Als das tapfere Schneiderlein hinwarf

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Vor 15 Jahren musste das Traditionskaufhaus Schneider mit gleich mehreren Standorten in unserer Region nach 120 Jahren Firmengeschichte letztlich Insolvenz anmelden.

Sie sind vorbei, die glamourösen Tage der Kaufhäuser, da gibt es vermutlich keine zwei Meinungen mehr. Die großen Warenhäuser finden sich heute im Internet, mit einem Sortiment, das noch die größten Kaufhäuser der Republik zu ihren Glanzzeiten hätte alt aussehen lassen. Alles auf Knopfdruck verfügbar, alles innerhalb eines Tages geliefert. So verständlich es ist, dass die Kunden sich diesem bequemeren und meist auch günstigeren Weg verschrieben haben, so traurig ist es natürlich für unsere Innenstädte. In den letzten Jahrzehnten ist einer der alten Riesen nach dem anderen einen langsamen und stillen Tod gestorben, für die verbleibenden Kaufhäuser sieht es ebenfalls nicht gut aus. Nach der jüngsten Signa-Insolvenz ist die Zukunft für Galeria Karstadt Kaufhof noch ein Stück ungewisser, ob deren Häuser noch eine Zukunft haben alles andere als gewiss. Kein Wunder, nach aktuellen Erhebungen zieht es nur noch einen sehr sehr geringen Prozentsatz der potentiellen Kundschaft in die einstigen Konsumtempel.

Das ehemalige Kaufhaus Schneider in Bruchsal, heute eine Filiale des Modehändler Jost

Früher war das anders. Kaufhäuser waren die Handelszentren und das schlagende Herz einer jeden Innenstadt. Hier wurde alles feil geboten, alles gehandelt. Besonders in den Jahren des Wirtschaftswunders galt der Konsum als Ausdruck des neu erlangten Wohlstands und als Zeichen eines neu entdeckten Selbstwertgefühls. Hast du was, dann bist du was. Kaufhäuser gab es damals auch längst nicht nur in den großen Metropolen, sondern sogar in den Kleinstädten der Republik. Auch in unserer Ecke der Welt stand ein Name für Kaufhauskultur in Reinform – der Name: Anton Schneider.

80er-Jahre-Neubau des ehemaligen Stammhauses von Schneider anno 1892 in Ettlingen

1892 gründete er sein erstes Kaufhaus in Ettlingen, damals noch unter dem Namen Manufakturwarengeschäft Anton Schneider. Das Geschäft florierte, überstand Krisen und Kriege. Zeitweilen gab es Filialen überall im Land, von Freiburg über Kehl und Offenburg bis nach Karlsruhe. Besonders Letzteres dürfte auch den Menschen hier im Kraichgau noch von Einkaufsausflügen in die Stadt in Erinnerung sein. Am Europaplatz, gegründet in den dreißiger Jahren, konnte man hier noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts alles mögliche einkaufen. Die silbernen Kugeln und das markante Emblem mit dem spiegelverkehrt angeordneten Buchstaben S war in der Fächerstadt eine gesetzte Größe.

Das ehemalige Kaufhaus Schneider in Bretten

Sogar im Hügelland fanden sich zwei Warenhäuser – eines in Bruchsal und eines in Bretten. In Bruchsal eröffnete das Warenhaus im Frühjahr 1951 am Schönborn Platz, unmittelbar vor dem als „thing“ bekannten Brunnen, der einige Jahrzehnte später dem Bistro „Pavillon“ weichen musste. Doch die Geschäfte liefen im folgenden jungen Jahrtausend nicht mehr gut, so dass im April 2009 das Kaufhaus Schneider letztmals für seine Kundschaft eröffnete. Es war ein Sinkflug mit Ansage, schon in den Neunzigern schloss das angegliederte Kaffee, später eine Abteilung nach der andere – von der Lebensmittelabteilung bis zur Spielwarenabteilung. Am Ende war aber auch diese Schrumpfkur kein Garant für einen Weiterbetrieb. Heute befindet sich im ehemaligen Gebäude des Kaufhauses Schneider eine Filiale des Modehändlers Jost.

Die Weißhofer Galerie in den ehemaligen Räumen des Kaufhaus Schneider in Bretten

Nur kurze Zeit später musste auch die Filiale in Bretten schließen. Diese war in der Melanchthonstadt Mitte der siebziger Jahren eröffnet wurden, wurde beim Verkauf des ursprünglichen Konzerns anno 2003 übernommen. 2014 eröffnete die Stadt Bretten in den zuvor jahrelang leer gestanden Räumlichkeiten schließlich die Weißhofer-Galerie, ein kleines lokales Einkaufszentrum mit einer Handvoll Geschäften, das seit seiner Eröffnung bereits mehrfach Wechsel der Mieter hinnehmen musste.

Der Europaplatz in Karlsruhe, rechts im Bild das ehemalige Kaufhaus Schneider.

So nostalgisch aber manche Menschen heute ihren Kaufhäusern hinterher trauern, so pragmatisch muss deren Geschichte und auch deren Niedergang betrachtet werden. Hätte es am Ende noch genügend loyale Kundschaft gegeben, wäre eine Schließung sicher nicht notwendig geworden. Doch nichts kommt von ungefähr und in diesem Fall haben die Kunden ganz einfach mit den Füßen abgestimmt.

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6 Gedanken zu „Als das tapfere Schneiderlein hinwarf“

  1. HIer muss man klipp und klar sagen, dass am Niedergang des „Schneiders“ nicht der Online Handel die Schuld trägt. Die Firma Schneider war schon in Schieflage bevor Amazon richtig groß wurde.

  2. Ich finde es auch schade – kaufe leider auch in dem großen Online Shop mit dem A…- leider ist es auch ein Teufelskreis. Weniger Angebot, weniger Kunden, weniger Einnahmen, weniger Angebot ….
    Wo es geht, versuche ich vor Ort zu kaufen. Ein Problem sehe ich z.B. in Bruchsal – fast jeder Parkplatz kostet inzwischen – 1.50h bis 2 Euro für einen quasi kurzen Einkauf – on Top!

  3. Amazon spielt da sicherlich keine große Rolle, da Schneider und Amazon kaum Berührungspunkte haTTen. Besonders wenn man in Betracht zieht, dass Amazon ab Gründung Mitte der 90er bis ungefähr Mitte der 2000er in erster Linie Buchhändler war (und letztendlich die Bruchsaler Buchgeschäfte immer noch da sind).

    Das Problem war eher breites-, aber kein tiefes Sortiment und mit Sicherheit auch sich ändernde Konsumgewohnheiten. Bis in die 70er waren diese Kaufhaustrips für die Stadtbewohner und umliegende Anwohner zumindest Samstags ein Muss. Dann eröffneten die ganzen Superstores auf den Wiesen mit erheblich besseren Preisen und Parkmöglichkeiten. Der Onlinehandel hat sicherlich das Ableben der Kaufhäuser beschleunigt aber auch nicht mehr.

    Die Zeiten wandeln sich. Niemand trauert heutzutage mehr dem Stellmacher oder Hufschmied nach …

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