Das Drama, das keiner sehen will

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Wassermangel und Dürre werden zu einem immer größeren Problem

von Philipp Martin

Können Sie sich daran erinnern, wann es das letzte Mal im Kraichgau richtig geregnet hat? Gefühlt, seit einer halben Ewigkeit nicht mehr. Doch mit “gefühlt” lässt sich in Sachen Klima nicht argumentieren, auch wenn unzählige Menschen das offenkundig anders sehen. Schauen wir also in unserer Aufzeichnungen. Marco Weiß, der in Kraichtal eine eigene Wetterstation betreibt, führt genau Buch über alle Parameter unseres hiesigen Wetters und kann daher sicher sagen: „Das letzte bisschen messbaren Regen gab es am 1. Juli.“ Nun schreiben wir heuer den 3. August, es hat demnach über einen Monat nicht mehr geregnet im Land der 1000 Hügel. Die Auswirkungen kann jeder bereits erkennen, die Pflanzen deren Wurzeln nicht weit ins Erdreich hinunter reichen, sind längst am verdorren, das Land wird von Tag zu Tag trockener und brauner. Wasserläufe und Seen veralgen, Wälder und Felder brennen im Tagestakt…

Es fehlt an Wasser… Viele Menschen scheint das kaum zu kümmern, immer noch wird augenfällig sorglos mit der wertvollen Ressource Wasser umgegangen. Rasensprenger die stundenlang Trinkwasser auf viel zu kurz geschnittene Rasenflächen spritzen, frisch gefüllte Swimmingpools mit zig tausend Litern Volumen und das Deluxe-Programm in der Waschanlage für einen strahlenden Wagen… Schließlich noch die Unart, für die aber systembedingt niemand etwas kann, frisches Trinkwasser im wahrsten Sinne des Wortes in der Toilette herunterzuspülen.

Wasserhahn aufdrehen, Wasser läuft und das für etwa 0,2 Cent pro Liter. So sind wir es in Deutschland einfach gewohnt und dabei auch recht verwöhnt… Dort wo die Einwohnerschaft das hiesige Trinkwasser als zu hart empfindet, müssen teure Enthärtungsanlagen (die dabei reichlich Strom und Ressourcen verbrauchen) in Betrieb genommen werden. Einfach nur Wasser reicht nicht aus, es muss auch noch die gewünschten Eigenschaften mitbringen… aber das nur am Rande.

Die Dürreperiode, die wir aktuell erleben, lässt sich nicht mit einem lapidaren “Es ist doch Sommer, früher war es auch schon heiß” hinweg wischen, auch wenn zahllose Schwätzer in den sozialen Medien das anders sehen. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg kommt in ihrem jüngsten Résumé zu einem besorgniserregenden Fazit: “Der Frühsommer 2022 zählt im langjährigen Vergleich zu den Frühsommern mit den niedrigsten Grundwasserverhältnissen. Entsprechend sind die Grundwasserstände und Quellschüttungen nun im Juli auf unterdurchschnittlichem Niveau. Die aktuelle Niedrigwassersituation im Grundwasser ist an den Schwarzwaldquellen und in den Talfüllungen der Schwarzwaldgewässer besonders ausgeprägt. Es ist zu erwarten, dass bis zum Herbst keine nennenswerte Grundwasserneubildung stattfinden wird”.

Wer sich auf der Seite der LUBW die live verfügbaren Messdaten der verschiedenen Quellen ansieht, trifft auf jede Menge roter, nach unten gerichteter Dreiecke – ein jedes steht dabei für rückläufige Wasservorkommen. Auch hier wird teilweise ein ernüchterndes Fazit gezogen: “…Vielerorts wurden für den Juli die niedrigsten Werte seit 30 Jahren erreicht…”. Zur Erinnerung: wenn das Grundwasser zu weit absinkt, können die Wurzeln der Bäume es nicht mehr erreichen und der Wald beginnt langsam zu sterben. Auch für uns Menschen sind sinkende Grundwasserspiegel äußerst schlecht, laufen doch wichtige Brunnen für unsere Trinkwassergewinnung Gefahr, trocken zu fallen. Dass an noch viel zu vielen Orten in Baden-Württemberg die weitestgehend unregulierte Entnahme von Wasser aus dem Leitungsnetz möglich ist, darf daher zumindest kritisch betrachtet werden.

Dass der Klimawandel menschengemacht und real ist, darüber herrscht längst wissenschaftlicher Konsens. Auch die Auswirkungen auf Deutschland lassen sich nicht bestreiten, so schreibt das Bundesumweltamt ganz oben auf der eigenen Internetpräsenz: “Auch für Deutschland hat der Klimawandel Folgen. Diese betreffen nahezu alle Bereiche der Gesellschaft.”. Wohl wahr und obwohl Wasser dabei nicht alles ist, ist ohne Wasser eben alles nichts.

Es ist ein extremer Sommer, da müssen wir uns nicht in die Tasche lügen. Auch hier lässt sich dies mit Zahlen schön verdeutlichen… Bis Mitte der 90er Jahre wurden pro Jahr im Durchschnitt weniger als zehn Hitzetage in Deutschland erreicht, teilweise sogar deutlich weniger. Doch allein im zurückliegenden Monat Juli 2022 waren es 16 an der Zahl… soviel zu all jenen, die behaupten dass das Klima sich seit den goldenen Tagen ihrer Jugend nicht verändert hat . „Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer“, wird derzeit dazu Friederike Otto vom Environmental Change Institute an der Universität in Oxford in vielen Medien zitiert. Wie schnell wir doch vergessen, wie schnell Extremes zur neuen Realität wird.

Leugnen ist zwar menschlich, aber weitestgehend sinnlos. Es geht um Fakten, um Zahlen um dokumentierte Statistik – wer diese Prämissen zugrunde legt und sich nicht auf den verklärten Blick durch die rosarote Brille in eine vermeintliche gute alte Zeit leiten lässt, der kommt nicht umhin festzustellen: Der Klimawandel ist längst in unserer Heimat angekommen, ohne wenn und aber.

Und wie geht es nun weiter, in den nächsten Tagen im Kraichgau? Wo doch der fehlende Regen im Juli im Grunde nur durch Dauerregen im August halbwegs auszugleichen wäre? Sie ahnen es… „forzdrogge“, wie wir hier sagen. “Die nächsten Regensignale tauchen erst zum kommenden Wochenende auf, allerdings im Allgemeinen kaum mehr als 5 Liter” so Marco Weiß und weiter: “Die Langfristprognose rechnet aktuell sogar bis in den September hinein, mit zu wenig Niederschlag, im Vergleich zu dem, was man erwarten könnte.” Na dann, Prost Mahlzeit.

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