Von tiefen Wassern und tiefen Schluchten – Ein Besuch zwischen Himmel und Hölle in Ernzen in der Südeifel
von Stephan Gilliar
Normalerweise führen meine Ausflugstipps allenfalls eine gute Stunde vom Kraichgau entfernt ins Umland unserer Heimat, doch heute erlaube ich mir eine kleine Ausnahme. Es ist ein Ort, der so schön ist, dass ich es mir nicht verzeihen würde, Ihnen eine Reise hierhin und die großartigen damit verbundenen Erlebnisse nicht ans Herz zu legen. Vor vielen Jahren habe ich hier in der Gegend einmal gewohnt, zumindest unter der Woche, damit ich für meine Sendungen bei RTL Radio Luxemburg nicht jeden Tag die ganze Strecke von Bruchsal aus fahren musste. Auch wenn das Herz natürlich immer für den Kraichgau schlägt, gibt es in der Südeifel wilde und urtümliche Landschaften, die den Atem zu nehmen wissen.
Zwei der schönsten Orte, die ich jemals sehen durfte, finden sich nahe der Stadt Irrel und dem kleinen Weiler Ernzen. Das Schöne: Sie können beide Sehenswürdigkeiten in einer wunderschönen Wanderung erkunden, so sie einigermaßen gut zu Fuß sind. Es empfiehlt sich, diese kleine Reise am Parkplatz der Irreler Wasserfälle zu starten. Hier können Sie kostenlos das Fahrzeug abstellen und auf der anderen Straßenseite sofort in dieses wunderbare Abenteuer eintauchen. Bereits wenn sie das Auto verlassen hören Sie bereits das Rauschen des Wassers. Das Flüsschen Prüm bzw. dessen Unterlauf stürzt sich hier in mehreren Etappen talwärts, schlängelt sichdabei in reißenden Stromschnellen um gigantische Felsformationen. Früher überspannte eine hölzerne Brücke dieses Naturdenkmal, doch seit der Hochwasserkatastrophe 2021 und den damit einhergehenden Wassermassen hat sich die Beschaffenheit dieses Ortes stark gewandelt. Die Brücke wurde zerstört, Bachbett und Uferbereich stark verändert. Als Ersatz für die verlorene Brücke wurde 100 Meter versetzt eine gigantische Hängebrücke aus Metall, aufgehängt an Stahlseilen über das darunter hinweg schießende Wasser gebaut. Man sollte einigermaßen schwindelfrei sein, denn durch das Laufgitter blickt man unweigerlich nach unten, zudem schwankt die Brücke unter dem selten abreißenden Strom der Wanderer merklich hin und her.
Wer die Brücke hinter sich gebracht hat, kann von hier aus direkt in eine mysteriöse Welt aus Weite, Wald und Felsen eintauchen – vor ihnen liegt die berühmte Teufelsschlucht. Entstanden ist dieses Naturwunder aus Sandstein und Keuper bereits am Ende der letzten Eiszeit, als mehrere Felsstürze vom Ferschweiler Plateau aus eine massive Bewegung der Gesteinsmassen ausgelöst hatten. Die Folgen dieses vor über 10.000 Jahren ereigneten Umbauprozesses sind heute deutlich sichtbar. Steile Felswände, enge Schluchten, kleine Wasserläufe und bizarre und fantasievoll anmutende Felsformationen, wohin das Auge blickt. Teilweise führt sie der Pfad mitten durch das Felsgestein, manchmal wird die Passage dabei so eng, dass sie Arme und Kopf einziehen müssen um durch die Spalten zu kommen.
Oben auf dem Plateau angekommen, können Sie im Naturparkzentrum einen Kaffee trinken oder eine Kleinigkeit essen. Hier gibt es auch einen Dinosaurierpark, der bestimmt besonders bei ihren Kindern als willkommenes Ausflugsziel hoch im Kurs stehen dürfte. Die Wege sind übrigens perfekt ausgeschildert, allerdings nur zu Fuß und mit wirklich gutem Schuhwerk anzugehen. Insbesondere nachdem es geregnet hat, kann der Boden sehr matschig sein, Rutschgefahr besteht quasi die komplette Route über. Völlig unmöglich ist der Aufstieg oder Abstieg durch die Teufelsschlucht mit Kinderwagen, Rollatoren und Co..
Auf dem Plateau führt sie der Weg entweder auf einer alternativen Route durch die Schlucht zurück zu den Wasserfällen, oder sie können in das kleine Dörfchen Ernzen absteigen. Ich möchte Ihnen ganz dringend Letzteres ans Herz legen, denn hier erwartet sie am Ortsrand eine Kostbarkeit und ein mysteriöser Ort, den sie niemals vergessen werden. Im Südwesten des Dorfes, im Lauf des Gutenbachs, stoßen Sie auf den Felsenweiher, eine Art in den Fels gehauen Teich, der mit seinen unzähligen Nischen, Höhlen, Becken, Bassins und den vielen Treppen und Brücken dazwischen wie eine Szene aus einem Fantasy-Roman anmutet. Fließendes Wasser, wilde Ranken und dazwischen so unzählige viele kleine und schöne Details, dass sie minutenlang mit offenem Mund dastehen und einfach nur staunen werden.
Gebaut wurde diese Anlage, mitten hinein in eine natürliche Felsformationm vom ehemaligen Ernzener Dorfpfarrer und das bereits schon im 19. Jahrhundert. Man könnte das Projekt eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nennen, denn dem Pfarrer, namentlich Philipp Meyer, ging es darum die bettelarmen Dorfbewohner zumindest eine Weile lang in Lohn und Brot zu bringen um gleichzeitig eine Zuchtanlage für Karpfen für das Dorf ins Leben zu rufen. Bezahlt hat er die kompletten Arbeiten von seinem eigenen Geld, ein Umstand für den man ihm in Ernzen noch bis zum heutigen Tage dankbar ist. Genauso dankbar wie für den Felsenweiher, der vom Dorf gehegt und gepflegt wird, regelmäßig gewartet und in Schuss gehalten wird. Dafür hat Ernzen nun sicherlich einen der schönsten Orte, die man sich überhaupt vorstellen kann. Wildromantisch strahlt der Felsenweiher eine Ruhe und eine Anmut aus, die ich sonst kaum irgendwo je gefunden habe. Bitte behandeln Sie diesen besonderen Platz mit Respekt und genießen Sie die Einmalige Atmosphäre, die er bietet.
Wenn sie sich satt gesehen haben, können sie auf demselben Weg, den sie gekommen sind, zurück zum Naturparkzentrum und von hier aus die alternative Route über die Teufelsschlucht hinabsteigen. Sie erleben hier noch mal eine Seite der Teufelsschlucht, die sie beim Aufstieg so nicht zu Gesicht bekommen haben.Lassen Sie sich Zeit, genießen Sie diesen Ausflug und gönnen Sie sich danach eine Einkehr in der örtlichen Gastronomie, darüber freut man sich sicherlich sehr.
Vom Kraichgau ist dieser Ausflug-Tipp satte 250 Kilometer entfernt, vielleicht können Sie es aber einfach mit einem schönen Ausflug in den Sommerferien verbinden oder der Weg führt sie ohnehin einmal vorbei an dieser netten Ecke der imposanten Eifel. Ans Herz wollte ich Ihnen diesen besonderen Ort in jedem Fall einmal gelegt haben.