Alles, nur nicht nichts

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Bürgermeisterin Sarina Pfründer hat für alles im Leben einen Plan. Der Wechsel ins Rathaus von Lauffen gehört nicht dazu

von Stephan Gilliar

Sarina Pfründer ist Mensch gewordene Effizienz. Ohne dabei in Hektik oder Stress zu verfallen, marschiert sie zwischen ihrem Büro und dem Vorzimmer hin und her, gibt ihren beiden Schülerpraktikanten synchron Anweisungen, zeigt Ihnen sogar noch, wie die Kaffeemaschine zu bedienen ist. Meine Fragen möchte sie mir am liebsten im Flow, ganz nebenbei beantworten, während sie mit diesem oder jenem zugange ist. Doch das ist selbst mir als ruheloser Seele ein bisschen zu viel Multitasking.

Keine Frage, die Fähigkeit dazu hätte Sarina Pfründer in jedem Fall. Vermutlich könnte sie parallel zu unserem Interview ein bisschen Papierkram erledigen, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen und dazu noch an der nächsten Haushaltsrede feilen. Sie ist strukturiert, organisiert und hat bisher kaum einen der hinter ihr liegenden 16.000 Tage ohne einen Plan begonnen. Einfach in den Tag hinein leben? Das kann sie nicht, gibt es auch unumwunden zu. “Carpe diem” statt “vivere dies”… “Nutze den Tag” hat bei ihr immer Vorrang gegenüber “Lebe den Tag”. Irgendwas geht immer…alles, nur nicht nichts. Ob das nicht anstrengend ist, will ich von ihr wissen? “Ich weiß, es ist eine Gratwanderung, bisher klappt es aber gut“, entgegnet sie und lächelt.

Ein paar Anhaltspunkte wie Effizienz und Geradlinigkeit zum Pfründerschen Reinheitsgebot werden konnten, erhält man beim Blick zurück – hinein in die Biographie der 43-Jährigen. Sarinas Mutter war Bauzeichnerin, ihr Vater Vorstand bei der Sulzfelder Raiffeisenbank. In den 80ern war das weit mehr als nur eine kleine Filialleitung, sondern ein hoch angesehener Posten, verbunden mit gesellschaftlicher Noblesse und Repräsentanz. Die Bewunderung der eigenen Eltern, die sich mit Zahlen und mathematischen Zeichnungen beschäftigten, würde in jedem Fall die diesbezüglichen Affinitäten ihrer Tochter erklären.

Geboren wurde Sarina Pfründer in Gemmingen, besuchte später das Gymnasium in Eppingen und studierte schließlich Verwaltungswirtschaft in Ludwigsburg. Eine Laufbahn, wie mit dem Lineal gezogen. Wobei…Während eines Auslandssemesters lebte sie einige Zeit in New York, arbeitete bei der UNO und repräsentierte im Zuge dieser Tätigkeit sogar ein paar Mal die Bundesrepublik in kleineren, diplomatischen Angelegenheiten. Gefallen hat ihr New York, aber nicht wirklich. Zu groß, zu laut, zu dreckig. Wobei sie das Stadtleben generell schon mag, als eingefleischten Dorfmenschen würde sie sich nicht bezeichnen. “Eine Wohnung in der Stadt, das würde mir völlig ausreichen, für die Kinder haben wir uns aber damals für das Land entschieden”, erzählt sie. Zwei davon hat sie, einen kleinen Jungen und eine Tochter, die schon in ihren Teenie-Jahren ist. Um beiden zu ermöglichen, weiter in ihrem familiären Umfeld und dem gewohnten Freundeskreis aufzuwachsen, will sie der Region treu bleiben, fühlt sich hier auch wohl.

Abschied nehmen muss sie dennoch nehmen und das schon bald. Vor wenigen Tagen wurde Sarina Pfründer mit überwältigender Mehrheit im ersten Wahlgang zur neuen Bürgermeisterin der Stadt Lauffen am Neckar gewählt. Ihre strukturierte Lebensweise, ihr vorausschauendes Denken und der wenig bis überhaupt nicht von Emotionen geprägte Wahlkampf, scheinen die Menschen in der 12.000-Seelen-Stadt überzeugt zu haben. Knapp 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben ihr ihre Stimme. Schon bei ihren ersten beiden Wahlen in Sulzfeld erhielt sie aus dem Stand über 80 Prozent, ein so gutes Ergebnis wie in Lauffen ist dennoch außergewöhnlich. Schon am 1. August wird sie am Neckar ihr neues Amt antreten, regelt bis dahin in Sulzfeld alles, was noch zu regeln ist. Ihre Nachfolge in Sulzfeld wird voraussichtlich erst Anfang Oktober entschieden, doch dass der oder die neue Bürgermeisterin in akkurate und saubere Fußstapfen treten wird, steht jetzt schon außer Frage – alles andere wäre nicht Sarina Pfründer.

Ob sie nicht aufgeregt ist, möchte ich von ihr wissen, in der Hoffnung, doch noch ein bisschen spontane Leidenschaft in diesem Gespräch entfachen zu können? Nein, ist sie nicht, denn so viel würde sich nicht ändern. Weiterhin wird Sarina Pfründer in Gemmingen wohnen, anstatt eine Viertelstunde in die eine Richtung, fortan eben eine Viertelstunde in die andere Richtung unterwegs sein. Die Region um Lauffen ist ihr ohnehin längst bekannt, schließlich hat sie im benachbarten Brackenheim nach dem Studium ihre Sporen als Hauptamtsleiterin verdient. Den Job als Bürgermeister? Den beherrscht sie aus dem FF, wenn natürlich auch Lauffen noch mal andere Aspekte mit sich bringen wird – allein schon wegen seiner Größe.

Dass der Weggang aus Sulzfeld ihr trotzdem nicht ganz leicht fällt, merkt man an kleinen Nuancen, wenn sie davon erzählt. Zum Beispiel wie sie von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sulzfelder Rathaus strahlend und mit Sekt nach ihrer gewonnenen Wahl in Lauffen empfangen wurde, oder von der Autofahrt nach Hause, als sie das erste Mal realisiert hat, was gerade geschehen war. Geplant war der Wechsel nach Lauffen nämlich nicht, ganz konträr zu ihrem Naturell, für alles einen Plan zu haben. Sie wurde schlicht und einfach gefragt, ob sie es sich nicht vorstellen könnte, in Lauffen zu kandidieren… Nun, sie konnte, sie tat es und sie siegte. Veni vidi vici, um noch mal einen lateinischen Aphorismus zu bemühen.

So wird Sulzfeld in wenigen Wochen eine Bürgermeisterin verlieren, die sich zu einhundert Prozent, mit ihrer gesamten Aufmerksamkeit und mit aller Stringenz für die Belange ihrer Gemeinde eingesetzt hat, während die Stadt Lauffen eine solche Bürgermeisterin gewinnt. Vielleicht ist es genau dieser von Rationalität geprägte Lebensentwurf und Wesenskern, der ihr so viel Vertrauen einbrachte, dass sie Anfang der 2000er als jüngste weibliche Bürgermeisterin in Baden-Württemberg das Amt in Sulzfeld eroberte und nun jenes in Lauffen. Ohne Filz, ohne Klüngel, ohne Blendwerk und Fassade. “What You Get Is What You See” hätte Tina Turner vielleicht gesungen. Das mag vielleicht nicht der Stoff sein, aus dem Hollywood Filme weben könnte, ist aber möglicherweise genau die Politik, von der es auf dieser Welt deutlich zu wenig gibt. Alle Gute, Sarina, der Kraichgau wird sie vermissen.

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