hat, war schließlich kein Zufall oder eine Laune des Moments. Das Reaktorunglück von Tschernobyl war nur eine Triebfeder, bei weitem aber nicht die einzige. Zwar hätte der GAU im ukrainischen Pripjat auch allein durchaus für einen gesellschaftlichen Stimmungswandel ausgereicht, erinnere man sich nur an die unzähligen Opfer und die auf lange Sicht hin unbewohnbaren Landstriche – doch auch die Ereignisse in Deutschland um die geplante Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf vor rund 40 Jahren haben ihren Teil zum Sinneswandel beigetragen.

Das Franziskus-Marterl nahe der WAA

Nirgendwo lässt sich die Ernsthaftigkeit dieser Tage heute noch so gut erfahren, wie am Franziskus Marterl in Altenschwand. In einem kleinen Waldstück nahe des Geländes der niemals fertiggestellten Aufbereitungsanlage, erinnert ein kleiner Bildstock an die damaligen Proteste und den Widerstand gegen die WAA, der monatelang für Schlagzeilen in der damaligen BRD sorgte. Monatelang hatten Menschen nicht nur aus der Region, sondern aus dem ganzen Bundesgebiet gegen die Errichtung der Anlage protestiert, in der der Atommüll aus den deutschen Kernkraftwerken gelagert und teilweise wieder aufbereitet werden sollte. Einige Experten gelangten damals auch zu der Überzeugung, dass das in Wackersdorf produzierte Material auch durchaus potentiell waffenfähig gewesen wäre.

Trotz des massiven Widerstandes forcierte die bayerische Staatsregierung unter Josef Strauß den Bau derart unnachgiebig, dass es auch zu gewalttätigen Einsätzen der Polizei gegen die Protestierenden kam. Trauriger Höhepunkt war der sogenannte “blutige Herbst” im Jahr 1987, als angeforderte Spezialkräfte der Berliner Polizei willkürlich auf Menschen entlang des Bauzauns einschlugen. Auf Seiten der Kernkraftgegner gab es über 2000 Verurteilungen, wogegen jedes einzelne Verfahren gegen beteiligte Beamten damals eingestellt wurde. Eine Bilanz der Schande.

Ja, es hat durchaus nachvollziehbare und absolut legitime Gründe, wieso so viele Menschen sich gegen die Kernenergie gewandt haben und diesen Standpunkt bis heute vertreten. Neben den nicht weg zu diskutierenden Risiken, der nicht im Ansatz geklärten Entsorgungsfrage, die man einfach auf kommende Generationen abzuwälzen gedenkt und nicht zuletzt, aufgrund der mahnenden Vorfälle in Tschernobyl, Harrisburg oder Fukushima.

Das Gelände der geplanten WAA Wackersdorf

Es mag statthaft sein aufgrund der schieren Notwendigkeit der derzeitigen Situation, über eine Verlängerung der Laufzeiten der Kraftwerke zu diskutieren, noch intakte Meiller eine Weile länger am Netz zu belassen. Diese Notsituationen allerdings ideologisch zweckzuentfremden um eine gesellschaftlich längst abgewählte Form der Energieversorgung zu einem Comeback zu verhelfen, wird der bewegten Geschichte die all dem voran geht einfach nicht gerecht. Das Thema ist zu groß und zu wichtig, um es einfach dem berühmten menschlichen Kurzzeitgedächtnis zu opfern. Bleibt zu hoffen, dass die Liste der traurigen Erinnerungsstützen, die bereits Namen wie „Tschernobyl“ oder ‘“Fukushima“ enthält, nicht um einen weiteren Eintrag namens “Saporischschja” erweitert werden muss um sich die Gefahren der Kernenergie wieder vor Augen zu holen.

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11 Gedanken zu „Das große Vergessen“

    • Ihr seid doch ein Regionalportal und kein Gesellschafts- oder Politikmagazin?

      Ich besuche eure Seite wegen Ereignissen in der Region für die Weltpolitik gibt es schon genug Anbieter.

  1. …daher wie erwähnt gibt es für das Paralleluniversum genug Medien, derren Worte schliessen auch unsere kleine Hügelwelt ein.

