Mach´s gut Sommer.
Ein Nachruf auf die warmen Tage von Tommy Gerstner
Das muss man diesem Altweibersommer lassen – Der Bursche bäumt sich in einem gigantischen Showdown gegen sein unvermeidliches Ende auf. Noch brennt die Sonne vom Himmel und alles strotzt nur so vor Lebendigkeit, doch ehe wir es uns versehen färben sich die Blätter bunt und die ersten Nebelschwaden wallen über unser Hügelland. So sehr ich mir nach einem langen und düsteren Winter auch Jahr für Jahr den Sommer herbeisehne, so sehr freue ich mich nach den vielen heißen Tagen auf die ersten Herbstausläufer.
So schön der Sommer auch sein mag – er kann verdammt anstrengend sein. Alles ist auf den Beinen und saugt die Sonne, das Leben und jedes Grad Celsius gierig in sich auf. Jedes Wochenende gibt´s einhundert Festle zur Auswahl, man ernährt sich nur von Grillgut und Eis und wer Abends zuhause bleibt, tut das mit einem schlechten Gewissen – schließlich ruft die Natur oder der Biergarten nach Dir. Spätestens Ende Juli pausiert dann noch die Schule für bescheidene sechs Wochen, von denen Du mit deinem Jahresurlaub höchstens drei abdecken kannst – vorausgesetzt du willst zwischen Weihnachten und Silvester noch ein paar Tage übrig haben. In diesen drei Wochen brichst Du dann mit Kind und Kegel in eine Ferienwohnung im Allgäu auf, die – wenn Du sie nach 5 Stunden Stau auf der Autobahn erreicht hast, nach Käsefüßen riecht und so dünne Wände hat, dass du den Liebesakt mit deinem holden Weibe aus pädagogischen Gründen gleich vergessen kannst. Wenn Du dann dort deine Zeit abgesessen hast, in der Du dein vollausgestattetes Heim gegen diese spartanische Bleibe getauscht und dafür auch noch 750 Mäuse abgedrückt hast – ja, dann bist du erst recht urlaubsreif.
Spätestens Anfang September schaue ich dann jeden Tag verstohlen sowohl auf die Anzeige unserer kleinen Wetterstation in der Küche als auch auf den Kalender gleich daneben. Herrlich – in zwei Woche geht die Schule wieder los – dann gehört die Bude zumindest vormittags wieder mir. Dann kann ich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen und schrecke nicht alle drei Minuten auf, weil im Kinderzimmer über mir gerade von der Lautstärke her eine Wasserstoffbombe explodiert ist. Und wenn dann auch noch der Herbst kommt und die Welt da draußen beginnt einen Gang runterzuschalten, dann kommt in mir endlich die Entspannung auf. Der Herbst kündigt sich Jahr für Jahr mit diesem uralten und mystischen Ritual an, von dem schon unsere Vorväter ehrfurchtsvoll berichten und so wissen wir:
Der Sommer geht dann zu Ende wenn Du in Bermuda-Short und Flip Flops bei 33 Grad neben einem Sixpack Billig-Bier und Bratwürsten auch gleich die ersten Domino-Steine und Lebkuchen-Nikoläuse in den Einkaufswagen wirfst….
Ein weiser Mann (Tommy G.)
Die Tage werden kürzer und niemand kreidet es dir an wenn du Abends einfach nur faul auf der Couch rumlümmelst. Man kann gemütlich am Ufer des Baggersees einen Spaziergang durch das erste Herbstlaub unternehmen und verstohlen einen Blick zur nun verwaisten Bade-Insel hinüberwerfen, auf der noch vor ein paar Wochen flaumbärtige Teenies mit Dosenbier zum Bassgewummer aus dem Bluetooth-Lautsprecher gegröhlt haben. Es scheint fast so, als hätte der liebe Gott den Lautstärke-Regler der Welt sanft nach unten gedreht.
Jetzt kann ich alter Bruddelkopf mich endlich meinen Herbst-Hobbys widmen – allen voran die Klassiker: Dauererkältung bis zum Frühling und ständige Aufregung über zu hoch gedrehte Thermostate durch meine chronisch frierenden Frauen zuhause. Spätestens im Oktober wünsche ich mir dann wieder die warmen Tage zurück und mir fällt die uralte Weisheit ein: Das Paradies ist immer gerade da, wo du nicht bist.