“Bei uns waren immer Tiere” – Ein Leben zwischen Fell und Federn

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Tagsüber kümmert sich Altenpflegerin Michaela Martin um Senioren – davor und danach um ihre unzähligen Tiere

3 Uhr. Um diese Zeit klingelt bei Michaela Martin im kleinen Brettener Stadtteil Ruit der Wecker. Eine Uhrzeit, die man schwerlich als “Morgen” bezeichnen kann, “Mitten in der Nacht” dürfte es wohl besser treffen. Trotzdem ist Michaela um diese Uhrzeit bereits hellwach, im Lexikon könnte Ihr Bild stellvertretend für den Chronotyp der Lerche stehen.

Dass sie bereits um diese Uhrzeit auf den Beinen ist, macht auch durchaus Sinn. Schließlich liegt ein langer Tag vor Michaela, viele Menschen und noch mehr Tiere, die sich auf sie verlassen. Zuerst steht aber ihr Nebenjob an, eine Zeitungsrunde durch Ruit. Eineinhalb Stunden marschiert sie durch das noch tief schlafende Dorf und bringt den Abonnenten ihre gedruckten Nachrichten. Danach sind erstmal ihre Tiere dran und davon hat Michaela nicht zu knapp: Die Hunde Cherry, Heidi und Nicki, unzählige Ziegen, Katzen und Hühner und nicht zuletzt Michaelas ganzer Stolz: Muli Klara und die beiden Esel Daphne und Tony. Eine so große tierische Familie macht Freude aber auch reichlich Arbeit: Ställe ausmisten, füttern, Gassi gehen, Weidegänge und Streicheleinheiten bis die Sonne aufgeht.

Ein Knochenjob würde manch einer sagen, doch Michaela scheint diesen Start in den Tag gar nicht als Arbeit zu begreifen. Ihr Leben macht ihr Spaß, das merkt man ihr ohne jeden Zweifel an und was die große Zahl ihrer Tiere angeht… das kennt sie gar nicht anders. “Wir hatten immer Tiere zuhause” lacht sie..“Wir waren immer zwischen Fell und Federn zugange”. Zu Hause, das war schon immer Ruit. Hier wurde Michaela 1964 geboren, ein echtes Ruiter Mädel, wie sie sagt. Als Kind war sie viel bei der Oma, die im Dorf eine kleine Landwirtschaft betrieb, als Teenie tanzte sie im Brettener Holzwurm, düste mit dem Mofa durch die Hügel. Einer der schönsten Tage ihres Lebens war jener, als sie aus dem Zeltlager zurückkam und ihr Papa ihr ein Pony gekauft hatte. Ja, ein Leben ohne Tiere, das könnte sich Michaela gar nicht mehr vorstellen.

Die meisten ihrer gefiederten und behaarten Freunde stehen im Stall von Michaelas Lebensgefährten Karl. Karl ist Metzger im Dorf und trotz seines Berufes ein großer Tierfreund. Selber schlachten, das möchte er nicht mehr, das bringt er nicht mehr übers Herz. Das alte Schlachthaus seiner kleinen Metzgerei ist mittlerweile das Zuhause von Michaelas kleinem Zoo. “Das Haus des Todes” nennt sie es und freut sich, dass es nun zu einer ganz neuen Bestimmung gefunden hat. Im Dorf kennt die beiden so gut wie jeder, bis vor kurzem hat Karl schließlich noch hinter der Ladentheke der kleinen Metzgerei gestanden. Doch auch schon einige Jahre zuvor waren er und Michaela im Dorf bekannt wie bunte Hunde. Schließlich haben sie gemeinsam ihr Bauernstüble zum Löwen betrieben, doch auch vor Ruit machte das Gasthaussterben leider keinen Halt.

Es sind nicht nur die Tiere.. auch den Menschen öffnet die gutmütige Mittfünfzigerin ihr Herz. Obwohl sie eigentlich im Hotelfach gelernt und gearbeitet hat, entschloss sie sich später als Quereinsteiger beruflich in der Altenpflege neu anzufangen. So arbeitet sie nun in der mobilen Pflege, kümmert sich um Menschen in der ganzen Region und hat mittlerweile auch eine schöne Verknüpfungen mit ihren tierischen Begleitern gefunden. Hin und wieder stellt sie ihre zweibeinigen und ihre vierbeinigen Schützlinge einander vor, Begegnungen die durch und durch einen positiven und therapeutischen Charakter haben. “Ich bekomme viel positives Feedback” erzählt Michaela. In Zukunft möchte sie diese besondere Symbiose zwischen Mensch und Tier, die ihr selbst schon immer so gut getan hat, also auch beruflich noch weiter ausbauen. Dass das funktionieren wird, daran besteht kein Zweifel. Schließlich scheint Michaela es gefunden zu haben: Ihr eigenes Rezept für echtes Glück.

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