    Oder etwas flapsiger:
    Mein Bäcker biete ja auch keinen Ölwechsel an nur weil wir im Ort keine Werkstatt haben.

    Denoch ist es schlussendlich euer Medium über derren Ausrichtung dürft ihr entscheiden ;-), immerhin darf man kommentieren.

  2. Die Gefahr geht nicht von der Kernkraft, sondern vom Menschen aus.

    Eine funktionierende Energieversorgung aufzugeben ohne einen adäquaten Ersatz zu liefern kann nicht die Lösung sein. Unsere Nachbarländer beweisen es uns schon seit wir uns für ein Abschalten der Kernkraftwerke entschieden haben. Unsere Energiepreise sind ein vielfaches höher als in anderen Ländern (bereits ohne Inflation). Das mag vielleicht daran liegen, dass nachhaltige Energie einfach teurer ist, oder das wir mit nachhaltiger Energie unseren Bedarf schon lange nicht mehr decken können und im Ausland teuer nachkaufen müssen. In nicht allzu entfernter Vergangenheit (ca. Januar, müsste das gewesen sein) bezogen wir in Deutschland unseren Strom aus Serbien oder Slowenien (bin mir nicht mehr sicher). Ob das die Zukunft ist, wage ich zu bezweifeln.
    Wir sind komplett abhängig von anderen Ländern, wo soll das hinführen. Wenn man wollte kappt man uns nicht nur die Energiezufuhr, um uns ausbluten zu lassen.

    Das schlimmste an allem ist noch, das man uns im Süden für teuer Geld „Öko-Strom“ verkauft, der aus französischen Atomkraftwerken stammt.
    Irgendwas läuft doch da schief oder nicht?

    „Grüne“ Energie kann funktionieren, aber nicht wenn man wie im Beispiel Hardtwald für 10 Windmühlen 10 Hektar Wald roden möchte. Eben jenen Wald den wir als Naherholungsgebiet nutzen bzw. der uns unsere Luft zum Atmen gibt.

    Ausstieg aus der Kernenergie? Ja, aber bitte im Vorfeld eine funktionierende Technologie auf den Tisch legen, die unseren Bedarf deckt, sicher betrieben werden kann und uns nicht in die nächste Abhängigkeit hinein katapultiert.

    • Grüne“ Energie kann funktionieren, aber nicht wenn man wie im Beispiel Hardtwald für 10 Windmühlen 10 Hektar Wald roden möchte. Eben jenen Wald den wir als Naherholungsgebiet nutzen bzw. der uns unsere Luft zum Atmen gibt. //// Super das Sie das aussprechen . Hoffentlich kommt man noch zur Vernunft oder der Gegenwind wird so heftig das dieses Vorhaben scheitert. Paradox , Wald weg um das Klima zu retten . Und Ausgleichsflächen sind dann wohl Grünflächen an Autobahnkreuzen . Schöne neue Welt .

  3. Tja, Herr Gilliar, so schaugts doch aus. Und ich erinnere mich noch sehr genau an die Worte des ehemaligen Marine-Stabsrichters Hans Karl Filbinger, der uns sagte: „Wenn Wyhl nicht ganz schnell gebaut wird, gehen noch vor 1980 die Lichter aus“. Wyhl wurde nicht gebaut und die Lichter gingen NICHT aus. Ich sage immer wieder: Wer hat welche Interessen?

  4. Ein Windkraftrad erzeugt an Land ca 2 bis 5 MW.
    Ein Kerkraftwerk 1348MW pro Stunde, kann also jeder ausrechnen, wieviel Windmühlen man braucht um 1 Block zuersetzen und das Problem der Speicherung ist immer noch nicht gelöst.
    Das einzig sinnvolle wären Pumpspeicherwerke oder die Produktion von Wasserstoff.
    Wer immer noch meint, speichern in Batterien, kann schon mal anfangen den Regenwald zu Roden, für die seltenen Erden die man dafür braucht.

    • Und es geht auch nichts über Plutonium aus regionalem und ökologischem Anbau, das danach bequem über die Biotonne entsorgt werden kann ;-)

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