Auf der Fashion Week in New York frisiert Daniele auch Stars und Sternchen, sein Herz schlägt aber nur für seinen kleinen Salon in Gondelsheim
Ein Portrait von Stephan Gilliar
Als ich mich anschicke meinen ersten Friseurbesuch seit über 20 Jahren in Angriff zu nehmen, wartet Daniele schon auf der Tür in der kalten Märzensonne auf mich. Er strahlt bis über beide Ohren, ein gewinnendes Lächeln, welches das ganze Gesicht vereinnahmt. Wir schütteln uns die Hände, zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Für mich hat das Äußere, die Form, nie eine große Rolle gespielt. Kauf und Auswahl von Kleidung empfinde ich als anstrengend, die Auswahl an Kosmetikartikeln in meinem Badezimmer beschränkt sich auf Zahnpasta und Duschgel.
Daniele ist da ganz anders, Ästhetik ist für ihn enorm wichtig. Sie ist Teil seiner Persönlichkeit und das zentrale Merkmal jener Kunstfigur, die er um sich selbst herum erschaffen hat. Daniele, das ist nicht nur sein Name, sondern auch seine Marke. Eine Marke, die er schon in jungen Jahren zu formen begonnen hat, sie seither pflegt und Tag für Tag perfektioniert. Daniele inszeniert sie ganz bewusst, setzt sie in Szene und lässt sie zu Gestalt und Wesenskern seines künstlerischen Schaffens werden. Das Glänzen, das Strahlen und das Üppige gehören einfach für Ihn dazu…das Halbherzige oder Verzagte nicht. Die Fotos auf seiner Webseite zeigen einen Mann, der nach außen hin vor Selbstsicherheit nur so strotzt, sich mit siegessicherem Blick – flankiert von zwei Schönheiten – auf einem Thronsessel im Bruchsaler Schloss räkelt. Bescheiden geht anders…
Doch diese Seite von Daniele ist eben genau das… nur eine Seite. Im persönlichen Kontakt tritt die Kunstfigur ein Stück weit zurück und gibt den Blick frei auf einen freundlichen und lebenslustigen Mann, mit dem ich gerne einen Kaffee in seinem derzeit menschenleeren Salon trinke. Die Arbeiten hier laufen auf den letzten Metern, am Wochenende wird Daniele seinen rundum renovierten und von der Fläche her verdoppelten Salon in Gondelsheim neu eröffnen. Bei der Ausstattung hat er in die Vollen gegriffen. Es gibt eine Café-Bar, Sessel mit integrierter Shiatsu-Massagefunktion und jede Menge mysteriöser Hightech-Anwendungen für Menschen, die – anders als ich – noch Haare besitzen.
Daniele hat es weit gebracht als Sohn italienischer Gastarbeiter, die Ende der 80er Jahre – wie so viele andere auch – in Deutschland ihr Glück suchten. Als Daniele sechs Jahre alt war, zogen sein Papa aus Apulien und seine Mama aus Kalabrien mit ihm in den Kraichgau. Sein Vater fand eine Anstellung als Maurer, die Mutter arbeitete bei Neff in der Produktion. Nach nur drei Jahren in Deutschland erlag Danieles Vater einem Krebsleiden, fortan gab es nur noch ihn, seine zwei älteren Geschwister und seine Mutter. Die Familie zog nach Zaisenhausen, später nach Neibsheim. Daniele besuchte die nahe Realschule in Elsenz, später die Hauptschulen in Sulzfeld und Heidelsheim. Die Tour de Kraichgau innerhalb weniger Jahre. Seine Mama schlug ihm vor, nach der Schule irgendetwas mit Computern zu machen, schon damals in den 90er Jahren eine geheimnisvolle, aber auch irgendwie zukunftsträchtig anmutende Branche.
