Auf Herz und Nieren

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Wenn Miriam den TÜV abnimmt, stehen die Oldtimer Schlange

Die Betagteren unter uns kennen das – je älter man wird, desto mehr häufen sich Zipperlein aller Art. Bei unseren motorisierten Wegbegleitern ist das nicht anders. Je mehr Tage unsere heiligen Blechle auf dem Buckel haben, desto genauer sollte man hinschauen. Auch Traktoren, das mechanische Rückgrat unserer Kraichgauer Landwirtschaft, brauchen im Alter viel Pflege, Wartung und Liebe. Dazu gehört natürlich auch die eine oder andere Vorsorgeuntersuchung und regelmäßige Check-ups. Anstatt zum Arzt, müssen die treuen und starken Maschinen allerdings zur Hauptuntersuchung und das regelmäßig alle zwei Jahre. Das geht z.b. beim TÜV, mit entsprechendem Termin und der damit verbundenen An- und Abfahrt.

Wie praktisch wäre doch da eine Gelegenheit, den eigenen Traktor in freier Wildbahn – unbürokratisch und schnell mit der ersehnten Plakette auszustatten? Genau eine solche bot sich den Mitgliedern der Oldtimer- und Schlepperfreunde Kraichtal am vergangenen Wochenende. Anstatt des traditionellen Schlachtfestes zum Frühlingsbeginn, gab es diesmal eine Sonderaktion des TÜV: Die Open Air-Abnahme direkt vor dem Clubheim am Rohrbacher Hof. Mit ihrem mobilen Messestand und allem Zipp und Zapp kam TÜV Prüferin Miriam Gödtler am Samstag eigens auf den Hof um sich die knatternden Feld-Veteranen direkt aus der Nähe anzusehen. Trotz Wochenendarbeit für die 30-Jährige ein entspannter Vormittag, voller spannender Einblicke in eine Technik-Ära, die es in dieser Form schon lange nicht mehr gibt. Schon seit sie damals mit ihrem Vater zuhause in Kraichtal-Neuenbürg auf dem Hof ihre ersten, schweren Maschinen hautnah erlebt hat, brennt sie für deren Wirkweise und den ingenieurtechnischen Background. Sie studierte Maschinenbau, arbeitete bei Audi an ihrer Bachelor Thesis und prüft heute hauptberuflich für den Technischen Überwachungsverein – kurz TÜV.

Geduldig prüft sie jeden der grünen, blauen oder roten Oldtimer mit reichlich Pferdestärken unter der Haube auf Herz und Nieren. Bei Traktoren ist die Untersuchung nicht ganz so umfangreich, wie beispielsweise bei Autos. Ein Bremsenprüfstand oder ein Lichteinstellplatz werden nicht benötigt, dies wird alles pragmatisch und direkt vor Ort überprüft. Miriam kennt die Schwachstellen und die kleinen Alltagsbeschwerden der alten Landmaschinen genau, weiß wo sie hinschauen muss. “Die Gelenke machen ab einem gewissen Alter gerne mal Probleme” erzählt Sie während sie mit fokussiertem Blick einem alten Lanz Bulldog in die Eingeweide blickt – tja, wer kennt das Problem nicht.

Immer wieder tigert Miriam zu ihrem provisorischen Arbeitsplatz, der Vesper-Bank der Schlepperfreunde, wo einen mobiler Laptop die Fahrzeugdaten auswertet. Einer nach dem anderen, fahren die alten Traktoren vor – bereit für Dr. Miriams Sprechstunde: Hier ein alter Allgeier, da ein Fendt oder ein McCormick. Thomas Kayser fährt gerade mit einem bulligen Kaelble vor, der gut und gerne 60 Jahre oder mehr auf dem grün-roten Buckel hat. Augenscheinlich ist die Maschine gut gepflegt, auch Miriam hat nichts auszusetzen und vergibt nach eingehender Prüfung die Plakette. Am Ende fahren alle Prüflinge mit selbiger vom Hof – kein Wunder, schließlich pflegen und hegen sie ihre Schätze wie ihre Augäpfel. Ganz gemäß dem Spruch der auf einem der vielen Kotflügel prangt: Manche spielen in ihrer Kindheit mit Traktoren -Die Glücklichen tun es immer noch”

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