Als in Gondelsheim noch die Postkutschen hielten

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Vor dreihundert Jahren war das Gondelsheimer Gasthaus LoewenThor einer der Dreh- und Angelpunkte im Kraichgau

Wer Gondelsheim nicht wirklich kennt oder nur auf der Durchreise ist, der sieht auf seiner Fahrt von Bruchsal nach Bretten kurz die Hinweisschilder entlang der B35, fährt vorbei und hat das kleine Dorf Minuten später bereits wieder vergessen. Doch das ist ein Fehler! Gondelsheim mag auf den ersten Blick zwar klein und unscheinbar wirken, birgt in seinen Straßen und Gassen aber so manches Geheimnis und weiß große, bedeutungsvolle Geschichten zu erzählen.

Hier liegt zum Beispiel Josefine Benz, die Mutter des großen Pioniers der Automobilgeschichte Carl Benz begraben, auf dem Gelände des Schlosses mit seinem wunderschönen Jugendstil-Anbau findet sich ein alter Bergfried aus dem 13. Jahrhundert und dann wäre da nicht zuletzt die einstige Bedeutung Gondelsheims als wichtiger Knotenpunkt im 17. und 18. Jahrhundert. Damals lag der Ort nicht einfach nur zwischen Bruchsal und Bretten, sondern war ein wichtiger Umschlagplatz auf der alten Heerstraße von Speyer nach Augsburg. Sowohl die wohlhabende, freie Reichsstadt am Rhein als auch die Fuggerstadt Augsburg als eines der wirtschaftlich prosperierenden Zentren, gehörten dereinst zu den großen Dreh- und Angelpunkten jener Tage. Der Waren- und Personenverkehr führte direkt durch Gondelsheim und so war es kein Wunder, das hier bereits 1701 ein Wirtshaus samt angeschlossenem Kutschenhalt entstand. Unter seinem Gründer Thomas Fischer und später den Nachfolgern Johan Kemling, Georg Friedrich Sitzler und vielen weiteren mehr, wurde das LoewenThor zu einem wichtigen Haltepunkt entlang der rege genutzten Route. Im Grunde war das LoewenThor eine Art Autobahnraststätte vergangener Tage. Hier konnte man speisen, übernachten, das Pferd einstellen und den eigenen Wagen reparieren lassen. Darüber hinaus erfuhr man im LoewenThor Neuigkeiten aus dem ganzen Reich sowie Klatsch, Gerüchte und zuweilen auch handfeste Informationen aus allen Herren Ländern.

In seiner über 300 jährigen Geschichte konnte das LoewenThor seinen Charme und seine Essenz durch liebevolle und aufwendige Sanierungen der Besitzer fast vollständig erhalten. 1748 wurde es im barocken Stil umgebaut und 1990 in seiner jetzigen Erscheinung wiedereröffnet. Noch heute findet sich direkt davor eine alte Kutsche jenen Typs, mit dem damals die große Welt – in für heutige Verhältnisse fast unerträglicher Langsamkeit – bereist wurde. Wer das heute immer noch als Restaurant geführte LoewenThor betritt, reist augenblicklich in der Zeit zurück und findet sich – je nach Raum – in einer anderen Epoche der langen Geschichte des Hauses wieder. Da gäbe es zum Beispiel den barocken Champagnersaal aus dem 18. Jahrhundert, die Kaminzimmer aus dem 17. Jahrhundert, das Ratsherrengestühl oder die Kutscherstube.

Wer hier erstmals einkehrt, der bleibt minutenlang andächtig auf der Türschwelle stehen und lässt die Atmosphäre und den nicht zu leugnenden Zug der Geschichte über sich hinweg streifen. Das Knarzen der alten Treppen, der Geruch Jahrhunderte alten Holzes und nicht zuletzt das gute Essen machen einen Besuch im Löwenthor in jedem Fall zu einem unvergesslichen Ereignis.

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