Doch als Daniele später eine berufliche Schule in Bruchsal besuchte, sollten die Karten neu gemischt werden. Im Stockwerk unter seinem Klassenraum wurde damals der Friseurnachwuchs unterrichtet und zog den 15-jährigen Daniele wie einen Magneten an. So oft er konnte, war er bei den dortigen Schülerinnen und Schülern, versuchte sich auch an Frisuren und Techniken. Irgendwann nahm ihn eine Lehrerin zur Seite und schlug ihm vor, doch einfach bei ihnen einzusteigen. Auf den Rat seiner älteren Schwester hin ging Daniele das Wagnis ein, traute sich aber nicht, seiner Mama diese Entscheidung kundzutun. Zwei Monate hielt er es geheim, dann offenbarte er sich ihr. Anders als erwartet, unterstützte sie ihn, mahnte ihn aber, in diesem Beruf etwas aus sich zu machen. Und das versprach er ihr.
Direkt nach der Meisterschule in Heidelberg startete Daniele in die Selbstständigkeit, nahm einen hohen Kredit auf, um seinen Salon in Gondelsheim auf den Weg zu bringen. 18 Jahre ist das mittlerweile her und Daniele hat jedes einzelne davon genutzt, um Ruf und Reputation weiterzuentwickeln. So frisierte er bereits auf der “Platform Fashion Düsseldorf”, der “Mercedes Benz Fashion Week Berlin” und als vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere in diesem Jahr auf der Fashion Week in New York, als einer von nur 30 ausgewählten Hairstylisten aus ganz Deutschland. “Eigentlich ist das aber ziemlich langweilig“, raunt mir Daniele zu.. “Dort führt man im Grunde nur Anweisungen aus, die eigene Kreativität wird gar nicht wirklich benötigt.”
Auf diese Kreativität ist Daniele sehr stolz, sie ist sein Markenzeichen und Programm in seinem Salon in Gondelsheim. Dafür investiert er viel Zeit, bildet sich fort so oft er kann, liest Fachmagazine und verfolgt die zuweil wirren Windungen der weltweiten Mode. Balayage, Haarverlängerungen, Verdichtungen und Fashion-Schnitte gehören in das Repertoire seines achtköpfigen Teams genauso wie Stilberatung und Pflegeanwendungen. Das alles hat freilich seinen Preis, ein Termin hier schlägt auch mal problemlos gut und gern dreistellig zu Buche, dennoch sind die Terminkalender mindestens drei Monate im Voraus gut gefüllt. Die Kundschaft kommt dabei nicht nur aus dem Kraichgau, sondern teilweise auch aus Frankfurt, Mannheim oder Stuttgart. Primär sind es Frauen. “Jeder sollte sich das wert sein” sagt Daniele dazu, der nie vorhatte eine 08/15-Dorfsalon zu betreiben und deshalb im Ort hin und wieder schief angeschaut wird. “Ich lebe gerne hier, aber Integration hat Grenzen”
Ich selbst könnte mir nicht vorstellen, der ich mir schon zu behaarten Zeiten den Kopf selbst sparsam mit der Maschine kahl geschoren habe, bei Daniele Kunde zu werden. Aber wie sagt man doch so schön: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Warum er seinen Salon nicht in der Großstadt eröffnet hat, möchte ich von Daniele wissen? “Ich mag den Kraichgau, ich komme von hier, ich wollte es auch hier schaffen, nicht anderswo” entgegnet er nur und steckt sich noch eine kleine, süßlich riechende Tabak-Kapsel in den Verdampfer. “Ich weiß ich wirke nach außen hin sehr extrovertiert, aber privat bin ich eigentlich sehr introvertiert und still”. Privat, das ist er nur am Abend, wenn die Arbeit getan ist. Dann ist er bei seinem Lebensgefährten Burak, der selbst einen Salon in Weingarten hat. Gemeinsam kochen Sie etwas, liegen danach vor dem Fernseher… herrlich langweilig und so gar nicht extravagant.
Auch das ist Daniele, der genau weiß, dass viele ihn für einen Paradiesvogel halten, für abgehoben.. Die dabei den alten Fehler begehen, Selbstbewusstsein mit Arroganz gleichzusetzen. Dabei weiß Daniele nur genau, was er will – ein Meister sein in dem was er tut. Nicht auf dem Kudamm, nicht auf der Kö…sondern hier bei uns – daheim in Gondelsheim.