Zweieinhalb Stunden Telefonwarteschleife und am Ende doch kein Termin

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Aufstehen um Mitternacht

Der Gondelsheimer Erwin Grab unterstützt ehrenamtlich Senioren bei der Vereinbarung eines Impftermins

Erwin Grab trägt sein Herz am rechten Fleck, hat viel erlebt, kann viel erzählen. Das wird mir, als sein Zuhörer an diesem sonnigen Montag schnell klar, als wir bei einem kleinen Spaziergang über die Felder bei Gondelsheim wandern. Sein ganzes Leben hat der Endsiebziger damit zugebracht anderen Menschen unter die Arme zu greifen und ihnen Hilfe anzubieten. Er hat sechs Kinder großgezogen, ist um seinen Enkel nah zu sein sogar umgezogen und stellt für selbige sogar kleine Filme und Videos her, um auch während der Corona-Beschränkungen den Kontakt zu ihnen nicht zu verlieren. Dieser Altruismus zieht sich durch das Leben des gebürtigen Thüringers wie eine rote Linie. Lange Jahre hat er in der Erwachsenenbildung gearbeitet, Menschen aus einfachen, sozialen Schichten unterrichtet, Jugendlichen ohne Lehrstelle eine Perspektive gegeben.

Eigentlich ist Erwin Grab bereits vor 11 Jahren in den Ruhestand verabschiedet worden, doch ans Aufhören möchte er noch lange nicht denken. “I like my work, i love to work” hat ihm einmal ein Mentor mit auf den Weg gegeben und an diesen Grundsatz hält er sich bis heute. Auch nach seinem Umzug vor über drei Jahren aus dem Bayerischen nach Gondelsheim, suchte er sich sofort eine neue Lehrstelle und unterrichtete an mehreren Tagen in der Woche – bis Corona kam.

Wie in so vielen anderen Biographien, hat Captain Covid auch in jener von Erwin Grab eine schmerzhafte Zäsur hinterlassen. Sein letzter verbleibender Bruder starb kürzlich mit 80 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion. Als Erwin Grub dann noch im Fernsehen eine Reportage über einen 90-jährigen sah, welcher rund zweieinhalb Stunden erfolglos in der Telefonwarteschleife versuchte einen Impftermin zu erhalten, beschloss er zu helfen. Also schloss er sich mit Gondelsheim Bürgermeister Markus Rupp kurz, den er bereits von seiner Arbeit aus dem Heimatverein kannte. Dieser veröffentlichte kurzerhand das Angebot Erwin Grabs, Menschen in der Gemeinde bei der Suche nach einem Impftermin zu unterstützen im Ortsblatt.

seit einer Woche nichts zu machen – keine freien Impftermine im Impfzentrum Heidelsheim

Mittlerweile haben sich auf diese Weise über 30 Senioren aus Gondelsheim bei Erwin Grab gemeldet, für 19 von ihnen konnte er bereits einen der wenigen und raren Termine im nahen Impfzentrum in Heidelsheim vereinbaren. Der Weg zu einem solchen Termin ist steinig, das weiß niemand besser als Erwin Grab. Um überhaupt eine Chance zu haben, stellt er sich den Wecker auf kurz vor Mitternacht, um direkt um null Uhr, wenn neue Termine ins System eingetragen werden, gleich zuschlagen zu können. Nicht immer funktioniert dieses Vorgehen, seit etwa einer Woche ist in Heidelsheim kein einziger Termin mehr verfügbar. Auch wenn er die Online-Eingabemaske der Reservierungsplattform aus dem FF beherrscht, zweifelt Erwin Grab daran, ob dieses System wirklich für die Ältesten geeignet ist. Viele haben noch nicht einmal einen Computer oder ein Smartphone, stundenlange Wartezeiten am Telefon kann man Ihnen ebenfalls nicht zumuten, erzählt der hilfsbereite und vollständig ehrenamtlich arbeitende Teilzeit-Rentner – so bezeichnet er sich selbst. Besser wäre in seinen Augen der Versand von Briefen mit festgelegten Terminen, damit könne wohl jeder umgehen, auch die älteren.

Er selbst ist übrigens noch nicht geimpft, es fehlen ihm noch ein bis zwei Jahre bis zu seinem 80. Geburtstag und dem Aufstieg in die Zielgruppe Nummer Eins. Also wartet er auf seine Stunde und hilft bis dahin seinen Mitmenschen wo er nur kann. Wenn es ihm gelungen ist, einen der begehrten Termine zu ergattern, druckt er die Unterlagen gleich aus und bringt sie den Senioren in Gondelsheim direkt an die Haustür – einfach so, ohne große Worte, ohne jede Kosten. Haben möchte er dafür ohnehin nichts, das Helfen liegt ihm eben im Blut. Als neulich eine ältere, frisch geimpfte Dame dann aber mit einer Flasche Sekt und Schokolade vor seiner Tür stand, hat er sich aber doch so richtig gefreut.

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