Kind sein, kannste noch nach dem Abi!
Rums, da geht die Türe auf und heraus in vollem Lauf strömen die Schulkinder einem sonnigen und frühlingshaften Nachmittag entgegen. Gerne würden die Kids nun einfach nur die freie Zeit und ihre Kindheit genießen, wenn da nicht noch die Hausaufgaben wären. Zwei Seiten im Schreibheft ausfüllen, eine Seite in der Kinderbibel lesen, diverse Mathe-Aufgaben lösen und natürlich muss auch noch das Notenblatt für die Xylophon-Stunde geübt werden. Vor dem Gang ins Grüne, dem Schmökern in Büchern, dem Malen eines Bildes oder dem gemeinsamen Spielen mit Freunden, steht nun also erst einmal „Schule reloaded“ – die Hausaufgaben. Eine gute Stunde und oft auch mehr dauert dieser Akt nicht selten im nachmittäglichen Leben meiner Lendenfrucht. Unter Qualen wird da Schöngeschrieben, Addiert, Subtrahiert und Gedingsbums-ihiert. Während draußen die Vögel zwitschern, qualmen drinnen die Gehirnzellen und der Sand der Kindheit im Stundenglas des Lebens verrinnt. Wer später ein hocheffizientes Mitglied unserer Highspeed-Gesellschaft werden will, der muss eben schon heute Verzicht üben.
Ganz ungeschoren komme ich aus der Sache als Vater auch nicht heraus. Im Post-Pisa-Zeitalter wird von uns Eltern erwartet unseren Nachwuchs bei der schulischen Entwicklung zu unterstützen. Während meine Eltern noch einen feuchten Mäusedreck auf Hausaufgaben-Begleitung gegeben haben, muss ich meine nachmittägliche Arbeit x-mal unterbrechen um Meister Ratlos Junior beim Zünden der Synapsen unter die Arme zu greifen. Und jeden Tag werde ich dabei – sobald das Ritual die Ein-Stunden-Grenze überschritten hat – immer wütender. Warum kann man die Kinder nicht einfach nur Kinder sein lassen und ihnen den Nachmittag zur freien Verwendung zur Verfügung stellen. Warum muss diese verdammte Gesellschaft, in der das Individuelle kaum noch Beachtung findet und Leistungsdruck und Normen-Denken zur kollektiven Obsession geworden sind , nun auch mein Kind mit in diesen Irrsinn hineinziehen?
Seien wir ehrlich – auch für uns waren die Hausaufgaben schon damals reinster „pain in the ass“. An meinem ersten Tag in der Grundschule war ich ob der verlorenen Hoheit über meinen Nachmittag derart frustriert, dass ich spontan beschloss auszureißen. Mein Vater hat mich im nahen Stadtpark stinksauer eine Stunde später wieder eingefangen und zurück an den Schreibtisch gekarrt. Dort musste ich dann das verdammte Bild von drei Enten auf einem See am Ende doch bunt ausmalen.
Über Sinn und Unsinn von Hausaufgaben streiten sich Lehrer, Eltern und Expertem schon seit Ewigkeiten. Meines Erachtens hält die Bildungs-Elite in den Ministerien dabei einfach nur an Traditionen fest und scheut sich vor (gewagten) Innovationen. Unsere Kids quälen sich ja auch nach wie vor in aller Herrgottsfrühe zur Penne, obwohl sich alle Chrono-Biologen und Entwicklungsexperten mittlerweile einig sind, dass frühes Aufstehen gegen die Natur eines Kindes wirkt.
Machen wir uns nichts vor. Wir erleben immer häufiger die oft schlecht bis gar nicht kaschierten Versuche, schon unsere Kinder zu Zahnrädern im Getriebe unserer modernen Weltordnung zu deklassieren. Eine Ordnung die nur Begriffe wie „schneller“ „besser“ und „Härter“ kennt. Eine Ordnung die eine Geschwindigkeit einfordert, die jeden von uns früher oder später unter die Räder kommen lässt, schaffen wir es nicht uns dem Druck der Masse zu entziehen und zu Outlaws zu werden. Immer mehr Menschen leiden an psychischer Erschöpfung und werden zu Gebrandmarkten sobald Sie dem Druck nachgeben und zusammenbrechen. Diesen Druck spüren bereits die Jüngsten in unserer Gesellschaft, dabei gilt es doch gerade diese davor zu bewahren. Ist das nicht unsere Pflicht als Eltern? Ich zumindest sage meinem Kind seit es auf dieser Welt ist: Du musst nicht alles können, du musst nicht der Beste und der Schnellste sein. Sei einfach Du, finde heraus was du gut kannst und mache das dann. Am Ende bleibt mir nur zu hoffen, dass davon etwas hängen bleibt und gegen den Chor der „Du musst-Rufe“ ankommt.
Trotz allem bin ich aber neuerdings sehr entspannt, was die Zukunft meines Sprösslings angeht. War bisher „Tierarzt“ der formulierte Berufswunsch, so gilt neuerdings „Aldi-Kassierer“ als erklärter Traum-Beruf. Dafür könnte Junior die Schule auch schon heute hinschmeißen – dann hätte es ein Ende mit den verdammten Hausaufgaben.
Also, don´t worry, be Hap-pisa
Ihr Tommy Gerstner
PS: Wie sehen Sie das eigentlich – Sind Hausaufgaben sinnvoll, oder gehören diese abgeschafft. Sagen Sie uns Ihre Meinung!