Ein Windlein stinkt im Walde

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Das goldene Zeitalter der Dreckschweine

Eine Meinung von Philipp Martin

“Gute Kinderstube” – dieser antiquierte Begriff gehört für mich tatsächlich zu jenen Tugenden, die früher offenbar von größerem Wert waren, als es heute leider der zu sein Fall scheint. Hier bin ich meinen Großeltern für die Vermittlung dieser essentiellen Basics wirklich dankbar: Auf der Straße freundlich grüßen, im Bus Älteren den eigenen Sitzplatz anbieten, Türen aufhalten, eine Serviette benutzen, die Sonnenbrille beim Gespräch absetzen, … all sowas eben. Ich würde mich mit meinen 40 Jahren nicht zwangsläufig als extrem konservativ bezeichnen, bin aber der Meinung dass Eigenschaften wie Zuvorkommenheit, Höflichkeit und Rücksichtnahme genau der Kitt sind, der – dick aufgetragen – für mehr Harmonie in unserer Gesellschaft sorgen könnte. Die zugrundeliegende Fragestellung – übrigens auch die schöne Definition eines Gentleman – sollte ganz simpel lauten: Was kann ich tun, damit sich andere in meiner Gesellschaft wohlfühlen?

Leider scheint aber die gegenläufige Theorie für viele Zeitgenossen von größerer Faszination zu sein: Was kann ich tun, damit ausschließlich ich mich äußerst wohl fühle? Das lässt sich im öffentlichen Raum gut beobachten, wenn dreckige Schuhe auf Straßenbahn-Sitzen landen, ungeniert Schleim in die Gosse gespuckt oder abartig laute Musik aus blechernen Smartphone-Lautsprechern schallt. Was mich aber besonders traurig macht – nun komme ich nach der vermutlich zu langen Einleitung zu des Pudels Kern – ist die fortschreitende Verdreckung der Natur. Als tagtäglicher und leidenschaftlicher Waldgänger, maße ich mir an hier auf einen Trend hinzuweisen, der sich nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren eher verstärkt als abgeschwächt hat. Es verschlägt mir manchmal schlicht die Sprache, was Menschen alles im Grünen deponieren. Das beginnt damit, dass Spaziergänger ungeniert und ohne jede Scham ihre Zigarettenkippe einfach ins Unterholz schnippen und es endet mit der Deponierung von gigantischen Mengen Bauschutt in Naturschutzgebieten. Wenn ich sehe dass am Strand eines Baggersees die Reste eines Saufgelages in Form von Flaschen, Scherben, Fast Food-Schachteln und Co. einfach zum Problem der nachfolgenden Besucher gemacht werden, wenn auf einer Waldbank eine Kot-verschmierte Windel vor sich hin stinkt, der Kaffeebecher in der Heide landet oder neuerdings Einwegmasken einfach achtlos weggeworfen werden, frage ich mich ob die eingangs erwähnte Kinderstube auch nur rudimentär in der Erziehungsstrategie moderner Elternhäuser berücksichtigt wird?

Ich will mich nicht als makelloser Saubermann gerieren, aber eine ausgetrunkene Dose einfach in den Wald zu pfeffern, würde mir schlicht die Schamesröte ins Gesicht treiben. Was derart gestrickte Umwelt-Schweine offenbar wissentlich und willentlich in Kauf nehmen, ist die Tatsache, dass andere zwangsläufig ihren Unrat hinter ihnen wegräumen müssen. An Silvester schön böllern, am Baggersee feiern, auf der Wiese picknicken… alles schön und gut, solange man seinen Müll hinterher auch aufräumt. In einer Gesellschaft, in der das eigene Ego aber zum goldenen Kalb auserkoren wurde, lautet das Credo vieler hingegen zunehmend: Die einen machen Dreck, die anderen räumen’s weg.

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4 Gedanken zu „Ein Windlein stinkt im Walde“

  1. Genau so isses! Wenn ich bei uns den Rand der Landstraße ansehe, kann ich nur frustriert den Kopf schütteln. Lehre Flaschen, Getränkestanioltüten, McDonaldsbecher/-Verpackungen, Zigarettenschachteln usw. Vieles davon ist unnötig wie ein Kropf! Am besten sollte das alles mit ordentlich Pfand belegt werden. Dann hätten wenigstens Bedürftige etwas davon. Neuerdings wird das Abfallsortiment durch benutzte COVID-Schutzmasken erweitert. Das ist dann besonders appetitlich!

  2. Wenn’s wenigstens Mal Klick machen würde! Auf Spielplätzen das gleiche Bild. Kippen im Sandkasten, Leere Bierflaschen an der Schaukel und natürlich die leere Dönerbox. Die Bierdeckel auch oft gerne im Sand vergraben 🙄 Mein Kind findet auch den kleinsten Fitzel Unrat. Wehe dem den ich erwische der eine Kippe in den Sandkasten schnippst.

  3. Pfand wäre falsch. Das wissen wir doch schon aus der Vergangenheit (Dosenpfand). Der fehler, liegt doch schon in der Herstellung solcher Artikel.
    Leider muss ich sagen, dass die Kinder meiner Generation diesen Scheiss verbocken(Überwiegend). Also ist das wohl ein Erziehungsfehler meiner Generation.

  4. Schon in 10 Jahren wird nichts und niemand mehr dieses Land zusammenhalten.
    Der von P. Martin erwähnte Kitt ist hier politisch nicht gewollt.
    Konservativ ist unerwünscht, nahe an „Faschismus“.
    Je schriller das Geschrei nach Buntheit, Weltoffenheit, Weltrettung,
    desto Chaos die real existierende Welt.

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