Ab heute sitzen Millionen von Schülern maskiert im Unterricht
Ein Kommentar von Philipp Martin
Ich gebe es gleich zu Beginn frei zu: Ich bin kein großer Freund der Maske. Der Grund dafür ist aber nicht, dass ich ihre wichtige Rolle in der Pandemie nicht zu schätzen wüsste, oder gar ihre Sinnhaftigkeit im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus in Frage stellte….Meine Vorbehalte sind eher persönlicher Natur: Seit meine Brüder mich als Kind einmal in eine Teppichrolle eingewickelt haben und trotz meines erstickten Heulens auf mir herum turnten, habe ich panische Angst vor engen Verhältnissen, bekomme Schweißausbrüche und Herzrasen wenn Nase und Mund bedeckt sind.
Kurz mal in den Supermarkt oder in den Bäcker, eine halbe Stunde bei einer Pressekonferenz, das Wartezimmer beim Arzt… damit komme ich schon klar wenn ich mich zusammenreiße. Hier stört mich eher die Tatsache, dass ich als Brillenträger schwer irgendwas erkenne und wegen der beschlagenen Gläser mit Kamera, Stift und Block kaum etwas Sinnvolles anfangen kann.
Ohne jeden Sarkasmus gilt meine Hochachtung daher jenen Menschen, die bereits seit Monaten ganztägig eine solche Maske bei der Arbeit tragen müssen. Für Pflegekräfte und Ärzte ist die Maske natürlich nicht ganz neu, aber derart und intensiv präsent wie seit Ausbruch der Pandemie, war das kleine, wichtige Hilfsmittel bisher vermutlich noch nicht. Angestellte im Einzelhandel oder in der Gastronomie hatten bis zum Frühjahr gar keine Erfahrungen mit der Maske, welche quasi über Nacht für sie zum notwendigen Accessoire von früh bis spät avancierte. Acht Stunden mit einer solchen Maske über Nase und Mund, bei teilweise erheblichen, körperlichen Tätigkeiten, das ist alles andere als ein Pappenstiel.
Eine (zu hohe) Belastung für unsere Kinder?
Bevor es bekanntlich besser werden kann, muss es aber offenkundig wohl erst einmal schlechter werden. Ab dem heutigen Montag wird Baden-Württemberg die höchste Pandemie-Warnstufe ausrufen und die Maskenpflicht landauf und landab massiv verschärfen. Überall dort wo Menschen sich nahe kommen und entsprechende Abstände nicht eingehalten werden können, gilt demnach im öffentlichen Raum – beispielsweise in Innenstädten und Fußgängerzonen – die Maskenpflicht fortan nonstop. Als Erwachsener kann man nun natürlich pragmatisch solche Bereiche so oft es geht meiden und – was ja auch mitunter Sinn und Zweck der Übung ist – größeren Menschenaufläufen weitestgehend aus dem Weg gehen. Das Gebot der Stunde lautet: So wenig Kontakte wie möglich.
Unsere Kinder haben diese Ausweichmöglichkeit nicht. Ab Montag gilt in allen weiterführenden Schulen bereits ab der Klassenstufe 5 die Maskenpflicht mitunter bereits für Zehnjährige. Nicht nur wie bisher in den Begegnungszonen wie Fluren oder Treppenhäusern, sondern auch während des Unterrichts. Für Kinder die beispielsweise eine Ganztagesschule besuchen, bedeutet dies nicht weniger, als eine rund achtstündige Maskenpflicht, nur kurz unterbrochen von der Mittagspause.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich zähle nicht zu jenen Kritikern der Maske, die dieser negative gesundheitliche Auswirkungen unterstellen und beteilige mich schon gar nicht an der Verbreitung längst widerlegter Gerüchte über vermeintliche Todesfälle in diesem Zusammenhang, doch in meiner Rolle als liebender Vater sorge ich mich angesichts dieser Entwicklung dennoch.
Acht Stunden eine Maske zu tragen ist anstrengend und fordernd, ich glaube nicht dass mir hier irgendjemand ernsthaft widersprechen würde. All jene Menschen, die bisher schon eine Maske über den Tag hinweg tragen müssen, können hiervon vermutlich ein Lied singen. Der gesammelte Schweiß, die Feuchtigkeit der ausgeatmeten Luft, die Abdrücke der Gummibänder… ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies einer konzentrierten und effektiven Lernatmosphäre zuträglich sein könnte. Dabei gäbe es gerade nach dem mehr oder minder ausgefallenen ersten Schulhalbjahr doch so viel nachzuholen. Auch diese Generation hat ein Recht auf Bildung und vor allem auf die gleichen Chancen, wie jene, die in ihrer Schulzeit maximal ein bis zweimal wegen Hitze, Kälte oder was auch immer frei bekommen haben.
Ich könnte mich mit einer solchen Anordnung auch sehr viel besser arrangieren, wenn ihre Sinnhaftigkeit wissenschaftlich evident und außer jedem Zweifel stünde. Wenn aber am gleichen Tag, an dem Baden-Württemberg die Maskenpflicht im Unterricht auf die Tagesordnung setzt, die Präsidentin der Kultusministerkonferenz unzweideutige Statements wie “Die Schulen sind nicht Treiber der Pandemie“ verkündet und diese nach Aussage im Deutschlandfunk auch noch auf eine jüngst vorgestellte Studie des Robert Koch-Instituts stützt, habe ich Schwierigkeiten diese widersprüchliche Korrelation nachvollziehen zu können.
