Improvisiert und mit bescheidenen Mitteln schützte die Feuerwehr Kraichtal schon vor einem halben Jahrhundert die neun Dörfer und ihre Menschen. Dass sie das auch heute noch kann, stellte sie am Wochenende eindrücklich unter Beweis
von Stephan Gilliar
Irgendwie will der kleine Schlüssel nicht in das Schloss des roten, von der Sonne ausgebleichten Bakelitkasten an der Fassade des alten Menzinger Rathauses passen. Doch “The Show Must Go On“, zur Not gilt es eben zu improvisieren. Ein kurzer Schlag mit der Faust und schon ist die Scheibe zerbrochen, der alte Knopf alsbald tief hinunter gedrückt. Mit reichlich Druck, ohrenbetäubender Lautstärke und bis weit hörbar setzt sich auf dem Dach der Motor der treuen E57-Sirene in Bewegung und erzeugt allerorten Gänsehaut und – angesichts des Krieges in Europa – vielleicht auch etwas Grummeln im Magen und hier und da eine Stirn in Sorgenfalten. Gut, dass es sich nicht um einen echten Notfall handelt, sondern nur um eine Übung der Feuerwehr Kraichtal. Nicht irgendeine, sondern die Nachstellung eines Brandes, so wie er vor 60 oder 70 Jahren in Menzingen bekämpft worden wäre. Das improvisierte Einschlagen der Scheibe am Alarmknopf passt sinnbildlich sehr gut in diese Zeit, denn Improvisieren mussten die Floriansjünger damals reichlich. Aus Wenig musste Viel gemacht werden, aus der Not oft die Tugend geboren werden.
Die Truppe war damals kaum motorisiert, schlecht ausgestattet aber nichts desto trotz wie eh und je Feuer und Flamme für diesen ehrenvollen Auftrag, der Ihnen von den Menschen im Dorf anvertraut wurde. Im Mannschaftswagen konnten nur wenige Personen unterkommen, die meisten mussten zu Fuß zum Brandort. Es gab keine richtigen Schutzanzüge oder Strahlrohre, erzählt Torsten Krüger, der mit dem Mikrofon in der Hand die Übung für das Publikum erläutert, in den ersten Minuten dabei gegen das Geheul der E57 bestehen muss. Von diesen Zeiten des Mangels, erzählen auch zahlreiche Zeitzeugen der Feuerwehr Kraichtal, die in diesen Tagen ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, in unserem großen Filmbeitrag ausführlich. Sie erzählen von kleinen Garagen, die als komplette Feuerwehrhäuser herhalten mussten, erzählen von Alarmierungen per Mund zu Mund-Propaganda und von dünnen “Ho-Chi-Minh” – Anzügen, die als improvisierte Einsatzkleidung getragen wurden.
Wie zum Beweis fährt in diesem Moment der historische Einsatzwagen der Feuerwehr mit einer fast comicartig anmutenden Sirene die Mittelstraße entlang. Ein Fahrzeug, das im Vergleich zu den hoch technologisierten, groß motorisierten und teilweise üppig dimensionierten Feuerwehrautos der heutigen Zeit wie ein Spielzeug wirkt. Alles scheint über die Jahre größer und größer zu werden, wer das nicht glaubt, muss sich einfach einen Traktor aus den Fünfzigern neben einem modernen Neuen der heutigen Tage anschauen. Die Masse der Fahrzeuge scheint sich über die Jahrzehnte vervielfacht zu haben.
Aus diesem wunderschönen alten VW Transporter der ersten Generation, bereitgestellt von der Firma Billerbeck aus Münzesheim, die das alte Auto ihrer Werksfeuerwehr wie ihren Augapfel pflegt, springen – selbstredend in historisch korrekten Einsatzanzügen – mehrere Mitglieder der Kraichtaler Feuerwehr. Beherzt organisieren Sie sich in einer kurzen Besprechung, um dem imaginären Brand im Obergeschoss des Menzinger Rathauses Herr zu werden. Von der kleinen hölzernen Ladefläche des Bullys werden Schläuche entrollt, der Gullydeckel mit dem Kant-Schlüssel geöffnet, eine benzinbetriebene und per Seilzug gestartete Motorpumpe angeschlossen. Nach wenigen Sekunden schießt das Wasser durch die Spritze und taucht die Fassade des alten, schon längst stillgelegte Rathauses im Schein der Junisonne in glitzernde Regenbogen. Betreten wird das Gebäude nicht, früher musste man sich meist damit begnügen, Wasser durch die Fenster von außen ins Gebäudeinnere zu schießen, für alles andere war das Equipment der damaligen Zeit schlicht nicht geeignet.
Nach einer Viertelstunde ist das fiktives Szenario beendet, die Sirene verklingt, die Kameraden rollen die Schläuche ein und verstauen Sie sorgfältig in ihrem kleinen roten Schätzchen mit dem markanten VW Logo auf dem flachen Kühlergrill. Diese historische Schauübung der Kraichtaler Feuerwehr, sie war nur ein Highlight des großen Feuerwehrtages in Menzingen, der den Menschen in der Stadt die tatsächlich erstaunliche Vielseitigkeit ihrer Feuerwehr vor Augen führen sollte. Über ganze Straßenzüge hinweg zogen sich Demonstrationen, ausgestellte Fahrzeuge, ein kleines Übungsgelände für Kinder und natürlich – das darf nicht fehlen – die Festmeile rund um das Feuerwehrhaus, wo auch Hunger und Durst gelöscht werden konnten.
Der Tag der Feuerwehr in Menzingen darf als voller Erfolg bezeichnet werden. Zahlreich kamen die Besucherinnen und Besucher, um sich über die Fähigkeiten ihrer Wehr zu informieren und gemeinsam mit den Kameradinnen und Kameraden eine schöne Zeit zu haben. Die Feuerwehr Kraichtal rekrutiert sich ausschließlich aus ehrenamtlichen Einsatzkräften, ist ein integraler Bestandteil der Kraichtaler Gemeinschaft. In ihr finden alle zusammen, vom Bürgermeister bis zur Zahnarzthelferin, vom Menzinger bis zum Neuenbürger. „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr” ist das Motto der Retter und das nehmen Sie ernst, sogar persönlich. Wenn der Alarm geht, ist jeder zur Stelle und tut was er kann, hilft wo er kann. Ob mit einem modernen HLF oder mit einem kleinen feuerroten Bulli, das spielt keine Rolle… in diesen Momenten gilt einfach nur: Einer für alle, alle für Einen. Happy Birthday liebe Feuerwehr Kraichtal
Ich wohne direkt daneben und habe alles angeschaut. Es war sehr spannend und sehr informativ. Man bekommt auch Respekt. Vieles kostet ja eine Wahnsinnskraft und man muss sehr fit sein. Dankeschön an die Feuerwehr für diesen schönen Nachmittag!
Der Stahlhelm kommt wieder an alle. Fronten in Mode ✌️
Dieser Stahlhelm ist historisch eindeutig belegt…also weg damit!
Schade , dass die anwesende Polizei und die Sanitäter keine Erwähnung fanden.