Bruchsaler Ladehemmungen

|

Ladepunkte für Elektroautos gibt es in Bruchsal viele, doch nicht alle stehen den Autofahrern auch uneingeschränkt zur Verfügung

Ein Kommentar von Stephan Gilliar

Wenn es um das breit gefächertes Spektrum an Zukunftstechnologien geht, darf das kleine Bruchsal sich mit Fug und Recht stolz auf die eigenen Schultern klopfen. In der Stadt brüten derzeit viele helle Köpfe an Konzepten, die das Potential haben unseren Alltag von morgen revolutionieren zu können. Von autonomen Liefer-Robotern bis hin zu Flugtaxis reicht die beeindruckende Bandbreite an Innovationen “made in Brusl”. Die Stadt will ein Teil der deutschen Mobilitätswende sein und positioniert sich damit clever in einem Sektor, dessen Bedeutung gar nicht anders kann, als weiter zu wachsen.

Der Verkehrssektor hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten keine grüne Bilanz erzielen können, die CO2 Emissionen steigen und steigen. Weg vom Verbrenner und hin zur Elektromobilität ist daher das Credo, das überall zu hören ist. Damit das gelingen kann braucht es natürlich eine entsprechende Infrastruktur, schließlich nützt das beste Elektroauto nichts, wenn es stromlos auf der Strecke bleibt. Selbstverständlich gibt es hier viele Details und Aspekte, die es zu diskutieren gilt: Ein Dickicht aus unterschiedlichen Anschlüssen, Tarifen, Registrierungen und Zahlungsmethoden… Intuitiv und einfach ist Elektromobilität in vielen Fällen immer noch nicht.

Warum kann sich mein Elektroauto nicht einfach nach dem Anstöpseln an die Ladesäule online identifizieren, mir direkt im Cockpit die exakten Kosten und die Dauer des Ladevorgangs anzeigen und fertig ist der Lack? Stattdessen gilt es sich mit QR-Codes, Kreditkartendaten, Registrierungen, Apps und diversen, weiteren Hürden auseinanderzusetzen… Dieses Dilemma hat auch die Bundespolitiker erkannt und will mit einer novellierten Ladesäulenverordnung ab dem 1. Januar 2022 nachbessern. So sollen neue Ladesäulen das einfache und kontaktlose Bezahlen mit gängigen Kredit- und Debitkarten ermöglichen… bestehende Anlagen müssen allerdings nicht umgerüstet werden.

Ladesäulen gibt es in Bruchsal einige, um nach dieser allgemeinen Exkursion wieder in die Region zurückzukehren. Die meisten davon werden von der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH betrieben, die bei den Tarifen auf einen nicht ganz leicht zu durchschauenden Mix aus mehreren Faktoren setzt: Grundgebühr, Arbeitspreis, Zeitpauschale, ob ad-hoc oder per roaming… Im Vergleich zu einem herkömmlichen Tankstellen-Besuch mit klassischem Liter und Preis-Zähler an der Zapfsäule, leider immer noch zu komplex.

Vor dem Laden kommt aber erstmal die Suche nach einer freien Ladesäule. Mehrere Dutzend davon gibt es in Bruchsal, doch nicht alle stehen der Öffentlichkeit auch immer zur Verfügung. An einigen von ihnen ist je ein Port durch Fahrzeuge des Carsharing-Projekts Zeozweifrei belegt, doch es gibt auch andere, weit weniger verständliche Hemmnisse. Da wäre z.b. der Toilettencontainer für die Marktbeschicker neben dem Bruchsaler Rathaus, der seit Monaten dauerhaft eine Ladestation der Stadtwerke blockiert. Eine Provinzposse die nicht nur ärgerlich für E-Auto Fahrer, sondern darüber hinaus auch ein Stück weit peinlich ist. Anstatt die Ladesäule oder den Klowagen neu zu positionieren, besteht der Umstand einfach Monat für Monat weiter…Investitionen für einen Ladepunkt, die im wahrsten Sinne des Wortes im Klo runtergespült werden.

eine nagelneue E-Ladestation und zwei Verbrenner davor

Mit Verwunderung dürften manche E-Autofahrer auch auf die vier modernen Ladepunkte der EnBW auf dem Parkplatz der Käthe-Kollwitz-Schule entlang der Söternstraße blicken. Wer hier zu normalen Zeiten sein Fahrzeug laden möchte, schaut in die Röhre. Die Ladepunkte stehen der Öffentlichkeit nur in der Zeit von 17 Uhr am Nachmittag bis 7 Uhr am Morgen zur Verfügung. Tagsüber sind alle vier Plätze für das Personal und die Schülerinnen und Schüler der Schule reserviert. Wie das Landratsamt Karlsruhe als Eigner des Parkplatzes auf unsere Anfrage mitteilt, sind die Ladepunkte “Teil eines Pilotprojektes, das im Rahmen des Landeswettbewerbs „Digitale Zukunkftskomm@bw“ des Landes Baden-Württemberg gemeinsam mit anderen Landkreisen entstanden ist. Damit soll Schülern und Lehrer die Möglichkeit gegeben werden, E-Mobilität in ihrem Schulalltag zu integrieren und wiederum deren Attraktivität zu steigern.”

Hier reibt man sich doch ein Stück weit verwundert die Augen.. Bei Anschaffungskosten von mehreren zehntausend Euro, sind Elektrofahrzeuge für Schülerinnen und Schüler nicht gerade die erste Wahl, wenn es um das erste eigene Auto geht. Ob es unter den Lehrkräften der Käthe-Kollwitz-Schule genügend E-Auto Halter gibt, lässt sich an dieser Stelle nicht beantworten, die Schule hat unsere diesbezügliche Frage unbeantwortet gelassen. Eine entsprechende Bedarfsabfrage habe es im Vorfeld jedenfalls nicht gegeben, räumt das Landratsamt auf unsere schriftliche Nachfrage ein, “die Ladesäulen dienen dazu, Schüler und Lehrer der Käthe-Kollwitz-Schule erst zum Umstieg auf nachhaltige E-Mobilität zu bewegen und dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen”.

Fazit: Um Elektromobilität weiter in der Breite etablieren zu können, braucht es neben den bereits bestehenden finanziellen Anreizen, auch eine deutlich einfachere Nutzung der Ladeinfrastruktur. Das Auffinden und die Nutzung der Ladepunkte muss einfach und niederschwellig für jedermann möglich sein. Diese Hausaufgaben muss jeder Kreis, jede Kommune individuell angehen, bei weitem nicht nur das hier exemplarisch angeführte Bruchsal. Eine Stadt die mit Leuchtturm-Projekten wie dem efeuCampus oder dem Hubwerk01 eine Vorreiterrolle in Sachen Technologie einnehmen möchte, darf aber gerne schonmal an ihren Ladepunkten der Elektromobilität gegenüber mobilen Sanitäreinrichtungen den Vorzug geben.

Vorheriger Beitrag

Genetischer Zwilling dringend gesucht

Knasthühner

Nächster Beitrag