Zwar bezog sich die von Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundesfamilienministerin Giffey vorgestellte Studie primär auf Kinder in Kitas, doch ergab eine Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschlands bei den Kultusministerien aller Bundesländer, dass auch Schulen keine signifikanten Treiber der Pandemie sind. In den Tagesthemen der ARD bestätigte auch der Hamburger Virologe Schmidt-Chanasit: „Alles deutet darauf hin, dass Schulen und Kitas nicht die Haupt-Infektionsherde sind“.
Klar, ganz pragmatisch könnte man nun sagen: Es schadet aber sicher auch nichts, die Maske im Unterricht aufzusetzen, dadurch gäbe es doch bestenfalls eher noch weniger Infektionen.. Alles um was ich bitte, ist aber nur den kleinen Nebeneffekt der in der Schule verbrachten Zeit nicht zu vergessen: Das Lernen und die Teilhabe auf Augenhöhe an einer späteren Gesellschaft – mit den gleichen Chancen und Voraussetzungen. Ob diesem Bestreben das Tragen einer klammen Stoffmaske über lange Teile des Tages hinweg förderlich ist, kann ich als medizinischer Laie nicht abschließend beurteilen – wie auch, wenn sogar Autoritäten darüber streiten.
Wenn die durchgehende Maskenpflicht an Schulen effektiv hilft die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, dann soll es eben so sein. Ich als Vater würde mich aber bedeutend wohler fühlen, basierte eine solche Entscheidung aber auf unzweifelhaft nachgewiesener Notwendigkeit und einem breiten wissenschaftlichen Konsens. Wie traurig wäre es, unseren Kindern eine derartige Last aufzuerlegen, wenn sich selbige später in der Retrospektive als nur wenig hilfreich herausstellen würde.
Wie wäre es, wenn die ganzen Eltern einfach mal aufhören würde über dieses Thema zu lamentieren und die Kinder fragen würden, was sie von der Maskenpflicht halten? Ich habe bisher von keinem Kind gehört, dass es damit ein Problem hat.
Ich habe mein Kind gefragt und es findet die Maske furchtbar. Er vermeidet es mit mir einkaufen zu gehen. Er ist in der Grundschule.
Sollte die Pflicht auf die Grundschule ausgeweitet werden, darf er entscheiden, ob er daheim bleibt oder nicht.
Ernsthaft? Ich finde die Maske auch furchtbar und muss sie ab heute -als Lehrer- auch tragen. Dabei übrigens sogar ununterbrochen stehen und reden. Meine Kinder finden die Maske auch nicht toll. Und meine Große muss ihre auch im Unterricht tragen. Wir haben ihnen erklärt, dass es nun eben um Solidarität geht und um nichts weniger, als vielleicht das ein oder andere Leben zu retten. Das haben sie verstanden. Und tragen die Maske. Genau, wie sie ihre Hände waschen und, wenn es nötig ist, auch Desinfektionsmittel benutzen. Das mögen sie auch nicht. Aber vielleicht schadet es nicht, dieser Generation beizubringen, was Solidarität ist.
So ein Schwachsinn! Mit wievielen Kindern haben Sie gesprochen? Ich bin eine Mutter von zwei Kindern, habe sehr viel Kontakt zu Kindern und ich kenne KEIN einziges Kind, dass die Maske gerne trägt. Es gibt sogar einige, die regelrecht Angst vor mit Masken bedeckten Gesichtern haben. Also Vorsicht mit solchen Aussagen. Den Kindern wird schon so unheimlich viel zugemutet wie zeitweiser Verlust der sozialen Kontakte, Verlust der Freizeitaktivitäten, eingeschränkter Kontakt zu Großeltern, Verlust von liebevollen Gesten, Ängste, was momentan vor sich geht. Also bitte nicht alles runterspielen. Die Maske ist und bleibt eine Zumutung für Kinder und am Ende auch ein nicht abschätzbares Gesundheitsrisiko, psychisch und physisch für Kinder.
Nur weil ein Kind nicht jammert, weil es Maske tragen muss, heißt das noch lange nicht, dass es nicht doch schädlich für das Kind sein kann.
Natürlich frage ich mein Kind nicht extra, wie es das findet, dass es eine Maske tragen muss…. Ich will es ja nicht extra mit der Nase draufstoßen, dass man jammern könnte. Ich versuche dieses Thema immer positiv darzustellen, denn ändern kann man ja leider nichts. Aber natürlich findet mein Kind das doof, ständig diesen Stofffetzen tragen zu müssen. Man bekommt nicht gut Luft, es nervt, ständig muss man dran denken, alle sind schwerer zu verstehen usw usw. Ich könnte noch eine Weile weitermachen…. was ich damit sagen will ist, ich versuche meinem Kind dieses Thema positiv zu belegen, weil es ja leider keine Wahl hat, wenn es in die Schule gehen möchte, aber ich WEIß dass es das doof findet. Und ich finde auch nicht dass wir Eltern „rumlamentieren“, nur weil wir uns Sorgen um unsere Kinder machen! Den ganzen Tag mit Maske, Winterjacke und Decke… und da soll man dann anständig lernen können??? Ähm ja….klappt bestimmt SUPER…..
Hallo – finde den Artikel sehr gut – auch weil er genau meine Meinung darstellt. Ich muss bei meiner Arbeit auch Maske tragen und weiß wie anstrengend das auf Dauer ist. Meinem Sohn geht es ähnlich wie Ihnen – er leider zum einen unter Platzangst und zum anderen hat er als Allergiker auch mit dem Atmen unter der Maske Probleme. Klar könnte er problemlos ein Attest bekommen, das ihn von der Maskenpflicht befreit- aber er hat keine Lust auf den Shitstorm und die Diskriminierung die dadurch entstehen.
Toller Artikel. Obwohl offenkundlich eher vorsichtig in der Kritik: Besser so als gar nicht.